21.01.2021
Als Sohn von Unternehmensgründer Hans Zehetmaier hat Jürgen Zehetmaier die Leidenschaft für IT, Zahlen und Business in die Wiege gelegt bekommen. Seit einem Jahr leitet der promovierte Betriebswirt die Geschicke von msg als Vorstand mit und setzt vielerlei Akzente. Im Interview erzählt er von seinem turbulenten Start an der Spitze des Unternehmens und welche Themen am elterlichen Esstisch verhandelt werden. Auch eine Prognose zur msg im Jahr 2061 gibt der FC Bayern-Fan ab.
Herr Zehetmaier, Sie sind nun seit einem Jahr Teil der msg-Vorstandsriege – ein Jahr, das kaum hätte turbulenter sein können. Wie ist es aus Ihrer Sicht gelaufen?
Jürgen Zehetmaier: Ja, die Formulierung „turbulent“ trifft es durchaus. Eigentlich hat das Jahr normal begonnen, sofern man das bei Übernahme so einer Rolle überhaupt sagen kann (lacht). Arbeitsintensiv war es vom Start weg. Ich kam nicht von extern, sondern war bereits in der Unternehmensgruppe. Entsprechend musste ich auch noch alte Aufgaben übergeben. Im ersten Quartal war die Arbeitsbelastung also schon hoch. Und dann kam Corona.
Was den Arbeitsanfall vermutlich nicht reduziert hat…
Da ich unter anderem für die Themen Finanzen und Controlling zuständig bin, war anfangs relativ viel zu tun. Wir haben allerlei Szenarien durchgerechnet und uns gefragt: Was bedeutet es für uns als sehr nachhaltig agierendes Unternehmen, wenn Umsatz wegbricht? Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie wir eine solche Extremsituation managen. Rückblickend auf das Jahr sind wir sehr zufrieden mit der Entwicklung. Persönlich bin ich jedenfalls froh, dass wir frühzeitig so stark in unsere eigene IT investiert haben. Der Switch ins Homeoffice hat dadurch reibungslos funktioniert. Andere Unternehmen berichten mir immer wieder, dass das bei ihnen nicht immer der Fall war.
Dann folgte der Sommer, der für etwas Entspannung sorgte.
Richtig. In den folgenden Monaten hat sich die Lage wieder etwas aufgelockert und wir haben gesehen, dass unser Geschäftsmodell sehr robust ist. Anfangs hatte ich schon gewisse Sorgen, inzwischen kann ich aber sagen, dass es wirtschaftlich für uns ein gutes Jahr war – unter Berücksichtigung von Corona sogar ein sehr gutes. Wir werden wieder wachsen. In einer Größenordnung um die sieben Prozent. In so einem Jahr weiter zu wachsen und dabei auch profitabel zu sein, das ist schon großartig. Durch das Krisenmanagement haben wir zwar viele Zusatzthemen bearbeiten müssen, trotzdem konnten wir auch einige strategische Themen aus unserer Roadmap 2025 anstoßen.
Das heißt, dass Sie der Krise auch Positives abgewinnen können?
Grundsätzlich bringen Veränderungen immer Verlierer und Gewinner hervor. Und sie finden ständig statt. Manche verlaufen schleichend, sodass man sie nicht so bemerkt. Corona hat dagegen als Katalysator gewirkt und Umbrüche beschleunigt. Was das für uns heißt? Wir haben das Glück in einer Branche unterwegs zu sein, die verglichen mit produzierenden Unternehmen relativ gut remote-arbeitsfähig ist. Viele Mitarbeitende kennen das ja. Sie sind montags bis donnerstags beim Kunden und dann im Homeoffice. Für die hat sich nur verändert, dass sie nicht zum Kunden fahren, sondern gleich im Homeoffice bleiben.
Man muss aber auch klar sagen, dass die Kolleginnen und Kollegen unheimlich gut reagiert haben und von zuhause sehr produktiv arbeiten. Und das, obwohl es für viele ein enormer Kraftakt mit verschiedenen Sonderbelastungen war. Das ist mir bewusst. Nicht jeder hat zuhause optimale räumliche Bedingungen. Viele müssen sich zudem durch Schließungen von Kitas und Schulen um Kinder oder um pflegebedürftige Eltern, die als Hochrisikogruppe intensiver betreut werden müssen, kümmern und diese Herausforderungen mit der Arbeit vereinen. Es macht mich stolz und es ist einfach schön zu sehen, wie alle mitgezogen haben. Unsere Leute sind unglaublich engagiert. Dafür möchte ich Danke sagen.
Was lässt sich denn daraus für die Zukunft ableiten?
Ich bin überzeugt, dass Arbeit künftig hybrider wird. Ich glaube auch daran, dass sich wieder mehr Leben im Büro abspielen wird – aber eben als Mischform. Das sehe ich positiv. Wir haben erlebt, dass es nicht jederzeit notwendig ist vor Ort zu sein, trotzdem darf der persönliche Kontakt nicht verloren gehen. Was mir aber sehr fehlt, sind unsere Events. Wir bei msg feiern gerne und lassen es uns auch mal gemeinsam gut gehen. Das wünsche ich mir schon sehr zurück.
Lassen Sie uns bitte in den etwas persönlicheren Bereich schwenken. Sie sind der Sohn von Firmengründer Hans Zehetmaier. Ist dies eine Bürde oder gar ein großer Vorteil?
Nach Studium und Promotion war ich eine Weile bei PwC und nicht sofort in der msg. Das hat mir geholfen, diverse Blickwinkel einzunehmen. Natürlich habe ich mir die Frage gestellt, ob ich irgendwann den Schritt zu msg gehen soll. Entscheidend ist für mich, dass mein Vater und ich ein gutes Verhältnis zueinander haben. Es war mir immer wichtig, dass es eine gemeinsame Übergangsphase gibt. Dass ich manchmal mit meinem Vater verglichen werde, lässt sich nicht vermeiden und ist wahrscheinlich auch normal. Ich sehe aber eher die Vorteile: Ich bekam und bekomme viele Einblicke und habe mit meinem Vater einen Sparringspartner. Mit gewissen Nachteilen muss man einfach klarkommen. Und man muss damit leben, manche Sachen eben nicht mitzubekommen, weil befürchtet wird, dass Themen an anderer Stelle platziert werden (lacht).
Wann kristallisierte sich heraus, dass Sie in diese großen Fußstapfen treten wollen?
Mein Vater hat mich eines Tages gefragt, ob ich für eine vakante Position in einem kleinen Start-up der Firmengruppe zur Verfügung stehe. Dann habe ich mich mit der Frage auseinandergesetzt und die Herausforderung angenommen. Es war eine spannende Aufgabe, ich konnte mich dadurch gut in die msg-Gruppe einarbeiten. Mir war übrigens immer klar, dass ich den Schritt ins Unternehmen mit Nachdruck machen möchte. Einfach testen und nach einem Jahr sagen ‚das ist nichts für mich‘ war für mich keine Option. Die Sorge hatte ich aber gar nicht, weil mir msg ja nicht fremd war und ich die Firmenkultur sowie viele Kolleginnen und Kollegen kannte.
Ist msg auch am elterlichen Esstisch immer ein Thema?
Das ist lustig, weil es häufig überschätzt wird. Wir müssen inzwischen auch Termine verabreden und sehen uns privat nicht so oft. Und dann wollen wir tatsächlich nicht nur über die Firma reden. Es gibt auch noch andere Familienmitglieder, die das nicht so interessiert (lacht).
Ein Leben ohne IT ist für Sie aber schwer vorstellbar?
Eine Welt ohne IT ist nicht vorstellbar. Ich könnte aber auch andere Aufgaben finden. Natürlich mache ich das alles mit einer gewissen Leidenschaft. Außerdem kenne ich mich einigermaßen aus (lacht).
Was fasziniert Sie als Privatmensch?
Ich bin ein kommunikativer Mensch und treffe mich gerne mit Freunden. Aktuell leider hauptsächlich virtuell. Ansonsten bin ich sportbegeistert und großer FC Bayern-Fan, was manche am elterlichen Esstisch vermutlich eher nervt als die beruflichen Gespräche (lacht). Ansonsten faszinieren mich die Börse, Finanzen und vor allen Dingen mein Familienleben als schönstes Kontrastprogramm.
Was ist Ihr Herzensthema für die msg-Zukunft?
Da gibt es mehrere. Mir ist wichtig, dass wir uns als Gruppe weiter erfolgreich entwickeln. Daran arbeiten wir sehr akribisch. Außerdem wünsche ich mir, dass wir das Menschliche in der Zusammenarbeit aufrechterhalten können. Gemeinsam mit Freude zu agieren und gerne zur Arbeit zu kommen sind Dinge, die ungemein anspornen und Höchstleistungen erst ermöglichen. Zentrales Zukunftsthema ist zudem Nachhaltigkeit. Ich beziehe das nicht nur auf die Ökologie, sondern auch auf solides Wirtschaften. Wir sind zu 100 Prozent eigenfinanziert und haben keinerlei Verbindlichkeiten. Diese Unabhängigkeit wollen wir beibehalten. Andere Unternehmen mussten während der Corona-Krise erstmal mit ihrer Bank sprechen. Wir haben hier viel mehr Freiheit, die wir uns bewahren wollen.
2020 feierte msg das 40-jährige Firmenjubiläum. Wo sehen Sie das Unternehmen in 40 Jahren?
Wir haben zwar eine sehr konkrete Roadmap 2025 aber keine Planung für die nächsten 40 Jahre. Unsere Zeit ist schnelllebig. Zwar ist unsere Zielstellung langfristig, aber nicht auf vier Jahrzehnte ausgerichtet. Wir arbeiten weiterhin daran, dass die msg-Gruppe ein erfolgreicher Marktplayer bleibt, dazu mit noch höherer Bekanntheit als heute und als profitables Unternehmen mit deutlich mehr Umsatz als heute. Ich halte Wachstum auch zukünftig für wichtig, weil wir uns als msg-Gruppe auch relativ zum Wettbewerb nicht verschlechtern wollen und es zudem viele Perspektiven für alle Mitarbeitenden schafft.
Und wo sehen Sie sich?
(lacht) Ich bin dann 77 Jahre alt. msg werde ich vermutlich immer noch verbunden sein – wahrscheinlich jedoch in nicht ganz so aktiven Rollen. Aber wenn mein Rat dann noch gefragt ist, bringe ich mich gerne ein.