Zusammengetragen und editiert von Philip Kosse
Wir befinden uns in schwierigen Zeiten, sowohl wirtschaftlich und politisch als auch national und global. Blicken wir auf 2023 zurück, sehen wir ein bewegtes Jahr, in dem viel passierte. Unter anderem und gerade auch in Sachen Digitalisierung. Die verpassten Ziele des OZG stimmten nachdenklich und zeigten, woran wir noch arbeiten müssen und was es zu verbessern gilt. Der Start ins neue Jahr ist von vielen guten Vorsätzen geprägt, in Bezug auf das Fortschreiten der Digitalisierung und auch in Bezug auf andere Bereiche.
Wir haben Entscheider aus der Politik, zum großen Teil unsere Interviewpartner in der .public in 2023, sowie den Vorstand und die Geschäftsbereichsleiter Public Sector der msg gefragt, was ihre Highlights hinsichtlich der Digitalisierung 2023 waren, wo es 2024 hingehen soll und welche Erwartungen sie persönlich an das kommende Jahr haben. Ihre Antworten haben wir hier – in verkürzter Form – zusammengestellt.
Die Digitalisierungshighlights 2023
Entwicklungen in Deutschland und technologische Impulse
Die Digitalisierung in Deutschland geht voran, wenn auch teilweise nur schleppend. Nennenswert ist hier sicherlich,
„…das Battle der Bundesländer um die OZG-Services, das am Schluss eigentlich alle verloren haben.“ (Christian Rupp, CDO Prosoz Herten und Vorstand NEGZ)
„Im Vergleich zu unseren europäischen Partnerländern kommen wir nur langsam voran, wobei die Digitalisierungshighlights weniger konkrete Leuchtturmprojekte als vielmehr Chancen sind, die sich durch neue Technologien und Technologieansätze ergeben, die sich 2023 aufgetan haben.“ (Helmut Lämmermeier, Geschäftsbereichsleiter, msg Public Sector)
„Eine dieser Technologien ist zweifelsohne KI beziehungsweise die generative KI, die für eine breite Öffentlichkeit und auch die öffentliche Verwaltung insbesondere durch ChatGPT erfahrbar wurde.“ (Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Becker, Managing Director of European Research Center for Information Systems (ERCIS).Damit wurde ein besonderer Meilenstein eingeleitet.
„Der Einsatz leistungsfähiger Sprach- und Textmodelle, etwa Luminous, ermöglicht substanzielle Geschwindigkeits- und Kostenvorteile bei der Erstellung und bei der Analyse von Dokumenten in Verwaltungsprozessen.“ (Dr. Frank Schlottmann, Vorstand msg systems AG)Außerdem hat gerade die Diskussion über die Nutzung von Cloud-Services in der Verwaltung erheblich an Fahrt aufgenommen.
„Beispielsweise bieten verschiedene Angebote für eine souveräne Cloud und die mittlerweile verfügbaren Musterverträge EVB IT Cloud Chancen für die Entwicklung cloud-basierter Anwendungen.“ (Werner Achtert, Geschäftsbereichsleiter, msg Public Sector).
Erfolgsberichte und Meilensteine
Aber nicht nur die großen Themen sind es, die uns alle betreffen und neue Impulse in Richtung Digitalisierung setzen. Auch gab und gibt es viele einzelne Projekte und Erfolgsgeschichten, die zusammen zum großen Ganzen führen.
„Die Landeshauptstadt München belegte erstmals beim Smart City Index der Bitkom den ersten Platz. Erreicht wurde dies durch harte Arbeit, weshalb es unter anderem in München so viele Onlinedienste gibt, wie in kaum einer anderen Stadt; allein 2023 sind über 30 neue Dienste online gegangen.“ (Dr. Laura Sophie Dornheim, CDO und IT-Referentin der Landeshauptstadt München)
In Rheinland-Pfalz wurde die Digitalstrategie fortgeschrieben, wobei eine starke Innovationscommunity entstanden ist, die nun auch die Umsetzung unterstützen wird. Ein neuer Prozess zur Steuerung der Digitalprojekte und ein Digitalmonitoring zur Schaffung von Transparenz für Bürgerinnen und Bürger sind weitere Fortschritte, die erzielt wurden.
„Vor allem mit dem Kommunalpakt auf der Bundesebene und der gemeinsamen Verabredung auf die Fokusleistungen ist man bei der Verwaltungsdigitalisierung wesentliche Schritte vorangekommen.“ (Dr. Fedor Ruhose, Staatssekretär und Amtschef im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz)
Teamarbeit ist also gefragt, um Projekte umzusetzen und die Digitalisierung voranzutreiben. Auch im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) wurden die Weichen gestellt. Gemeinsam gilt es, innovative KI-Regulierungen zu verfolgen und den Datenschutz zu vereinheitlichen.
„Der Schutz digitaler Kommunikation ist ebenso wichtig wie die europäische Kooperation bei digitalpolitischen Vorhaben, um dafür zu sorgen, dass Deutschland und Europa anschlussfähig an internationale Märkte bleiben.“ (Benjamin Brake, Abteilungsleiter Digital- und Datenpolitik BMDV)
Diese Zusammenarbeit, insbesondere zwischen Bund und Ländern, wurde im Jahr 2023 wesentlich verbessert. Die Weichen sind gestellt und die (Verwaltungs-)Digitalisierung in Deutschland soll nun noch wirksamer gestaltet werden. Diese Einschätzung teilt auch Patrick Burghardt, Oberbürgermeister der Stadt Rüsselsheim am Main / Staatssekretär a.D. / ehem. CIO des Landes Hessen.
Die Fragen sind also nun: Wie geht es bezüglich der Digitalisierung im kommenden Jahr weiter, welche Aufgaben stehen bevor und was gilt es zu schaffen?
Anstehende Aufgaben und Chancen für das Jahr 2024
„Dafür braucht es Mut bei den Entscheidungsträgern, neue Ideen auszuprobieren, anstatt zu warten, bis alle Feinheiten bis ins letzte Detail ausdiskutiert sind. Nur so kann die Verwaltung Erfahrungen sammeln und die Potenziale der Digitalisierung nutzen.“ (Werner Achtert)
„Die Entscheidungsträger müssen überzeugt werden, dass bei Digitalisierungsaufgaben Methoden der Wirtschaftsinformatik wie Datenmodellierung und Prozessmanagement wichtiger sind als politisches Geplänkel. Das gilt für die Registermodernisierung ebenso wie für IT-Architekturen für das E-Government: Für gleiche Aufgaben gilt es eine einheitliche Plattform zu bauen, auf der die spezifischen Lösungen aufsetzen, um nicht für jede Aufgabe von Scratch auf neu zu planen.“ (Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Becker)
Dafür ist es notwendig, die technologischen Neuerungen mitzudenken und Herausforderungen entgegenzutreten.
„2024 wird im Zeichen der KI stehen (Christian Rupp), aber auch der Ausbau der Cloud-Infrastruktur und eine flächendeckende Umsetzung des OZGs werden das Jahr prägen.“ (Patrick Burghardt)
Man muss also verstärkt in die Umsetzung kommen, damit die Realisierung Fahrt aufnehmen kann, denn Konzepte und Strukturen sind in der öffentlichen Verwaltung vorhanden.
„Dabei wollen wir seitens der msg natürlich helfen und unseren Kunden diese Kompetenz verstärkt zukommen lassen.“ (Helmut Lämmermeier)
„Ein Ziel ist beispielsweise, dass Ende 2024 die KI in der Verwaltung flächendeckend angekommen ist.“ (Dr. Frank Schlottmann)
Digitale Teilhabe im Fokus
Aber nicht nur politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sind gefragt oder die Wirtschaft – es sollen insbesondere auch die Bürgerinnen und Bürger im Fokus stehen.
„Wir beschäftigen uns mit High Tech, aber nicht einfach um der Technik willen, sondern für die Menschen in unserer Stadt. Digitale Teilhabe ist das große Thema für 2024.“ (Dr. Laura-Sophie Dornheim)
Viele Menschen leben in Städten und urbanen Regionen. Dort müssen unterschiedliche Bedürfnisse, Perspektiven und Hintergründe berücksichtigt werden. Gerade im Kontext einer Smart City ist es wichtig, den gelebten Alltag der Bürgerinnen und Bürger mitzudenken und die Digitalisierung zu nutzen, um das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner zu verbessern.
„Zum Beispiel über die digitale Um-, An- und Abmeldung von Fahrzeugen, über den digitalen Führerschein und – für mich persönlich ein Game Changer – über eine elektronische Patientenakte, die es Ärzten ermöglicht, sich der sprechenden Medizin zu widmen und Patienten den Raum gibt, sich mit Wichtigerem zu befassen als Arztberichte und Datenträger zu archivieren.“ (Benjamin Brake)
Die Beispiele zeigen, dass viele Aufgaben im Jahr 2024 anstehen, man aber gleichzeitig die Überzeugung teilt, dass wenn das Potenzial und die Chancen genutzt werden, große Fortschritte im Bereich der Digitalisierung erreicht werden können. Wichtig sind dabei schnelle Entscheidungsfindungen, gemeinsames Arbeiten und die Nutzung des technologischen Fortschritts. Doch was muss eigentlich passieren, damit 2024 erfolgreich wird? Wir haben nach persönlichen Wünschen, auch hinsichtlich der Digitalisierung und Erwartungen für 2024 gefragt.
Erwartungen und Wünsche an das Jahr 2024
Bei den persönlichen Wünschen für das Jahr 2024 wird deutlich, dass sie stark an die anstehenden Aufgaben geknüpft sind. Je nach Grad der Verantwortung und persönlicher Situation mag sich dies zwar unterscheiden, aber man ist sich einig, dass nur Zusammenhalt und gegenseitiges Verständnis in der aktuellen Situation helfen werden, die bevorstehenden Herausforderungen zu meistern und die Digitalisierung voranzutreiben. Wir freuen uns darauf, auch in diesem Jahr darüber zu berichten und Sie mit dem Magazin .public weiterhin zu informieren!
Werner Achtert: „Mein persönlicher Wunsch für 2024 ist, dass wir den aktuellen multiplen Krisen mit weniger Polarisierung und mehr gegenseitigem Verständnis aller gesellschaftlichen Gruppen begegnen.“
Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Becker: „Das Gehirn ist eine wunderbare Erfindung. Es sollte mehr genutzt werden.“
Benjamin Brake: „In 2024 wollen wir den Bürgern den Wert der Digitalisierung zeigen!“
Patrick Burghardt: „Da ich im kommenden Jahr wieder das Amt als Oberbürgermeister in Rüsselsheim übernehmen werde, freue ich mich besonders darauf, das auf kommunaler Ebene umzusetzen, was wir mit dem IT-Planungsrat auf den Weg gebracht haben. Unmittelbar erlebbaren Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, ist schließlich das wesentliche Ziel unserer Aktivitäten im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung.“
Dr. Laura Sophie Dornheim: „Weniger große Krisen, weniger Kriege, weniger Hass und Hetze. Mehr Aufeinander-Zugehen, mehr Verstehen-Wollen. Für das Münchner IT-Referat wünsche ich mir, dass wir viele IT-Expert*innen dafür begeistern können, für die Landeshauptstadt zu arbeiten. Die Stadt ist eine großartige Arbeitgeberin und gerade in der IT haben wir wirklich spannende Aufgaben, von der Bildungs-IT bis zur IT-Security. Und einen gesellschaftlichen Auftrag, der eben nicht Profitmaximierung heißt, sondern Gemeinwohlmaximierung.“
Helmut Lämmermeier: „Die Welt ist aktuell sehr stark geprägt von geopolitischen Konflikten und einer Stärkung des Nationalismus in den Ländern Europas. Hier würde ich mir eine Umkehr zu einem friedlichen, respektvollen, offenen und demokratischen Umgang miteinander wünschen. Darüber hinaus wünsche ich mir eine Stärkung der Mündigkeit der Bürger, eine Reduzierung der Regulierung und eine Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Bevölkerung. Die Digitalisierung kann dabei helfen, Prozesse zu vereinheitlichen und zu beschleunigen, Transparenz zu schaffen und für Entlastung zu sorgen. Wenn wir hier in 2024 entschieden weiter voran kommen sollten, wäre das ein toller Erfolg.“
Dr. Fedor Ruhose: „Für 2024 erwarte ich Klarheit zur weiteren OZG-Umsetzung und wünsche mir, dass wir mit der föderalen Digitalstrategie den gemeinsamen Weg von Bund und Ländern bei der Verwaltungsdigitalisierung fortsetzen.“
Christian Rupp: „Die Lust auf Innovation und den Zusammenhalt für das Gemeinsame – ansonsten ist der Kampf um einen Spitzenplatz Deutschlands im Digital Europe endgültig verloren.“
Dr. Frank Schlottmann: „Persönlich wünsche ich mir, dass der EU AI Act einen ausbalancierten Rahmen für die KI-Nutzung in der täglichen Praxis setzt. Die Balance zwischen Technologieeinsatz zum Nutzen der Gesellschaft und Begrenzung von schädlichen Folgen für die Menschen muss derart gesetzt werden, dass ein möglichst großer Teil der Bevölkerung von den massiven Vorteilen des KI-Einsatzes profitiert, ohne die Technologie- und die Datensouveränität in Deutschland aufzugeben. Darüber hinaus benötigen wir in 2024 Rechtssicherheit bezüglich des Einsatzes von Trainingsdaten für KI in Deutschland, speziell bei Verwendung öffentlich verfügbarer Medien wie Webinhalten. Damit wird aus juristischer Sicht die unbedingt notwendige Grundlage für die Umsetzung innovativer Anwendungsfälle in der Verwaltung gelegt.“