Profitcenter-Rechnung mit Transferpreisen
Zahlreiche Unternehmen haben seit langem für die Unternehmenssteuerung eine dezentrale Organisationsstruktur mit Profitcentern aufgebaut. Der Leiter eines Profitcenters wird mit umfangreichen Entscheidungskompetenzen ausgestattet und soll wie ein selbstständiger Unternehmer agieren. Seine Leistung wird am Erfolg seines Profitcenters gemessen. In aller Regel ist ein Teil seiner variablen Vergütung an diesen Periodenerfolg geknüpft. Dies soll eine hohe Motivation der Führungskraft sicherstellen. Die Ermittlung des Periodenerfolgs dient aber nicht nur der Berechnung der variablen Vergütung des Profitcenterleiters. Vielmehr soll der Periodenerfolg eines Profitcenters der Unternehmensführung wichtige Hinweise für die strategische Ausrichtung des Unternehmens liefern.
Leider gestaltet sich die Ermittlung des Periodenerfolgs in vielen Fällen weitaus schwieriger, als man im ersten Moment erwarten würde. Entscheidend hierfür ist das Kriterium, das für die Bildung der Profitcenter herangezogen wird. Bei einer objektorientierten Bildung von Profitcentern (in der Regel nach Produktgruppen) ist jedes Profitcenter in einen eigenen Beschaffungs- und Absatzmarkt eingebettet, wodurch es nur geringe Leistungsverflechtungen zwischen den Profitcentern gibt.
Das Gegenteil ist der Fall bei einer verrichtungsorientierten Bildung von Profitcentern. Beispiele für diese Art der Profitcenterbildung sind die Unterteilung in ein Produktions- und ein Vertriebs-Profitcenter oder – bei besonders tiefer Wertschöpfungskette – die Unterteilung in ein Profitcenter A für die Herstellung der Halbfabrikate und ein Profitcenter B für die Produktion der Endprodukte. Zwischen diesen Profitcentern gibt es große Verflechtungen, die insbesondere durch die Materialbewegungen zwischen diesen Profitcentern entstehen (z.B. Verbrauch des Halbfabrikats).
Bei beiden Beispielen sind die Profitcenter Teil einer rechtlich selbstständigen Einheit (eines Buchungskreises). Die Materialbewegungen zwischen den Profitcentern werden buchhalterisch mit dem Buchungssatz „Bestandsveränderung an Bestand“ korrekt abgebildet (für die Entnahme des Halbfabrikats im anderen Profitcenter). Aus legaler Sicht darf bei dieser Buchung auch nur der kalkulierte Standardpreis des Materials als Wertansatz für die Buchung genutzt werden.
Da bei aktiver Profitcenter-Rechnung jeder Buchungsbeleg automatisch eine Zuordnung zu einem Profitcenter erhält, kann durch Zugriff auf die Buchungsbelege nicht nur das Ergebnis des Buchungskreises, sondern auch das Ergebnis der beiden Profitcenter ausgewiesen werden. Dieses Ergebnis entspricht aber leider absolut nicht den Erwartungen: Die für die Profitcenter angezeigten GuV-Daten sind nahezu unbrauchbar in Bezug auf den Aspekt der Unternehmenssteuerung und insbesondere mit Blick auf die geforderte Motivationswirkung für die Profitcenterleiter.
Die wesentlichen Kritikpunkte an dieser Lösung sind:
- Der Gewinn wird nicht zwischen den Profitcentern aufgeteilt, sondern wird zu 100 % beim abnehmenden Profitcenter ausgewiesen. Da die Weitergabe des produzierten Halbfabrikats vom liefernden zum abnehmenden Profitcenter nur zum Standardpreis erfolgt, kann das liefernde Profitcenter nur dann einen Gewinn ausweisen, wenn die Kosten für die Produktion des Halbfabrikats geringer sind, als es im kalkulierten Standardpreis vorgesehen ist. Die Steuerung des liefernden Profitcenters erfolgt somit ausschließlich über Abweichungen. Von einer Umsetzung der Fiktion „Unternehmen im Unternehmen“ kann man in diesem Fall sicherlich nicht sprechen.
- Das liefernde Profitcenter erhält keine Umsatzerlöse. Wäre dieses Profitcenter ein echtes Unternehmen, dann würde die Weitergabe des produzierten Halbfabrikats selbstverständlich als echter Verkauf erfolgen. Dies würde zum Ausweis von Umsatzerlösen führen. Die konsequente Umsetzung der Fiktion vom „Unternehmen im Unternehmen“ müsste deshalb auch den Ausweis von Umsatzerlösen beim liefernden Profitcenter ermöglichen.
- Bei beiden Profitcentern werden Bestandsveränderungen ausgewiesen, wozu es nicht kommen dürfte. Das liefernde Profitcenter hat seinen Bestand durch die Weitergabe des produzierten Halbfabrikats vollständig verbraucht. Beim abnehmenden Profitcenter gab es keine Bestandsveränderung, denn der Verbrauch des Halbfabrikats stellt aus der Sicht des abnehmenden Profitcenters einen Materialaufwand dar.
Diese Schwachstellen hat SAP erkannt und für Abhilfe gesorgt. Zum einen wurde die Möglichkeit geschaffen, die Materialbewegungen zwischen Profitcentern nicht nur zum Standardpreis zu bewerten, sondern zusätzlich durch einen Transferpreis. Voraussetzung für die Nutzung von Transferpreisen ist die Aktivierung der Profitcenterbewertung im Material-Ledger, das in S/4HANA in das Universal Ledger eingebunden ist.
Die Verwendung des Transferpreises allein löst aber noch nicht alle Probleme. Es werden zusätzliche Buchungen benötigt, wie sie bei einem Materialverkauf unter Einbeziehung eines Kundenauftrags anfallen würden. Glücklicherweise werden aber für den hier betrachteten internen Verkauf zwischen Profitcentern innerhalb eines Buchungskreises keine Kundenaufträge benötigt. Eine kleine Anpassung im Customizing sorgt dafür, dass die Buchungssätze für die Warenauslieferung, die Faktura und die Materialverbrauchsbuchung der ursprünglichen Materialbuchung hinzugefügt werden (Buchungszeilen mit INTRA-Konten):
- Profitcenter 1000: Bestand - 200
- Profitcenter 2000: Bestandsveränderung + 200
- Profitcenter 1000: INTRA-Erlös - 200
- Profitcenter 1000: INTRA-Bestandsveränderung + 200
- Profitcenter 2000: INTRA-Bestandsveränderung - 200
- Profitcenter 2000: INTRA-Materialaufwand + 200
Mit Hilfe dieser beiden Anpassungen können die oben aufgezeigten Schwachstellen beseitigt werden, wie der unten abgebildete Bericht verdeutlicht. Das liefernde Profitcenter erhält einen Anteil am Gewinn (abhängig von der Höhe des vereinbarten Transferpreises) und zeigt nun auch Umsatzerlöse (eine Unterscheidung zu den externen Umsatzerlösen ist jederzeit über die verwendeten Sachkonten möglich). Verschwunden ist auch der fehlerhafte Ausweis der Bestandsveränderung.
Dank diesen Verbesserungen wird insbesondere der Leiter des liefernden Profitcenters zufriedener sein als in der Vergangenheit. Für beide Profitcenterleiter spiegeln die in der GuV ausgewiesenen Zahlen erstmalig die gewünschte Situation, dass ihr Profitcenter als Unternehmen im Unternehmen dargestellt werden kann.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass durch die Nutzung der Transferpreise die legale Sicht nicht beeinflusst wird. Im neuen Universal Ledger werden sowohl Währungsfelder für die legale Bewertung als auch für die Profitcenterbewertung angeboten (unter dem Schlagwort parallele Bewertung im Material-Ledger).
Haben Sie Fragen?
Dr. Oliver Schöb
Management Consultant
+49 176 30066339
oliver.schoeb@msg.group