17.09.2021
– wie msg im Katastrophengebiet Notfallhilfe leistete. Kein Strom, keine IT, keine Telefonate, keine OPs: IT-Ausfälle können Krankenhäuser empfindlich treffen und schlimmstenfalls Menschenleben gefährden. Nico Meinhardt, IT-Leiter des St.-Antonius-Hospitals in Eschweiler, weiß davon ein Lied zu singen. Während der Hochwasserkatastrophe Mitte Juli im Westen Deutschlands gingen in seinem Rechenzentrum die Lichter aus. Durch Zufall kam mit Dennis Zielke ein msg-Mitarbeitender ins Spiel – und so konnte binnen kürzester Zeit ein Notfall-Rechenzentrum auf die Beine gestellt werden. Im Standpunkte-Interview schildern die beiden Beteiligten ihre Erlebnisse.
Wir alle haben die Bilder von Zerstörung und Leid durch die Flutkatastrophe noch vor Augen. Wie haben Sie persönlich die Ereignisse erlebt?
Nico Meinhardt: Die Flut hat uns mit voller Wucht getroffen. Wir wurden nicht so schlimm erwischt wie das Ahrtal oder der Erftkreis, aber doch ganz schön gewaltig. Ich erinnere mich sehr genau. Unser Krankenhaus liegt mitten in der Stadt und nahe der Inde, einem kleinen Flüsschen mit einer Wassertiefe von vielleicht 70 Zentimetern. Ab dem 13. Juli nachmittags stieg der Pegel dann sukzessive. Bei einer ersten kleinen Krisenbesprechung war aber in keinster Weise absehbar, dass so etwas zu erwarten wäre.
Gab es schon vergleichbare Hochwasserereignisse in der Vergangenheit?
Nein, in dieser Form noch nicht. Trotzdem hatten wir uns in der Vergangenheit durch Fachleute beraten lassen und uns darauf vorbereitet. Zum Beispiel mit hohen Spundwänden. Es wurde ein Hochwasserszenario erarbeitet, bei dem verschiedene Schutzmaßnahmen getroffen wurden.
Waren Sie permanent vor Ort?
Abends habe ich von zuhause aus auf dem Laptop verfolgt, wie der Wasserpegel steigt und steigt. Gegen Mitternacht erreichte er dann 3,70 Meter. Ab diesem Pegel gab es keine Messungen mehr, da das Messgerät offensichtlich den Fluten zum Opfer gefallen war. Der weitere Anstieg konnte nicht mehr aufgezeichnet werden. Ich habe mich schließlich bei unserem technischen Leiter Michael Deussen vor Ort erkundigt, wie ernst die Situation ist. Unser Rechenzentrum ist im zweiten Untergeschoss in einem Luftschutzbunker mit zwei doppelten Luftschutzbunkertüren untergebracht. In der Vergangenheit schien uns das immer sehr sicher.
Das änderte sich aber in jener Nacht?
Zunächst meinte Michael noch, dass sie die Lage im Griff hätten. Gegen halb zwei Uhr erfuhr ich dann, dass das Krankenhaus bereits wie eine kleine Insel war. Das Wasser reichte inzwischen bis an die Oberkante der Spundwände heran. Es war halb drei, als unser Geschäftsführer anrief und wörtlich sagte: „Herr Meinhardt, fahren Sie die Systeme herunter, wir müssen das Krankenhaus aufgeben.“ Kurze Zeit ist es über uns hereingebrochen. Die untersten beiden Etagen geflutet, der Innenhof geflutet, unser Krankenhauspark ebenfalls geflutet. Ein reißender Fluss bahnte sich seinen Weg durchs Krankenhaus. Unvorstellbar! Man kennt das nur durch die Berichterstattung aus dem Fernsehen. Die Wassermassen haben fest verankerte Brandschutztüren aus Metall einfach wie kleine Spielzeugtüren durch die Gegend geschoben und sie blieben irgendwo liegen.Es war gewaltig.
Welche Schäden hat die Flut hinterlassen?
Heizung, Trafos, Stromverteiler, Notstromgeneratoren, Rechenzentrum, Telefonanlage, Kühl- und Gasaggregate waren im Keller oder Untergeschoss verortet. Ebenso wie das Labor, ein Teil der Radiologie und zwei Fachabteilungen. Wasserleitungen sind geplatzt, Abwasserleitungen sind geplatzt. Es gab also praktisch nichts mehr, es war alles kaputt. Der Schaden beläuft sich grobgeschätzt auf über 70 Millionen Euro.
Was passierte eigentlich mit den Patientinnen und Patienten?
Das Krankenhaus war noch mit etwa 300 bis 350 Patientinnen und Patienten belegt, davon etwa 25 Intensivpatienten, die hochkritisch und bettlägerig waren. Die kann man nicht einfach entlassen und hinausbegleiten. Es gab kein Rein- und kein Rauskommen. Deshalb war für uns erst mal die Versorgung der Patientinnen und Patienten am wichtigsten. Das Krankenhaus musste evakuiert werden, so dramatisch war es. Der einzige Zugang zum Krankenhaus war tatsächlich über eine Art Shuttleservice, organisiert durch die Feuerwehr Eschweiler. Wir sind dann auf einem Unimog durch die Stadt gefahren. Auf der Fahrt konntest man das ganze Ausmaß der Katastrophe sehen: eingedrückte Scheiben, geflutete Geschäfte, Autos, die wie Spielzeug im Wasser hin- und her waberten.
Ist jemand im Hospital zu Schaden gekommen?
Nein, wir konnten alle Patientinnen und Patienten sicher und unbeschadet evakuieren.
Und wie sah es mit der IT-Infrastruktur aus?
Den Zustand der IT-Infrastruktur wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Es bestand aber die Hoffnung, dass unser Luftschutzbunker und die IT-Infrastruktur das Ganze doch weitestgehend unbeschadet überstanden haben könnte. Unabhängig davon hatten wir unmittelbar begonnen, unsere Partner zu kontaktieren und mit ihnen einen möglichen Neuaufbau der IT-Infrastruktur zu planen. Denn klar war in jedem Fall: Ein kompletter Neuaufbau würde jede Menge Arbeit bedeuten.
An dieser Stelle kam dann auch msg ins Spiel?
Genau. Eigentlich war es Zufall: Dennis Zielke und ich kennen uns aus Studienzeiten. Wir standen zum Thema Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) im Austausch und wollten in einem Termin über das Portfolio von msg sprechen. In einem Telefonat habe ich ihm unsere Situation geschildert. Der Termin kam aufgrund der Situation nicht zustande, aber Dennis hat umgehend seine und die Hilfe von msg angeboten. So kam das Ganze ins Rollen.
Was haben die Schilderungen bei Ihnen ausgelöst, Herr Zielke?
Dennis Zielke: Mir ist das alles über das Wochenende nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Am Montagmorgen bin ich dann sofort auf den Leiter unserer Einheit zugegangen und habe gefragt, ob msg nicht etwas anbieten könnte. Dann habe ich zu den Kolleginnen und Kollegen Kontakt aufgenommen, die auf Notfalleinsätze bei Cybersecurity & Co. spezialisiert und entsprechend erfahren sind. Denn auch da geht es um Zeit, es geht um Geschwindigkeit. Und darum, das Geschäft wieder hochzufahren, wenn die Infrastruktur aufgrund eines Hackerangriffs zerstört wurde. Wir haben kurz diskutiert, was wir tun können. Wie viele Server, was an Hardware gebraucht wird, wussten wir bereits – und das haben wir ihnen in einem Care Paket schnellstmöglich zur Verfügung gestellt und angeliefert.
Herr Meinhardt, haben Sie damit gerechnet, dass msg so reagiert?
Nico Meinhardt: Ich war da selbst ein Stück weit positiv überrascht. Die Schnelligkeit und Qualität der vertrauensvollen Zusammenarbeit dient als Paradebeispiel. Ich glaube, schneller geht es nicht. Als ich den Schaden gesehen habe, dachte ich: Das dauert Monate, bis hier mal wieder ein Bit oder Byte durch das Netzwerk rauscht. Alles war kaputt: Haupt- und Unterverteiler, Serverfarm, Storage und das Netzwerk.
Gab es denn ein Notfall-System bzw. ein Backup?
In einem anderen Gebäudetrakt haben wir noch einen zweiten Standort. Dort werden neben dem Backup des Krankenhausinformationssystems weitere kritische Daten, wie etwa digitale Patientenakten oder PACS-Daten (Patientenbilder), zusätzlich abgelegt. Ungünstig war allerdings, dass wir unser Backup-System gerade umgestellt und erneuert hatten. Die Umstellung war noch nicht abgeschlossen. Das Hochwasser ist uns zuvorgekommen und hat uns eiskalt erwischt. Wir hatten aber Gott sei Dank noch Tapes, also Backup-Bänder, die wir in den IT-Räumen in einen Safe gelegt hatten. So wie man das von früher noch kennt. Das hat uns gerettet. Die Aufgabe war nun, die Daten wiederherzustellen und die Infrastruktur schnellstmöglich wieder aufzubauen.
Inwieweit konnte msg hierbei unterstützen?
Was wir brauchten waren Serverhardware, Storage, SAN-Switche und eine Tape Library, um die Backup-Bänder einlesen zu können. Und am besten noch jemanden, der uns beim Aufbau der Serverfarm hilft. Wir sind fast vollständig mit VMware virtualisiert, ESX Hosts mussten neu aufgesetzt und das Rechenzentrum neu aufgebaut werden – hier brauchten wir dringend Hilfe und jemanden, der sich mit der veralteten Backup-Software Exec von Veritas auskennt.
Wie ging es dann weiter?
Im ersten Call hatten wir den Bedarf und das Sizing unsere Umgebung besprochen. msg hat besagtes Care Paket geschnürt, welches wenig später bei uns eintraf. Das war gerade mal eine gute Woche nach unserem ersten Telefonat. Das ist auch einer der Gründe, warum wir heute schon so weit sind. Beinahe 100 Prozent der Systeme sind wiederhergestellt. Das Hauptgebäude ist wieder komplett vernetzt. Wir können wieder digital arbeiten, sind seit drei Wochen wieder handlungsfähig und versorgen unsere Patientinnen und Patienten ambulant. Ab vierten Oktober starten wir wieder mit der stationären Versorgung. Beeindruckend, was da in der Kürze der Zeit auf den Weg gebracht und gestemmt werden konnte.
Wie haben Sie dieses nicht-alltägliche Projekt empfunden, Herr Zielke?
Tatsächlich bin ich ja nicht vor Ort gewesen, sondern war eher virtuell und am Telefon hautnah dabei. Ich habe deshalb aber nicht weniger mitgefühlt und mitgefiebert. Es war eine emotionale Erfahrung. Auch weil ich weiß: msg ist gut und das, was wir hier machen, hat Hand und Fuß.
Ist aus der Katastrophe also eine Partnerschaft zwischen dem St.-Antonius-Hospital und msg entstanden?
Nico Meinhardt: Ja, wir wissen diese Hilfsbereitschaft wirklich zu schätzen. Ein hervorragender Start für eine vielversprechende Partnerschaft.
Daumen hoch – die dringend benötigten Server sind eingetroffen.
Nico Meinhardt, IT-Leiter des St.Antonius-Hospital