Ein Zwischenruf von Carsten Schulte, Kevin Lindauer und Philip Kosse
Zuerst erschienen in der .public Ausgabe 01-2024
Die digitale Transformation hat nicht nur die Art und Weise verändert, wie wir leben und arbeiten, sondern auch, wie Städte und Kommunen funktionieren. Das Konzept „Smart City“ hat in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung gewonnen, da immer mehr Städte und Gemeinden bestrebt sind, die Vorteile der digitalen Technologie zu nutzen, um das Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Dabei soll die Digitalisierung nicht als Selbstzweck fungieren, sondern als Hilfsmittel genutzt werden und Prozesse optimieren oder ergänzen. Deutschland hat in dieser Hinsicht enorme Fortschritte gemacht, indem es mehrere Kommunen als Modellkommunen für Smart-City-Projekte ausgewählt und gefördert hat. Doch wie können Kommunen erfolgreich in dieses spannende Thema einsteigen?
Die Antwort könnte die Schaffung von Reallaboren im öffentlichen Raum sein. Reallabore sind lebendige Testumgebungen, in denen neue Technologien und Konzepte unter realen Bedingungen erprobt werden können. Dieser Ansatz hat zahlreiche Vorteile:
Praxisnahe Innovation: Der Einsatz von Reallaboren ermöglicht es Städten und Gemeinden, Smart-City-Technologien und -Konzepte in der Praxis zu erproben, anstatt sich auf theoretische Modelle zu verlassen. Dies fördert die praxisnahe Innovation und ermöglicht es, Lösungen zu entwickeln, die den tatsächlichen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger entsprechen. Das zeigte beispielsweise die erfolgreich umgesetzte Klimastraße in Koblenz, wo Smart-City-Anwendungen auf die technische und wirtschaftliche Machbarkeit untersucht wurden sowie auf Aspekte der Nachhaltigkeit.1 Ein anderes Beispiel ist die Stadt Münster, die mithilfe eines Reallabors unter anderem Use-Case-Mobilität und Parkraummanagement explorativ austestet und erprobt.2
Datengetriebene Entscheidungsfindung: Eine erfolgreiche Smart City basiert auf Daten. Reallabore sammeln wertvolle Informationen über den Einsatz von Technologien und die Reaktion der Bürgerinnen und Bürger. Diese Daten können genutzt werden, um fundierte Entscheidungen zu treffen bezüglich notwendiger Use Cases, die einen Mehrwert schaffen und die Effizienz von Smart-City-Initiativen kontinuierlich verbessern.
Kooperationen: Reallabore ermöglichen es Gemeinden und Städten, ihre bestehenden Kompetenzen und Ressourcen zu vereinen. Dies geschieht durch die kollaborative Zusammenarbeit verschiedener Akteure wie Unternehmen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Vereine oder Institutionen, um gemeinsam nachhaltige und maßgeschneiderte Lösungen zu gestalten, die den Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden.
Skalierung erfolgreicher Lösungen: Reallabore schaffen eine Plattform, um Technologien und Konzepte in einem abgegrenzten Umfeld mit überschaubaren Investitionen zu erproben. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen dazu, Schwachstellen von Smart-City-Anwendungen bereits im Entwicklungsprozess zu identifizieren und frühzeitig aus Fehlern zu lernen. Diese Testläufe bilden zugleich die Basis, um erfolgreiche Innovationen gezielt auszubauen und auf das gesamte kommunale Ökosystem zu skalieren.
Smart City zum Anfassen: Der Begriff Smart City kann teilweise sperrig wirken oder inflationär als Phrase verwendet werden. Was genau ist damit gemeint? Was bedeutet smart eigentlich für die Bürgerinnen und Bürger konkret? Wie verändert sich dadurch das Leben in der Stadt oder auf dem Land? Reallabore können hierbei einen niedrigschwelligen Zugang schaffen, der es ermöglicht, Smart City greifbar zu machen und ein alltagstaugliches Verständnis zu entwickeln. Dadurch werden Bürgerinnen und Bürger, aber auch Entscheiderinnen und Entscheider auf einer anderen Ebene abgeholt und sind in der Lage, sich konkrete, praxisnahe Beispiele einer Smart City anzuschauen und direkt in Einklang mit ihrem gelebten Alltag zu bringen.
Deutschland kann viel von internationalen Best Practices lernen. Städte wie Barcelona (Spanien), Singapur und Kopenhagen (Dänemark) haben beeindruckende Fortschritte bei der Umsetzung von Smart-City-Konzepten gemacht. Barcelona beispielsweise hat ein umfassendes IoT-Netzwerk aufgebaut, das die Stadtverwaltung bei der Verkehrsüberwachung, der Müllentsorgung und der Energieeffizienz unterstützt.3 Singapur ist bekannt für seine integrierte Stadtplanung und die Nutzung von Big Data, um Stau zu reduzieren und das Leben der Menschen gesundheitlich zu verbessern, beispielsweise durch die Projekte wie den Health Hub.4 Kopenhagen hat sich auf nachhaltige Mobilität und die Förderung des Fahrradverkehrs konzentriert.5 Der Schlüssel zum Erfolg in diesen Städten lag oft darin, Reallabore für die Erprobung neuer Ideen und Technologien einzurichten.
Es ist wichtig zu betonen, dass der Erfolg einer Smart City nicht allein von der Fähigkeit abhängt, möglichst viele verschiedene technische Hilfsmittel einzusetzen. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, die dahinterliegenden Prozesse und Systeme so zu gestalten, dass sie die Daten einer Smart City effektiv nutzen und integrieren können. Reallabore spielen eine entscheidende Rolle dabei, die Funktionalität und Effizienz dieser Systeme zu testen und zu verbessern.
In Deutschland und weltweit sollten Städte und Kommunen daher verstärkt auf Reallabore setzen, um ihre Smart-City-Initiativen voranzutreiben. Die erfolgreichen Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass Reallabore eine bewährte Methode sind, um Innovationen zu fördern, datengetriebene Entscheidungen zu treffen und letztendlich die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Smart City ist mehr als nur ein Konzept, mehr als auf einem Dashboard visualisierte Stadt-Daten – es ist eine Gelegenheit, die Zukunft unserer Städte nachhaltig zu gestalten. Smart City fungiert damit als eine Art Mindset, welches sich in einem gesamtstädtischen Kontext entfaltet.
Quellen
1 Thüga Newsblog: Thüga-Reallabor „Klimastraße“ in Koblenz abgeschlossen, www.thuega.de, 2023 (abgerufen am 09.01.2024).
2 Smart City MS: Smart City Reallabor, smartcity.ms 2022 (abgerufen am 09.01.2024).
3 Data-Smart City Solutions: How Smart City Barcelona Brought the Internet of Things to Life, www.datasmart.hks.harvard.edu, 2016 (abgerufen am 09.01.2024).
4 Health Hub: Health Services, www.healthhub.sg (abgerufen am 09.01.2024).
5 Deutsch-Dänische Handelskammer AHK: Stadtplanung Smart City, handelskammer.dk (abgerufen am 09.01.2024).