Zuerst erschienen in der public Ausgabe 02-2021
von Inna Demburg
Chancen und Risiken der Nutzung von Social Media in der öffentlichen Verwaltung
Eine Bundesbehörde twittert über die neuesten Entwicklungen im Pandemiegeschehen und der Gesundheitspolitiker und Abgeordnete Karl Lauterbach hat plötzlich einen Zulauf an Followern wie ein Popstar … Die Corona-Pandemie hat die Signifikanz der sozialen Medien in der öffentlichen Verwaltung gesteigert und die Spielregeln in der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürger verändert.
Das Covid-19-Virus ist zwar nur etwa 0,12 Mikrometer klein, bestimmt jedoch seit Anfang 2020 den Alltag der gesamten Weltbevölkerung. Und so hat uns die Corona-Pandemie viele Dinge vor Augen geführt: das Ausmaß der Globalisierung, die Notwendigkeit der Digitalisierung und die Bedeutung des sozialen Lebens, um nur einige zu nennen. Präsenz- Meetings, Geburtstags- und Familienfeiern im großen Kreis und vieles mehr – in Vor- Corona-Zeiten selbstverständlich – sind in Zeiten von Lockdown und hohen Inzidenzwerten schwierig bis unmöglich geworden. Kontaktverbote und damit einhergehendes „Social Distancing“ haben dazu geführt, dass sich unsere Kommunikation verstärkt auf das digitale Parkett der sozialen Medien verschoben hat. Wenig erstaunlich also, dass Plattformen wie Facebook, Instagram, Twitter oder Tik- Tok eine intensivere Nutzung verzeichnen als vor der Pandemie. Laut Statista ist mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung auf Social- Media-Kanälen aktiv, das sind ca. 4,2 Milliarden Nutzerinnen und.1 Die Gründe liegen auf der Hand: In Zeiten der Isolation bieten soziale Netzwerke die Möglichkeit, mit Befreundeten, Familie, Kolleginnen und Kollegen in Kontakt zu bleiben, ohne dabei physisch an einem Ort sein zu müssen.
Diesen Trend haben auch Regierungen und öffentliche Verwaltungen erkannt. Im Verlauf des letzten Jahres verlangte die Öffentlichkeit regelmäßig nach aktuellen Informationen zum Pandemie-Geschehen – auch dort, wo sich die Menschen online vor, während und nach der Arbeit aufhalten, also auf sozialen Plattformen. Diese haben deutlich an Signifikanz für das private und berufliche Leben gewonnen und sind somit auch für die Interaktion zwischen Staat und Bevölkerung relevanter denn je. Staatliche Institutionen informieren ihre Bürgerinnen und Bürger zunehmend online. Es braucht jedoch mehr als nur eine einseitige Berichterstattung der Geschehnisse. Gerade in Zeiten der Krise erhoffen sich die Menschen von staatlichen Institutionen Transparenz und eine interaktive Kommunikation. Corona ist letztendlich nur ein Anstoß für eine grundlegende und schon lange überfällige Veränderung in der Beziehung zwischen der Bürgerschaft und der öffentlichen Verwaltung.
Abbildung 1: Die meistgenutzten sozialen Netzwerke im Jahr 2020 in Deutschland (Quelle: Social Media 2021:
Wie viele Menschen nutzen Social Media?-KONTOR4)
Abbildung 2: Die Verbandsgemeinde Wittlich kommuniziert
über Social Media mit ihrer Bürgerschaft
(Quelle: Facebookseite der Verbandsgemeinde Wittlich-Land)
Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.2
Jede Krise kann auch als Chance genutzt werden, etwas zu verändern. Nicht nur in der Corona-Krise können Politikerinnen und Politiker, Beamtinnen und Beamten sowie Behörden verstärkt die Vorteile von Social Media nutzen.
Die wichtigsten Ziele für die Teilnahme der öffentlichen Verwaltung an Social Media und entsprechenden Maßnahmen
Eine höhere Sichtbarkeit bei der Bevölkerung erreichen Seit dem Ausbruch der Pandemie und den damit einhergehenden staatlichen Beschlüssen entwickeln die Menschen Ängste und haben vermehrt Fragen, die sie an die Behörden richten. Corona-Lockdowns in unterschiedlichen Intensitäten verhindern eine flächendeckende Öffnung von Dienststellen für persönliche Interaktion mit den Bürgerinnen und Bürgern. Zwar werden die Dienstleistungen – soweit möglich – über das Online-Angebot und über Notdienste in eingeschränkter Form fortgeführt. Doch da Präsenztermine aufgrund der erhöhten Ansteckungsgefahr kaum stattfinden, kann schnell der Eindruck von Abwesenheit behördlicher Ansprechpersonen entstehen.
Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, sollten öffentliche Institutionen die Bürgerkommunikation verstärkt auf die sozialen Netzwerke ausweiten, nach dem Motto „Präsenz trotz Social Distancing“. So können öffentliche Stellen zum Beispiel über ihre Kanäle in den sozialen Medien aktuelle Informationen zur Pandemie bereitstellen und für Fragen und Anregungen einen Rückkanal bieten (siehe Abbildung 2).
Die Verbandsgemeinde informiert ihre Bürgerinnen und Bürger während der Krise über die neuesten Regelungen und Einschränkungen in der Corona-Pandemie beispielsweise in Form von persönlichen Videos des Bürgermeisters. Das Informationsangebot kam gut an: Die Follower der Verbandsgemeinde haben solche Mitteilungen vielfach geteilt und so die Reichweite nochmals deutlich erhöht.3
Abbildung 3: Twitterpost der Polizei Frankfurt
(Quelle: Twitter-Seite der Polizei Frankfurt)
Überwiegend starke Präsenz auf Twitter zeigt die Polizei Frankfurt – schon lange vor der Corona-Pandemie. Regelmäßig informiert die Polizei Frankfurt ihre fast 300.000 Follower nicht nur einseitig über die aktuellen polizeilichen Geschehnisse, sondern nutzt Twitter auch als Kommunikationsmittel zwischen Bürgerinnen, Bürgern und Polizei.
Auch Bürgerinnen und Bürger möchten ihre Anliegen nicht nur per Bürgertelefon und E-Mail mitteilen, sondern verstärkt via Chatbot, Facebook, Twitter & Co. Vor allem möchten sie eine nahezu Echtzeit-Kommunikation auch über digitale Kanäle nutzen. Besonders in der Bevölkerungsgruppe der unter 30-Jährigen ist dieser Wunsch ausgeprägt.4 Daher muss eine Behörde schnell und konkret insbesondere auf die Anliegen dieser Bevölkerungsgruppe reagieren können. Behörden, die ihrer Bürgerschaft neben den etablierten Kontaktmöglichkeiten im Bürgerservice die Kontaktaufnahme per Social Media anbieten, werden dank zeitnaher Reaktionen auf Fragen, Wünsche und Beschwerden positiv wahrgenommen. So kann der Einsatz von Social Media neben der Informationsverbreitung auch die Dienstleistungsqualität der Behörden durch kürzere Bearbeitungszeiten von Bürgeranfragen steigern.
Ein Paradebeispiel für einen gelungenen Einsatz von Social Media mit Ziel, den Bürgerservice zu verbessern, ist die Stadtverwaltung von New York und ihre im Jahr 2002 ins Leben gerufene Initiative NYC 311. Die New Yorker haben die Möglichkeit, über acht Plattformen auf die Behördendienstleistungen der Stadt New York zuzugreifen: das Telefon, die Webseite nyc.gov/311, Facebook oder Twitter, per SMS oder über eine 311-Smartphone- App für Apple und Android.5 Der Erfolg dieses Konzeptes beweist, dass die Behördenkommunikation schon lange keine Einbahnstraße mehr ist. Eine eher passive Informationsverbreitung weicht zunehmend einem interaktiven Dialog, was auch unter dem Begriff „Community Management“ bekannt ist. Doch wie etabliert man als Behörde ein Community- Management in den sozialen Medien?
1. Zunächst müssen Sie Ihren „Kundinnen und Kunden“ zuhören (Social Listening), um deren Bedürfnisse, Wünsche und Fragen zu verstehen.
2. Um zu vermeiden, dass ein Social- Media-Kanal aufgrund zu geringen Engagements wirkungslos bleibt, müssen Sie sich vor dem Erstellen von Beiträgen intensiv mit den potenziellen Anliegen und Interessen der Bürgerinnen und Bürger auseinandersetzen und eine Vorstellung davon gewinnen, was diese von ihnen erwarten.
3. Die Kommunikation mit der Community sollte dabei in erster Linie bürgernah, transparent und dialogorientiert gestaltet werden. Hilfreich ist hier das Erstellen von typischen Personas zur Definition der Zielgruppe, das Aufgreifen von Themen aus dem Beschwerdemanagement sowie das Aufgreifen von Best Practices und erfolgreichen Aktivitäten anderer Behörden.
4. Zur Erzeugung belastbarer Aussagen über den Erfolg der Community sollten Sie professionelle Social-Media- Analytics-Programme einsetzen.
Ein Beispiel sind die Posts des Bundesgesundheitsministeriums zu Verhaltensregeln in Corona-Zeiten. Sobald es Änderungen der Corona-Beschlüsse oder zur Impfsituation gibt, informieren die Social-Media-Accounts des Ministeriums mit entsprechenden Videos und Infografiken darüber und beantworten unmittelbar einschlägige Fragen.
Das Ministerium weiß genau, was seine Zielgruppe will – sachliche Informationen über aktuelle Corona- und Impfbeschlüsse – und kommt diesem Wunsch nach.
Abbildung 4: Information per Twitter aus dem BGM
(Quelle: Twitter-Seite des Bundesgesundheitsministerium)
Für transparente Kommunikation sorgen und der Behörde ein Gesicht geben
Authentische und transparente Kommunikation ist ein Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Teilnahme einer Behörde an Social Media. Bürokratie, starre Organisationsstrukturen und für die Bevölkerung schwer nachvollziehbare Entscheidungen lassen staatlichen Organisationseinheiten häufig noch als anonym und undurchsichtig erscheinen. Mangelnde Offenheit beziehungsweise Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen (#Ausgangssperren6) kann allerdings den Eindruck erwecken, der Staat handle durch seine politischen Entscheidungen immer weniger im Sinne seiner Bürgerinnen und Bürger, was zu einem mangelnden Vertrauen in den Staat und seine Institutionen führen kann. Verwaltungen müssen ihr Handeln und die damit einhergehenden Herausforderungen und Maßnahmen erklären. Nur so können sich Bürgerinnen und Bürger eine eigene Meinung bilden und teilhaben. Das Ziel ist es, ihnen unbürokratisch und auf Augenhöhe zu begegnen.
Auf diesem Gebiet ist besonders der deutsche Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier hervorzuheben. Der Politiker, dem inzwischen fast 300.000 Menschen folgen, entdeckte Twitter bereits im September 2011. Seine Tweets zeichnen sich dadurch aus, dass er politische Entwicklungen kommentiert und erklärt. Zusätzlich twittert er auch gerne über andere Themen wie Sport. Damit verzeichnet er enorme Erfolge.
Abbildung 5: Peter Altmaier informiert regelmäßig per Twitter (Quelle: Twitteraccount von Peter Altmaier)
Abgesehen davon, dass sein Social-Media-Engagement mit jedem neuen Beitrag steigt, wirkt er auf die Bevölkerung in dieser Hinsicht auch immer authentischer. Die sozialen Medien bieten Behörden auf allen Verwaltungsebenen eine perfekte Möglichkeit, für ihre Zielgruppe so authentisch und klar wie möglich zu bleiben und dabei Vertrauen aufzubauen. Wichtig ist, dass Inhalte nicht einseitig kommuniziert werden, sondern Räume zur Diskussion und Mitgestaltung für Follower geschaffen werden. So können die öffentlichen Institutionen durch die aktive Einbindung in Entscheidungen von Bürgerinnen und Bürgern für mehr Transparenz und Akzeptanz ihres Verwaltungshandelns sorgen.7 Die Bürger-Behörden-Beziehung wird auf eine neue Ebene gehoben, was im Endeffekt zu mehr Bürgernähe führen kann.
Relevanten Content liefern und neue Fans gewinnen
Fakt ist: Der Verbreitungsradius von Social Media Content steigt kontinuierlich signifikant, insbesondere im Vergleich zur Verbreitung von Content über „traditionelle“ Webseiten. Als Social Media Content können dabei – je nach verwendetem Kanal – Blogbeiträge, Bilder, offizielle und auch Amateur-Videos, Umfragen, Infografiken und vieles mehr verwendet werden. Bei der Erstellung von Inhalten sollte immer die Frage im Fokus stehen, ob dadurch ein Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger entsteht, das heißt, ob diese auch nützlich sind. Nützliche Informationen können zum Beispiel Daten über eine gesunde Ernährung, die Umwelt, wissenschaftliche Forschung und über die Bürgerinnen und Bürger selbst sein. Erst durch hochwertigen, relevanten Content wird der Social-Media- Kanal als glaub- und vertrauenswürdig anerkannt.
Vor allem staatliche Institutionen haben Zugang zu einer großen Menge an Informationen und können diese zum Wissens- und Bildungsaufbau nutzen. Auf Social Media Accounts des Umweltbundesamtes finden sich beispielsweise lehrreiche Beiträge zum Umwelt- und Klimaschutz. Das Umweltbundesamt hat einen erfolgreichen Social-Media-Auftritt, weil es seine Zielgruppe kennt und glaubwürdige, lehrreiche Posts liefert, die diese Zielgruppe interessieren. Regierungsbehörden können ihre Glaubwürdigkeit zu ihrem Vorteil nutzen, indem sie ihrer Zielgruppe vermehrt Wissens- und Bildungsinhalte zur Verfügung stellen.
Abbildung 6: Hochwertige Informationen des Umweltbundesamtes auf Facebook (Quelle: Facebook-Seite des Umweltbundesamtes)
Krisenkommunikation: In der Ruhe liegt die Kraft
Die Corona-Krise ist auch für die öffentliche Verwaltung eine große Herausforderung. Entsprechend kompliziert ist es, den richtigen Ton und eine Kommunikationsstrategie zu finden, die nach den Bedürfnissen der Öffentlichkeit ausgerichtet sind. Seit dem Ausbruch der Corona- Pandemie verlangt die Öffentlichkeit weltweit und vor allem schnell und unkompliziert nach Informationen – Social Media hat sich dabei als naheliegende Informationsquelle angeboten. Die Menschen finden auf den Social-Media-Kanälen nicht nur die nötigen Informationen, sondern verbreiteten diese auch weiter: „Bemerkenswert ist, dass die Bevölkerung im Norden von Italien frühzeitig, bereits Ende Februar, Informationen zu Covid-19 verstärkt auf Twitter verbreitet hat“, erläutert der Heilbronner Forscher Martin Wiesner. „In den Wochen danach trat dieser Effekt auch in anderen europäischen Ländern deutlich erkennbar auf.“8 Durch die schnelle und unkontrollierbare Verbreitung von Informationen in den sozialen Netzwerken wächst allerdings auch die Gefahr von Fake News und unkontrollierter Hetze im Netz. Gerade jetzt sollten sich Politikerinnen und Politiker sowie Behörden mit dem Thema Social Media auseinandersetzen, um die besorgte Bevölkerung zu informieren, um falsche Behauptungen richtigzustellen und um eventuelle Fake News zu unterbinden. Um Fehlinformationen zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren, sollten Behörden das sogenannte Social Listening nutzen, also die Überwachung ihrer Social-Media-Kanäle auf Erwähnungen bestimmter Begriffe oder Themen. Bei einer nennenswerten Anzahl der Verbreitung der Unwahrheiten sollten die offiziellen Plattformen dazu genutzt werden, um die Dinge richtigzustellen.
Um glaubwürdig zu sein, muss die öffentliche Verwaltung klar, ruhig und auf eine deeskalierende Weise mit den Menschen kommunizieren, unabhängig davon, auf welcher sozialen Plattform berichtet wird. So können zum Beispiel auf Twitter Verantwortungsträger wichtige Botschaften auf eine beherrschte und beruhigende Weise vermitteln. Durch eine persönliche Stellungnahme von Amtstargenden in den sozialen Medien können die Bürgerinnen und Bürger sich eher mit den Beschlüssen von Politikerinnen und Politikern und Behörden identifizieren.
Als Social Listening beschreibt man einen Prozess, mit dessen Hilfe ein Unternehmen, eine Marke oder auch eine Person herausfinden kann, was in den sozialen Medien über sie geschrieben und diskutiert wird. Dabei kann Social Listening in Verbindung mit einer Zielgruppenanalyse als ein starkes Analysetool eingesetzt werden. Folgende Fragen sollen dabei wegweisend sein: Was interessiert meine Zielgruppe? Wann ist die Zielgruppe am aktivsten? Mit welchen Problemen haben die Bürgerinnen und Bürger zu kämpfen? Dementsprechend sollte der veröffentlichte Content in Form von Artikeln, Videos, Bildern etc. gestaltet sein. Nach der Veröffentlichung von Beiträgen sollte man eine regelmäßige Erfolgsmessung in Form von Social Monitoring durchführen. Wie hoch ist die Sichtbarkeit eines Beitrages und wie sieht das im Vergleich zu ähnlichen Posts aus? So lassen sich beispielsweise auch während einer Kampagne immer wieder die Ziele mit den realen Werten vergleichen, um zeitnah und unkompliziert Anpassungen vornehmen zu können.
Dennoch sind Fehler in der Krisenkommunikation unvermeidlich. Bestes Beispiel ist die in einer nächtlichen Ministerpräsidentenkonferenz von Bund und Ländern voreilig beschlossene „Osterruhe“ im März 2021. Aufgrund massiver Kritik aus der Wirtschaft und der Bevölkerung wurde der Beschluss zwei Tage nach der Verkündung zurückgenommen und Angela Merkel bat anschließend die Menschen in Deutschland um „Verzeihung“ für den „Fehler“. Schnelles Handeln und Kommunizieren ist zwar in einer Krise wichtig, ein allzu überstürztes Handeln kann allerdings kontraproduktiv sein. Eine offene Fehlerkommunikation kann dagegen Vertrauen wiederaufbauen. Dementsprechend positiv war die Reaktion der Community auf den Post der Bundesregierung auf ihrer offiziellen Facebookseite direkt nach der Pressekonferenz. Schnell zu reagieren und präsent zu sein, ist besonders in Krisenzeiten unerlässlich. Und genau da sind soziale Netzwerke von unschätzbarem Wert.
Abbildung 7: Mit einer offenen Fehlerkommunikation kann
Vertrauen zurückgewonnen oder gesteigert werden
(Quelle: Facebook-Seite der Bundesregierung)
Die Stadtverwaltung von New York City erbringt für über acht Millionen Einwohnerinnen und Einwohner mehr als 4.000 verschiedene Dienstleistungen und bis zum Jahr 2002 hatte die Stadt ungefähr die gleiche Anzahl an Behördennummern.10 Die Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung war dementsprechend für die Bürgerinnen und Bürger kein leichtes Unterfangen. Der damals amtierende Bürgermeister, Michael Bloomberg, hat mit dem Projekt NYC 311 eine der größten Stadtverwaltungen des Landes revolutioniert. Die Mission war es, bestehende Prozesse und Dienstleistungen der Stadt besser an die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger anzupassen und die Interaktion zwischen den Einwohnerinnen, Einwohnern und den Behörden zu vereinfachen.
Die Umsetzung erfolgte zuerst durch die Einrichtung einer einheitlichen Behördennummer (311), unter der die Bevölkerung die Stadtverwaltung das ganze Jahr rund um die Uhr erreichen können (Customer Service Center).
In einem zweiten Schritt wurde ein offizielles Online-Portal für Beschwerden, Infos und weitere Services eingerichtet. Hier können sich Bewohnerinnen und Bewohner Informationen rund um das Thema Parken einholen und gleichzeitig auf derselben Seite sich beschweren, wenn durch falsches Parken die Einfahrt blockiert ist. Neben dem Online- Portal können die Einwohnerinnen und Einwohner mittlerweile ihre Anliegen an die Stadtverwaltung per Facebook mitteilen, die mit einem hohen Maß an Kunden -und Serviceorientierung auftritt.
Bürgerinnen, Bürger und Verwaltung profitieren von dem Projekt gleichermaßen. Die Bürgerinnen und Bürger haben eine zentrale Ansprechperson rund um das öffentliche Leben und können ihre Beschwerden unkompliziert melden. Die Verwaltung wiederum muss Beschwerden nicht mehr manuell eingeben und erhält ein Feedback, wie sie die Dienstleistungen optimieren kann. Zusätzlich liefert die Online- und Facebook-Plattform der Verwaltung mehr Informationen zur Lage der Stadt. Die Verwaltung wird so zur Problemlöserin und Dienstleisterin; die Bürgerinnen und Bürger helfen der Verwaltung, Dienstleistungen zu optimieren. Der Schlüssel ist dabei die einfachere Kommunikation zwischen den Parteien.11
Quelle: Facebook-Seite der NYC 311
Zusätzlich erhalten die Behörden mithilfe der Funktion des „Gefällt mir“-Buttons beziehungsweise der Bewertungsfunktion bei Facebook die Anzahl der Follower oder die Anzahl der Retweets ein mächtiges Marktforschungsinstrument. Zudem bietet Facebook weit mehr Möglichkeiten im Hintergrund, um Zielgruppen zu analysieren und strategische Kampagnen planen zu können. An NYC 311 angelehnt wurde in Deutschland 2007 das Projekt D115 einer einheitlichen deutschlandweiten Behördenrufnummer ins Leben gerufen.
Grenzen der Kommunikation überwinden
Social Media verändern Kommunikation, Kultur und auch die Arbeit von staatlichen Institutionen. Diese erkennen zunehmend die Vorteile einer Kombination aus Behördenarbeit und sozialen Netzwerken, wie zum Beispiel die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für bestimmte Themen zu wecken. So kann einem wenig dezidierten Interesse der Bevölkerung mittels interessantem Themensetting auf relevanten Kanälen entgegengewirkt und komplexe Inhalte mithilfe von Storytelling nähergebracht werden. Abgesehen davon, dass das Social-Media- Engagement mit jedem neuen Beitrag steigt, kann die öffentliche Verwaltung durch den erfolgreichen Einsatz von Social Media einen zusätzlichen Kommunikationskanal für sich erschließen.
Storytelling ist eine methode aus dem Content Marketing nach der Texte einer Homepage konzipiert werden. Dabei sollen wichtige Inhalte als spannende Geschichten vermittelt und die richtige Zielgruppe angezogen werden, die daraufhin zu Leads und letztlich zu Kundschaft konvertieren.
Zusammenfassung
Wesentlich ist, dass mit den Social-Media- Aktivitäten klare Ziele verfolgt werden.9 Das heißt, das Aufsetzen einer Social- Media-Strategie ist für den Erfolg von sozialen Netzwerken unabdingbar. Auch ein Krisenkommunikationsplan inklusive einer Risikoanalyse muss in der Strategie berücksichtigt werden. Wichtig ist, im Falle einer Krise schnell auf Fragen und Bedenken der Community einzugehen, schnell zu reagieren, ehrliches Interesse zu zeigen und eine Perspektive aufzuzeigen. Schließlich muss genügend Personal und ein realistisches Social-Media-Budget zur Verfügung stehen. Eine erfolgreiche Social-Media-Betreuung funktioniert nicht „nebenbei“, sondern ist ein Fulltime-Job. Die Teilnahme der öffentlichen Verwaltung an Social Media kann helfen, bestimmte Ziele, wie zum Beispiel die Aufmerksamkeit für Fokusthemen zu wecken, Kommunikation in Krisenzeiten, Partizipation, schneller erreicht werden. Durch die Bereitschaft zu neuen Formen der Transparenz, Beteiligung und Kollaboration kann der Einsatz von Social Media erfolgreich sein, ohne dass die eigene Identität und Abläufe der staatlichen Institutionen vernachlässigt werden.
Quelle:
1 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/739881/umfrage/monatlich-aktive-social-media-nutzer-weltweit/ (abgerufen am 21.04.2021).
2 Altes chinesisches Sprichwort.
3 https://nextpublic.de/wp-content/uploads/Studie_Verwaltung_in_Krisenzeiten.pdf (abgerufen am 31.05.2022).
4 https://ea-rlp.de/wp-content/uploads/2021/02/Best-Practices-Broschuere_online.pdf? x63384 (abgerufen am 07.05.2021).
5 Ines Mergel, Philipp S. Müller, Peter Parycek, Sönke E. Schulz (2013): Praxishandbuch Soziale Medien in der öffentlichen Verwaltung. Springer Fachmedien, S. 32 ff.
6 https://twitter.com/search?q=%23Ausgangssperren (abgerufen am 07.05.2021).
7 Ines Mergel, Philipp S. Müller, Peter Parycek, Sönke E. Schulz (2013): Praxishandbuch Soziale Medien in der öffentlichen Verwaltung. Springer Fachmedien, S. 40.
8 https://www.heise.de/news/Corona-Infodemie-Social-Media-meistgnutzte-Informationsquelle-in-der-Pandemie-4944828.html (abgerufen am 14.05.2021).
9 Ines Mergel, Philipp S. Müller, Peter Parycek, Sönke E. Schulz (2013): Praxishandbuch Soziale Medien in der öffentlichen Verwaltung. Springer Fachmedien, S. 32 ff.
10 https://www.accenture.com/t20150523T042006__w__/gr-en/_acnmedia/Accenture/Conversion-Assets/DotCom/Documents/Global/PDF/Industries_14/ Accenture-NYC-311-Public-Service-Call-Center-Solution.pdf (abgerufen am 04.05.2021).
11 Ines Mergel, Philipp S. Müller, Peter Parycek, Sönke E. Schulz (2013): Praxishandbuch Soziale Medien in der öffentlichen Verwaltung. Springer Fachmedien, S. 40 ff.