IT-Organisationen fällt es traditionell schwer, ein Gefühl für die eigene Performance zu bekommen und sich diesbezüglich in einem intransparenten Markt zu verorten. Dies gilt in der Privatwirtschaft ebenso wie im Public Sector. Mit der Management- Methode des IT-Benchmarkings lassen sich Richtwerte aus anderen Organisationen nutzen, um das Verhältnis zu Kunden und Stakeholdern zu verbessern, die Nachfrage zu ermitteln sowie die eigenen Leistungen nach Marktstandards zu gestalten. Dies verbessert die Wirtschaftlichkeit des IT-Betriebs und der IT-Services ebenso wie die Zukunftssicherheit von IT-Organisationen.
Zuerst erschienen in der .public Ausgabe 02/2023
von René Funke, Metrics Germany GmbH
IT-Benchmarking hat eine lange Tradition, sein Schwerpunkt lag ursprünglich auf den IT-Kosten. Diese werden in Phasen wirtschaftlichen Drucks üblicherweise „mit dem Rasenmäher“ gekürzt, was bisweilen eine risikobehaftete Strategie ist. IT-Benchmarking ermöglicht es hingegen, durch den Vergleich mit Kennzahlen anderer IT-Organisationen, größere Abweichungen vom marktüblichen Niveau zu erkennen und ihnen mit den richtigen Entscheidungen gezielt gegenzusteuern. Hierzu zählen beispielsweise Konsolidierungen von Systemen und Technologien, aber auch Anpassungen der in Rechnung gestellten Preise sowie Sourcing-Projekte. Es hilft auch, wenn Abnehmer von IT-Leistungen von einer neutralen Instanz erfahren, dass ihre IT-Services günstiger sind als der Durchschnitt im Markt.
Allerdings haben sich in den vergangenen 30 Jahren nicht nur Technologien, Organisationen und Beschaffungsmethoden in der IT radikal verändert, sondern auch das IT-Benchmarking selbst. Aus dem isolierten Vergleich der Kosten, Leistungen und Volumina ohne Berücksichtigung der Wechselwirkungen hat sich ein umfangreicher Werkzeugkasten entwickelt. Die gemeinsame Grundlage bilden aktuelle Daten zur internen IT (aus der jeweiligen Organisation) sowie aus anderen IT-Organisationen (über den Benchmarking-Partner oder in einem Konsortial-Benchmark). Informationen darüber, wie die Daten erfasst, validiert, normalisiert und verglichen werden, finden Sie bei den Autoreninformationen am Ende des Artikels.
IT-Benchmarks als Grundlage der Steuerung
Heute erstrecken sich die Vergleichsmöglichkeiten neben den Kosten und Leistungen auf den Technologieeinsatz, die Kundenzufriedenheit, die angeforderte und erbrachte Qualität, den Wertbeitrag oder die Komplexität. Benchmarks bilden die Basis für Vollkosten- und integrierte Leistungsverrechnungen, IT-Prozesse, Servicekataloge, Top-Level-Kennzahlensysteme sowie Balanced Scorecards. Hinzu kommen Vergleiche von Marktpreisen im IT-Sourcing und Analysen marktüblicher Ausprägungen von IT-Services, beides durch die Auswertung laufender Sourcing-Verträge. Kein Wunder, dass IT-Benchmarking – die datengetriebene Entscheidungsunterstützung – auch im Public Sector stark an Bedeutung gewonnen hat.
Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Öffentliche Institutionen sind zunehmend daran interessiert, ihre Stakeholder umfassend und glaubwürdig zu informieren, die Schnittstellen zu den Abnehmern zu optimieren und Leistungen, die keinen echten geschäftlichen Mehrwert bringen, zu standardisieren. Das spart nicht nur Kosten, sondern kann auch eine gezielte Auslagerung erleichtern. Durch die damit einhergehende Professionalisierung können IT-Organisationen besser mit dem disruptiven Druck umgehen – also etwa gravierende Maßnahmen vermeiden oder strukturelle Veränderungen abmildern.
Abb. 1: Moderne IT-Benchmarks sind ein vielseitiges Management-Werkzeug für die Steuerung von IT-Organisationen.
Im Folgenden geben wir einen Überblick über die drei wichtigsten Anwendungsfelder für IT-Benchmarking:
1. Transparenz
Im Public Sector muss der Nachweis des wirtschaftlichen Handelns erbracht werden. Weil es durch den Kontrahierungszwang keinen „Markt“ gibt, fordern Rechnungshöfe zunehmend die Anwendung des IT-Benchmarkings ein (vergleiche die jährliche Verpflichtung zum Benchmarking gemäß § 24 E-Government-Gesetz Berlin). Zudem verlangen Verwaltungsräte, Fachaufsicht und nicht zuletzt auch die eigenen Kunden regelmäßige Informationen. Dies führt bisweilen zu herausfordernden Kostendiskussionen, die wiederum den gemeinsamen Fortschritt ausbremsen können. Hier sorgt ein professioneller IT-Benchmark für notwendige Klarheit durch die Auswahl sinnvoller Kennzahlen, deren Erhebung sowie den Vergleich mit anderen Dienstleistern aus dem öffentlichen Sektor oder der Privatwirtschaft. Ziele sind, die internen Diskussionen zu versachlichen, Erwartungen zu managen und die eigene Position als IT zu stärken.
Beispiel Energieversorger: Sind meine IT-Services marktgerecht gestaltet und bepreist?
Die Mainova, einer der größten regionalen Energieversorger in Deutschland, bietet ihre IT-Services intern, aber auch anderen Kunden an. Seit einigen Jahren nutzt die IT-Organisation regelmäßig Benchmarking, um ihre IT-Services zu überprüfen und mit denen am Markt zu vergleichen. Neben der Einordnung der Preise ist immer auch ein Ziel, Hebel für die Optimierung zu finden – finanziell, strukturell und auf die Erfordernisse der Kunden bezogen. Zuletzt kamen zahlreiche IT-Services des Energieversorgers auf den Prüfstand, vom IT-Arbeitsplatz bis zum SAP-Betrieb. Als Referenzwerte dienten Daten von zwölf Vergleichsunternehmen mit ähnlichen Ausprägungen von Volumen, Komplexität und Qualität. Der Benchmark-Vergleich hat unter anderem gezeigt, dass die Services der Mainova günstiger als im Marktdurchschnitt angeboten werden – eine Bestätigung für die Kosteneffizienz. Dies unterstützt auch das strategische Ziel des Versorgers, seine Kostenbasis insgesamt zu verkleinern. Aber der Benchmark lieferte auch konkrete Stellhebel und Maßnahmenvorschläge für weitere Optimierungen.
Abb. 2: Nicht nur die Stakeholder betrachten die IT aus unterschiedlichen Perspektiven, auch die Leistungserbringer haben verschiedene Prioritäten. Zusammen ergibt sich ein rundes Bild.
2. Supply/Demand
An Schnittstellen zu Kunden (Abnehmern) bilden sich erfahrungsgemäß Spannungen, diese führen zu Unzufriedenheit bei allen Beteiligten. Häufig sind die Leistungsinhalte und -parameter für Empfänger unverständlich, was durch eine intransparente oder nicht verursachergerechte Abrechnung verstärkt wird. Hinzu kommen Probleme im Verhältnis zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern, etwa bei der professionellen Steuerung der Beziehung. Ein IT-Benchmark hilft dabei, Services und Kostenstrukturen zu gestalten, die Leistungsstruktur anzupassen und eine verursachergerechte Abrechnung einzuführen.
Beispiel Kommune: Passen meine IT-Dienstleistungen zu den Anforderungen der Kunden?
Der kommunale IT-Dienstleister einer zentraleuropäischen Metropole war im Rahmen der strategischen Konsolidierung gebildet worden. In diesem Zusammenhang wurde auch seine Kundenschnittstelle verändert. Viele Abnehmer fühlten sich nur unzureichend auf ihre neuen Rollen im Anforderungsmanagement vorbereitet, was Spannungen zwischen den neuen Partnern hervorrief und eine gemeinsame Fortentwicklung und Optimierung der Beziehung blockierte. Bei der Lösung des Knotens griff die Kommune auf IT-Benchmarking zurück. Ein Ziel war, Best Practices aus anderen IT-Organisationen des Public Sectors zu identifizieren und zu nutzen. Durch einen Vergleich der Kostenstrukturen ähnlicher IT-Dienstleister und des IT-Servicekatalogs ließen sich gemeinsam Optionen für die interne Optimierung erarbeiten, priorisieren und planen. Darunter fiel auch die Verrechnung verschiedener Service- Varianten mit den Verursachern.
3. Standardisierung
Erfolgreiche IT-Service-Organisationen profitieren nicht von ihren individuellen Lösungen, sondern von einer strikten Standardisierung, die sich am aktuellen Marktniveau und seinen Best Practices orientiert. Ein IT-Benchmark zeigt Abweichungen und Ansätze für die Optimierung. Dadurch werden IT-Services effizienter erbracht, Make-or-Buy-Entscheidungen fallen leichter, und auch die externe Beschaffung von IT-Dienstleistungen wird günstiger. Dies bildet das Fundament für den Umbau von der IT-Manufaktur zur industriellen Service-Organisation.
Beispiel Rechenzentrum: Wie entwickeln sich unsere IT-Services im Vergleich zum Marktstandard?
Das Bundesrechenzentrum (BRZ), der marktführende Technologiepartner des Public Sectors in Österreich, gestaltet die digitale Transformation seiner Kunden. Ein strategisches Ziel ist, die Verwaltungskosten mittels Konsolidierung der IT im Bund und durch Digitalisierung zu senken. Die stärksten Hebel sind Automatisierung und Standardisierung.
Abb. 3: Nach industriellen Prinzipien erbrachte IT-Services haben zum Ziel, aus standardisierten Komponenten individuelle IT-Produkte effizient und effektiv anzubieten. Das hierarchische Servicemodell integriert Servicemanagement (Servicekatalog), Controlling und Verrechnung optimal.
Die Wurzeln des Benchmarkings
Als „Erfinderin“ des Benchmarkings als Management-Methode wird allgemein die Xerox Corporation genannt. Sie hat – unter wirtschaftlichem Druck – ihre Kopierer systematisch mit den deutlich günstigeren Modellen japanischer Wettbewerber verglichen. Dazu wurden Geräte aus Fernost zerlegt und die Komponenten sowie die Prozesse analysiert. Die Lösung fand Konzernmanager Robert Camp nicht im Funktionsumfang oder in der Qualität seiner Kopierer, sondern in den deutlich besseren Produktions-, Vertriebs- und Logistikprozessen der japanischen Konkurrenz. Xerox orientierte sich an deren Vorgehensweisen („Best Practices“), um daraus zu lernen und die eigenen Fähigkeiten beziehungsweise Kosten zu optimieren.
IT-Benchmarks wiederum haben ihre Wurzeln im Vergleich von Computerhardware und Betriebssystemen, einst Protagonisten des Black-Box-Prinzips. Man wusste nicht genau, was drinsteckt, wollte aber die Effizienz bei der Berechnung von Ergebnissen vergleichen, um Kaufentscheidungen zu begründen. Millionen abgearbeitete Instruktionen beziehungsweise Fließkommaberechnungen pro Sekunde etablierten sich als Referenzwerte, noch heute kämpfen Supercomputer über IT-Benchmarks um eine gute Platzierung in der Top-500-Rangliste.
Auch einige IT-Abteilungen haben sich über Jahre den Ruf einer Black Box im Unternehmen erarbeitet. Dabei resultiert das Interesse der Kunden, Fachabteilungen und Entscheidungsgremien an ihrer IT vorrangig aus der Bewertung von Kosten und Nutzen: Je niedriger die Qualität und je höher der finanzielle Aufwand, desto mehr Aufmerksamkeit war der IT gewiss. Hinzu kamen in den 90er-Jahren eine ausufernde Fertigungstiefe in der Unternehmens-IT sowie in diesem Zusammenhang stark steigende Aufwendungen. Folgerichtig führte die Übertragung des Benchmarking-Prinzips auf die IT zum IT-Benchmark.
Abb. 4: Der Gesamtablauf eines IT-Benchmarks ist stark standardisiert. Dies gilt jedoch nicht für das Vorgehen in den einzelnen Phasen.
In welchen Szenarien lassen sich datengetriebene Analysen einsetzen?
- Neue IT-Verantwortliche nutzen Benchmarks, um sich einen Überblick über den Stand der Dinge zum Amtsantritt zu verschaffen und gezielt Potenzial für Verbesserungen zu erkennen.
- Erfahrene IT-Managerinnen und -Manager lernen durch Benchmarks von den besten Organisationen auch aus anderen Branchen – dies erlaubt den Blick über den eigenen Tellerrand und zeigt neue Best Practices.
- Im Rahmen von Make-or-Buy-Entscheidungen, Veränderungsprojekten oder Beschaffungsvorhaben liefern Benchmarks fundierte Argumente für Entscheidungen.
- Mit Benchmarks lassen sich Reifegrade der IT-Prozesse beispielsweise für den Umgang mit Störungen erheben, das marktübliche Ambitionsniveau festlegen und die eigenen Leistungen professionalisieren.
- Mit Marktpreis-Benchmarks wird das aktuelle Marktniveau von zugekauften IT-Services bestimmt, um Verträge aus- und nachzuverhandeln. Dies betrifft Preise und Qualitäten, aber auch die marktübliche Gestaltung von Services.
- Ergebnisse aus Benchmarks dienen dazu, den Dialog mit Kundinnen und Kunden zu versachlichen und Entwicklungen zu verdeutlichen.
- Benchmarks werden von Wirtschaftsprüfern, Rechnungshöfen und der Fachaufsicht gefordert, wenn klare Zahlen in einem intransparenten Umfeld nötig sind.
Das BRZ führt seit mehreren Jahren regelmäßig IT-Benchmarks durch, um zu klären, ob die Preise und Leistungen seiner IT-Infrastruktur-Produkte und -Dienstleistungen marktüblich sind. Dabei vergleicht sich das Rechenzentrum mit Institutionen des Public Sectors, aber auch mit großen privatwirtschaftlichen IT-Lieferanten. Hinzu kommt die Suche nach der optimalen Struktur und dem Zuschnitt: Welche Leistungen soll der Standard beinhalten, welche werden optional angeboten, wie sind die Servicelevel ausgestaltet? Um den Kreis zu schließen, stellt das BRZ ausgewählte Leistungen der eigenen Lieferanten auf den Prüfstand. Basis der Optimierung bildet eine standardisierte IT-Service-Library. Mit ihr lässt sich überprüfen, ob Dienstleistungen hinsichtlich der Inhalte, Service Level Agreements (SLAs) und Verrechnungsmodelle mit dem aktuellen Marktniveau übereinstimmen. Diese Service Library hat auch eine hohe Relevanz bei Aufbau und Überprüfung von Servicekatalogen sowie zur Kontrolle von Outsourcing-Abkommen.
IT-Entscheidungen, auch wenn sie datengetrieben sind, sollten immer die Nutzenseite der gesamten Organisation, also auch die Perspektive der Anwenderinnen und Anwender berücksichtigen. Diese müssen eine klare Vorstellung ihrer Anforderungen artikulieren, sowohl für laufende Leistungen als auch für Projekte. Im Gegenzug sind IT-Organisationen aus dem Public Sector gefordert, ihre Services und Aufwendungen verständlich und schlüssig darzulegen. Nur durch den gezielten Abgleich von Angebot und Nachfrage sowie durch die Analyse des Marktstandards lässt sich erkennen, an welchen Stellen eine Veränderung zum Guten sinnvoll oder gefährlich ist. Mit einem IT-Benchmark werden Argumente quantitativ greifbarer. Auf dieser Grundlage können IT und Stakeholder gemeinsam die besseren Entscheidungen treffen.
Fazit
Angesichts des Kosten- und Leistungsdrucks sind IT-Benchmarks in öffentlichen Institutionen etabliert. Ihre wachsende Bedeutung zeigt sich auch in der zunehmenden Zahl aktueller Vergleichsdaten aus IT-Organisationen des Public Sectors. Ein Grund für den Trend sind die vielfältigen Informationsbedarfe von Wirtschaftsprüfern, Rechnungshöfen und der Fachaufsicht. Transparenz bei Preisen und Leistungen wird zudem immer häufiger von Kunden und Abnehmern eingefordert, für die eine professionelle IT inzwischen ein Grundpfeiler des Geschäfts und wichtigster Innovationstreiber ist.
IT-Benchmarking als erprobtes Management-Tool dient dazu, von den Besten zu lernen und informierte, nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen, weil man die die eigene Position kennt und Entwicklungen gezielt planen sowie mit Fakten untermauern kann. Dies gilt nicht nur für den klassischen Kostencheck der IT-Aufwendungen. Darüber hinaus werden Outsourcing-Verträge (Marktpreise, Servicelevels etc.), die Kundenzufriedenheit mit der IT (generell und nach Großprojekten), das Demand-Management sowie IT-Servicekataloge und KPI-Systeme analysiert, um die IT-Steuerung und das Controlling zu verbessern. Die hierbei gewonnenen Daten lassen sich für eine effiziente Kommunikation der eigenen Wirtschaftlichkeit nutzen.
IT-Benchmarking funktioniert jedoch nicht auf Knopfdruck: Neben der Datenerhebung in der Zielorganisation kommt es auf viele Kompetenzen und Grundlagen an, die der Benchmarking-Partner sicherstellen muss. Dazu zählen unter anderem aktuelle Vergleichsdaten in der gewünschten Breite und Tiefe, eingespielte Prozesse zur Validierung und Normalisierung sowie eine Dateninfrastruktur, die sicher und flexibel ist.
Mehr zum Thema IT-Benchmarking
Die Daten für den systematischen Vergleich wurden in eigenen Projekten erhoben, validiert und im Metrics Data Lake durch das deutsche Data-Analytics-Team kuratiert. Sie bilden die Grundlage strategischer Entscheidungen der Metrics-Kunden, damit diese von den Besten lernen und Data Driven Decisions treffen können. Weitere Informationen zum Thema finden Sie im Fachbuch „IT-Benchmarking“, das über den Autor angefordert werden kann. rene.funke@metrics.biz