Prozessintegration und Rapid Process Design – Fragen an Axel Drengwitz und Tobias Link
Was ist Prozessintegration? In welchem Zusammenhang steht hierzu Rapid Process Design?
Axel Drengwitz: Der voranschreitende Ausbau des E-Governments erfordert eine Anpassung von nahezu allen Prozessen in der Öffentlichen Verwaltung. Die Analysen dieser Prozesse zeigen häufig, dass die Mitarbeitenden eine Vielzahl von IT-Systemen bedienen müssen. Nicht selten werden dabei einzelne Prozessschritte von drei oder vier IT-Anwendungen unterstützt. Dadurch entstehen Mehrarbeiten, die ihren Ursprung in der begrenzten Interoperabilität der IT-Anwendungen haben. Wenn über den gesamten Prozesslauf ein übergreifender Daten- und Kontrollfluss sichergestellt werden kann, findet eine Prozessintegration statt.
Die Methode eines Rapid Process Design erfordert den Einsatz einer Integrationsplattform. Diese beheimatet sämtliche Prozessdokumentationen. Darüber hinaus stellt sie zahlreiche technische Schnittstellen zur Verfügung, die einen übergreifender Daten- und Kontrollfluss ermöglichen. Gleichzeitig kann das Prozess Design unmittelbar auf der Plattform erfolgen. Das macht das Prozess Design „rapid“, also deutlich schneller als bei einem konventionellen Vorgehen. Der bisher erforderliche Transfer von Prozessmodellen in Zielsysteme entfällt und eine Dokumentation in Drittsystemen ist nicht mehr erforderlich.
Wie verändert das Projekte zur Prozessanpassung?
Tobias Link: Aus dem Blickwinkel der Organisationsentwicklung steht nicht im Mittelpunkt, dass Integrationsplattformen IT-Anwendungen miteinander verbinden. An den klassischen Phasen der Erhebung, Analyse und Soll-Konzeption ändert sich nichts. Soll in den Projekten eine Prozessintegration erfolgen, sind aus unserer Sicht verschiedene Fragen in einem Vorprojekt zu klären: Welche Prozesse sind geeignet für eine Automatisierung? Wie können sie auf geeigneten Plattformen abgebildet werden? Kann eine maschinelle Intelligenz genutzt werden? Und letztlich auch, welche der möglichen Plattformen für das spezifische Umfeld überhaupt geeignet ist.
Ergeben sich Vorteile für die Gestaltung der Organisation?
Tobias Link: Medien- und Systembrüche werden bereits „by design“ reduziert und Abläufe automatisiert. Schließlich werden die Akteure durch die Automatisierung von Routineaufgaben deutlich entlastet. Oftmals geht es bei der Einführung einer solchen Plattform auch um eine Verringerung der Anzahl von Softwarelieferanten. In diesem Fall wird eine „Trägerplattform“ für zahlreiche Verfahren geschaffen, was letztlich in mehrfacher Hinsicht wirtschaftlicher ist.
Befinden sich solche Plattformen bereits im Einsatz in der ÖV?
Drengwitz: Aus Sicht der öffentlichen Verwaltung ist das Thema nicht unbedingt neu. Diskussionen über das Workflowmanagement werden schon seit zwei Jahrzenten geführt. Sie finden praktischen Niederschlag zum Beispiel im Bereich der elektronischen Aktensysteme. Übergreifend, im Sinne einer Prozessintegration, wurde das Thema bisher jedoch nur ansatzweise betrachtet.
Andere Sektoren, wie z. B. das Versicherungs- und Bankenwesen, vertrauen schön länger auf diese Technologie und haben ihr Prozessdesign umgestellt. Auch „exotischere“ Beispiele, wie der Flughafen Heathrow zeigen, welche Leistungsfähigkeit diese Technologie besitzt.
Aber es gibt auch in der Öffentlichen Verwaltung schon positive Beispiele. Die Bayerische Staatsregierung etwa hat das Antragsverfahren für die Corona-Soforthilfe mit Rapid Process Design entworfen und auf einer Integrationsplattform umgesetzt. Innerhalb von wenigen Tagen konnte dadurch ein Verfahren bereitgestellt werden.
Was braucht die Verwaltung, um von Rapid Process Design profitieren zu können?
Drengwitz: Einerseits ist die Nutzung einer Integrationsplattform eine strategische Entscheidung und benötigt in den Projekten die uneingeschränkte Unterstützung der oberen Leitungsebene. Das Thema ist hier oftmals noch nicht angekommen. In den Projekten selbst muss durchaus noch viel neues Know-how gesammelt werden. Lernkurven müssen durchlaufen werden, um Routine für geänderte Vorgehensweisen, Methoden und auch Technologien zu erlangen.