von Christian Meyer
Zuerst erschienen in der Ausgabe .public 01-2021
Chatbots in der Verwaltung
In unserer modernen und zunehmend digitalisierten Welt sind Interaktion und Kommunikation der Schlüssel für effiziente und kundenzentrierte Prozesse. Auch in der öffentlichen Verwaltung ist schon länger klar: Ansprache und Akzeptanz sowie Dialog und Partizipation sind eng miteinander verbunden. Einen Dialog führen zu können und eine gemeinsame Sprache zu sprechen, sind entscheidende Akzeptanzkriterien für eine bürgernahe Verwaltung. Durch die Digitalisierung aller Gesellschaftsbereiche sind Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen an kurze Reaktionszeiten im Service gewöhnt. Diese Schnelligkeit erwarten sie auch von der öffentlichen Verwaltung. 24 Stunden Verfügbarkeit an 365 Tagen – eine moderne Verwaltung, die immer erreichbar ist, ist ein wünschenswertes Ziel. Chatbots versprechen genau das. Fachliche Expertise und die Beantwortung von Bürgeranliegen auf Abruf, rund um die Uhr, von jedem Ort aus. Hinzu kommt, dass die Anforderungen an inhaltliche und technische Prüfungen, an die Beratung und Vermittlung stetig zunehmen. Der Einsatz von Chatbots bietet durch stringente Digitalisierung die Möglichkeit, die öffentliche Verwaltung sowie die Bürgerinnen und Bürger bei Anfragen und Anträgen zu entlasten. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei die Verbindung von menschlicher und automatisierter Interaktion.
„Sprachinteraktion ist beim Endkunden angekommen und akzeptiert. Der Einsatz von Chatbots und konversationellen Benutzerschnittstellen im Bereich E-Government kann und muss jetzt begonnen werden, um diese zeitnah einsatzbereit zu haben. Im E-Government bietet sprachbasierte Interaktion immense Potentiale.“ Dr. Stefan Schaffer, DFKI GmbH (Quelle: NEGZ STANDPUNKT, NR. 6 – SPRACHSTEUERUNG VON E-GOVERNMENT DIENSTEN, 2020) |
Hierfür wird im Rahmen der Dienstekonsolidierung Bund die zentrale Entwicklung einer einheitlichen digitalen Lösung angestrebt. Der „Basisdienst Chatbot“ soll gleichartige Aufgaben in den verschiedenen Behörden erfüllen können. Die Gesamtverantwortung für die Einführung trägt das Bundesinnenministerium. Fachliche Anforderungen werden über eine fachverantwortliche Stelle in der Generalzolldirektion ressortübergreifend gebündelt. Für den Betrieb ist das Informationstechnikzentrum Bund (ITZ Bund) zuständig, der zentrale IT-Dienstleister der Bundesverwaltung.
Die Chatbots
C-19 ist das erste öffentliche Pilotprojekt in diesem Kontext. Vom Gesundheitsministerium bis zur Generalzolldirektion haben bislang zehn Ministerien und Behörden ihre Informationen zum Coronavirus in die Chatbot-Datenbank eingespeist, aus der C-19 seine Antworten bezieht. Weitere Bundesbehörden werden als Nutzer von C-19 erwartet. Internetnutzer verlassen sich zunehmend auf C-19. Mehrere hunderttausend Zugriffe zählt der Chatbot monatlich. Davon waren rund zwanzig Prozent durchgeführte Gespräche, in denen die Nutzerinnen und Nutzer durchschnittlich etwa zehn Fragen an den Chatbot stellten. Im Sommer standen vorrangig Fragen zum Reisen im Vordergrund. Mit dem Wiederanstieg der Infektionszahlen und aufgrund der erweiterten Antworten in C-19 bezieht sich ein großer Teil der Anfragen auf die aktuellen Fallzahlen und Regelungen. In den Auswertungen werden ausschließlich anonyme Gesprächsverläufe ohne jeglichen Bezug auf konkrete Personen verarbeitet – damit können sich die Behörden auch einen guten Überblick verschaffen, was die Menschen in der Pandemie aktuell beschäftigt.
Die Generalzolldirektion (GZD) stand vor einer anderen Herausforderung: Sie wollte verlässliche Auskünfte zum Thema Brexit liefern. Zu diesem Zweck hat sie seit Ende 2020 einen Chatbot konzipiert und mit Unterstützung des ITZBund realisiert. Der Brexit-Bot stand pünktlich zum Brexit zur Verfügung und gibt seitdem zweisprachig Auskunft zum Thema.
Abbildung 1: Beispiele für Chatbots der Bundesverwaltung
Ebenfalls von der GZD stammt LinA, ein Chatbot, der Fragen rund um die Kraftfahrzeugsteuer und zur Internet-Verbrauchund Verkehrsteuer-Anwendung beantwortet. Im Fokus steht hier, interne Aufwände im eigenen Servicecenter zu reduzieren, indem die Topthemen von Anfragenden gezielt aufgegriffen und beantwortet werden.
Chatbots – wohin geht die Reise?
Wie die Darstellung der möglichen Entwicklungsstufen von Chatbots zeigt, befinden wir uns immer noch in der Anfangsphase der Entwicklung von Assistenten mit künstlicher Intelligenz (siehe Abbildung 2). Heute können Chatbots in der Verwaltung häufig vor allem einfache Verbindungen zwischen Nutzerfragen und statischen Antworten herstellen, die zuvor von einer Redaktion erstellt wurden. Diese Verbindung basierte in der Vergangenheit auf klaren Regeln, die in der Programmierung festgeschrieben waren. Aktuelle Chatbot-Plattformen lernen mithilfe künstlicher Intelligenz immer besser, was ein Nutzer, eine Nutzerin eigentlich meint. Sie können auch den Gesprächskontext besser deuten, sich Informationen merken und dann im Kontext fast wie ein menschlicher Gesprächspartner reagieren.
In Zukunft werden immer mehr Chatbots in der öffentlichen Verwaltung für viele unterschiedliche Behörden Fragen beantworten. Daher wird es immer wichtiger, allgemeine Informationen für alle behördenspezifischen Bots zentral zur Verfügung zu stellen. Der nächste größere Schritt wird dann in der Vermittlung von Bot zu Bot liegen. Chatbots in der öffentlichen Verwaltung müssen also lernen, in Zukunft untereinander vernetzt Informationen auszugeben. Nutzerinnen und Nutzer können sich dann zum Beispiel in einem Chatbot-Dialog über Coronaschutzimpfungen informieren und sich an selber Stelle direkt nach den Öffnungszeiten und der Adresse der örtlichen Impfstelle erkundigen.
In Zusammenarbeit mit weiteren Basisdiensten wie etwa dem Nutzerkonto Bund1,, können Chatbots der nächsten Entwicklungsstufe im im Auftrag der Nutzerin oder des Nutzers sogar Verwaltungsleistungen beantragen. Die notwendigen Formulare wären dann bereits vorausgefüllt, weil die Nutzerin oder der Nutzer über ihr oder sein Nutzerkonto Bund authentifiziert ist. Andere Chatbot-Konzepte sehen zukünftig etwa eine Live-Begleitung und die Übergabe an Beschäftigte in Callcentern vor – nachdem der Chatbot im Vorfeld bereits Standardaufgaben wie die Erfassung von Adressinformationen übernommen hat. Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg dieser Systeme ist deren möglicher Einsatz auf den unterschiedlichsten Kommunikationskanälen, wie beispielsweise in Messengern und in vorhandenen Chats oder Onlineforen.
Abbildung 2: Übersicht über die Entwicklungsstufen von Chatbots
Abbildung 3: Die unterschiedlichen Kanäle und ihre Eigenschaften für dialoggesteuerte Systeme (Quelle: ITZBund)
Vielfältig einsetzbar – die Bandbreite von Dialogsystemen
Das Chatbot-Prinzip muss nicht ausschließlich auf Webseiten zum Einsatz kommen, sondern kann andere Ausprägungen annehmen. Man spricht im weiteren Sinne von dialoggesteuerten und nicht-textbasierten Systemen. Beispielsweise können „Voicebots“ am Telefon bereits ohne menschliche Hilfe viele Fragen von Bürgerinnen und Bürgern beantworten – deutlich besser als bisherige automatisierte Telefonservices. Ebenso ist das Smartphone ein Kanal, auf dem schon heute eigene Chatbot-Apps die Nutzerinnen und Nutzer unterstützen. Auch Messenger- Dienste werden immer häufiger Chatbots beinhalten, die gezielt im synchronen Dialog Auskunft geben, bis hin zum persönlichen „Agenten“, der aufgrund seiner Kenntnisse über den Nutzer konkrete Aufgaben selbstständig und proaktiv übernehmen kann.
Chatbots in der Verwaltung
Der Basisdienst Chatbot hat bereits einige mögliche zukünftige Einsatzszenarios entwickelt. Da jedoch mehr und mehr Fachstellen ihr Interesse bekunden, wird die Liste an neuen Anforderungen immer länger. Eine der zukünftigen Kernaufgaben des Basisdienstes wird somit die zentrale Bereitstellung von standardisierten Chatbots sein, die auf Knopfdruck installiert und möglichst einfach konfiguriert, trainiert und betrieben werden können. Chatbots können für die unterschiedlichsten Themenfelder und Ministerien sinnvoll sein, so zum Beispiel ein Fach-Chatbot für Familienfragen oder eine spezielle Version für Migrationsfragen. Eine besondere Rolle nehmen in diesem Zusammenhang auch Voicebots ein, da sie helfen, das Anrufaufkommen in Behörden zu verringern. Zusätzlich sind Chatbots auch für die internen Abläufe in der Verwaltung ein Thema, um beispielsweise den technischen Helpdesk zu unterstützen.
Acht Gründe, warum die öffentliche Verwaltung Chatbots nutzen sollte
Chatbots sprechen die Sprache der Menschen
Bürgerinnen und Bürger beherrschen selten das sogenannte Behördendeutsch, sondern drücken sich meistens umgangssprachlich, alltagsorientiert oder gar im Dialekt aus. Chatbots haben das Potenzial, die Sprache der Bürgerinnen und Bürger zu verstehen und komplexe Sachverhalte einfach und verständlich zu formulieren. Dank Künstlicher Intelligenz lernen sie außerdem aus allen Gesprächen und Fragen von Nutzerinnen und Nutzer immer besser, was ihre Anfragen bedeuten und welche Antwort dazu passt.
Chatbots sagen die Wahrheit
Chatbots im Dienst der Verwaltung können ein Mittel gegen Fake News sein, da sie sich nur aus zuverlässigen offiziellen Quellen bedienen („Single Source of Truth“) und die Informationen personalisieren. Bürgerinnen und Bürger wollen Vertrauen zu einer zentralen Quelle aufbauen können, die zudem noch einfach zugänglich und leicht verständlich ist.
Überall zu Hause
Chatbots erreichen einen hohen Anteil von Nutzerinnen und Nutzern in ihren unterschiedlichen Lebenssituationen, da sie in vielen Kommunikationskanälen parallel zu Hause sein können. Immer mehr Endgeräte sind dialogfähig, man denke nur an Siri von Apple auf dem Smartphone oder an Amazons Alexa im heimischen Wohnzimmer.
So hat etwa die World Health Organisation einen Chatbot etablieren können, der über den Messenger WhatsApp Millionen von Nutzerinnen und Nutzer auf ihren Smartphones erreicht. In Lockdown-Zeiten hat die Nutzung von Messenger-Diensten wie WhatsApp um durchschnittlich fünfzigProzent zugenommen. Damit bieten diese Kanäle auch Behörden eine weitere, zunehmend relevante Dialogmöglichkeit mit den Bürgerinnen und Bürgern. Chatbots können auch sprachgesteuerte Kanäle bedienen. So bietet etwa das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege einen so genannten „Alexa-Skill “. Dank ihm kann man Alexa zum Beispiel auffordern: „Alexa, frage Coronavirus Bayern nach den Fallzahlen in München.“2
Hohe Qualitätsstandards durch einen zentralen Dienst
Chatbots bedeuten heute noch einen gewissen Aufwand: Ihre inhaltliche, fachliche Ausgestaltung ist zeitintensiv. Hinzu kommen die weiterführende Pflege und Optimierung des Chatbots. Das erfordert spezialisiertes Personal mit entsprechenden technischen und fachlichen Kenntnissen. Kaum leistbar für einen einzelnen, kleineren Themenbereich in der Verwaltung. Daher ist es wichtig, einen zentralen Dienst zu schaffen. Eine für die Bundesverwaltung verfügbare zentrale On-Premise-Infrastruktur für konversationelle Dienste – also im weitesten Sinne Chatbots – ist bereits heute im ITZBund definiert. Sie schafft die Grundlage für eine umfassende Qualitätssicherung und reduziert inhaltliche und technische Betriebskosten.
Chatbots wissen mehr
Bürgerinnen und Bürger erwarten von einem Chatbot umfassende Informationen zu einem Thema, und zwar über Behördengrenzen hinweg – die sie nicht kennen und die für sie keine Rolle spielen. An dieser Stelle können Chatbots eine thematische Klammer bilden. Es gibt dann nicht den Chatbot des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, sondern beispielsweise den Kfz-Chatbot. Der kennt auch Themen zur An- und Abmeldung eines Autos, zu Verkehrsregeln und zur Kfz-Steuer und kann dann etwa auch in Zukunft die örtliche Zulassungsstelle ausfindig machen.
Abbildung 4: Der COVID-19-Chatbot der WHO |
WAS IST EIN ALEXA-SKILL? Amazon bietet einen Store für sogenannte Skills, die von Drittanbietern erstellt werden können. Skills werden vom Benutzer aktiviert und bieten zusätzliche Funktionen wie das Steuern von Smart-Home-Geräten, Spiele, Nachrichten oder die Kommunikation mit einer Bank.4 |
Chatbots können Informationen aus vielfältigen Quellen zu einem fachlichen Thema vereinen und personifizieren. Damit gehen sie weit über eine behördenspezifische Webseite hinaus und bieten ein umfassendes Informationsmedium.
Chatbots können mehr
Aktuelle Chatbots in der öffentlichen Verwaltung funktionieren heute häufig wie typische Frage-Antwort-Listen (FAQ): Man kann sie zu einem Thema befragen und erhält eine fachlich passende Antwort. Einige Chatbots sind jedoch längst nicht mehr darauf beschränkt. Sie können etwa auf Anfrage direkt die fachlich relevanten Formulare anbieten, vorausfüllen oder für den Nutzer sogar einen Termin bei einer Behörde vereinbaren. Erste technische Lösungen werden bereits im Rahmen des Basisdienstes Chatbot prototypisch entwickelt. Jedoch befinden sich die Entwickler noch am Anfang. Und das hat nicht nur technische Gründe: Das Zusammenspiel aus persönlichem Austausch mit dem Chatbot und der Nutzung gespeicherter Informationen für ein Formular muss in puncto Datenschutz besonders sorgfältig bewertet werden.
Chatbots lernen voneinander
In der Welt der Behörden gibt es viele fachspezifische Inhalte. Daneben existieren aber noch viel mehr grundlegende Informationen, die für Bürgerinnen und Bürger von Bedeutung sind. Dazu gehören etwa die Öffnungszeiten und Standorte örtlicher Behörden sowie Zuständigkeitslisten. Solche übergreifend wichtigen Informationen aufzubauen und gesammelt verfügbar zu machen, ist ein wichtiges Ziel eines zentralen Services. Gleichzeitig werden die Erkenntnisse aus weiteren spezifischen Chatbot-Projekten laufend an den Basisdienst übertragen. So können zukünftige Projekte sie nutzen oder aus ihnen lernen. In Zukunft sollen übergreifende Informationen in jeden individuellen Chatbot einfach integriert werden können und sich autonom aktualisieren, um den projektspezifischen Erstellungsaufwand zu minimieren.
Behörden können von Chatbots lernen
Chatbots sind keine Einbahnstraße der Informationsvermittlung. Sie bieten auch Einblicke in die Interessen ihrer Nutzerinnen und Nutzer, in ihre Fragen und in die Themen, die sie interessieren. Die Dialoge des Chatbots werden ohne Bezug auf ihre Autoren protokolliert und statistisch ausgewertet. Sich verändernde Interessen der Nutzerinnen und Nutzer können somit nachverfolgt und das Informationsangebot durch entsprechende Erweiterungen fortlaufend verbessert werden. So sind auch Auswertungen zu falsch oder unbefriedigend beantworteten Fragen für eine stetige Qualitätsverbesserung des Chatbots wichtig. Chatbots bieten somit einen wichtigen Zugang zu den Interessen ihrer Nutzerinnen und Nutzer, der weit über Zugriffstatistiken von Webseiten hinausgeht.
Was sind die Lehren aus Chatbot-Projekten in der öffentlichen Verwaltung?
Im ersten Jahr, in dem die ersten Prototypen von Chatbots für Bundesbehörden entwickelt wurden und im Testbetrieb liefen, wurden bereits viele Erfahrungen gesammelt. Sie helfen, zukünftige Anforderungen, aber auch typische Probleme bei der Konzeption und beim Einsatz von Chatbots zu identifizieren und zu lösen. Gleichzeitig zeigen sich sowohl neue Herausforderungen, denen sich der Basisdienst Chatbot stellen muss, als auch Möglichkeiten, die es zu nutzen gilt.
Erwartungen managen – Chatbots können nicht alles
Ein äußerst wichtiger Aspekt in einem Chatbot-Projekt ist es, die Erwartungen der beauftragenden Behörde und der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer richtig einzuschätzen und unter Umständen auf sie einzuwirken. Die Behörde erhofft sich natürlich einen möglichst hohen Nutzen von ihrem Chatbot. Am besten soll er Inhalte aus bestehenden Informationsquellen wie Webseiten extrahieren und ohne weiteren Aufwand dauerhaft einsetzbar sein. Bringen die Entwickler dann Themen wie die Wartung und Pflege des Chatbots ins Spiel, müssen sie sensibel vorgehen, da gerade hierfür oft die erforderlichen Ressourcen fehlen. Und dennoch: Die langfristige Entlastung der Behörde durch ihren Chatbot funktioniert nur, wenn er auch gepflegt wird.
Nutzerinnen und Nutzer hingegen erwarten umfassendes Wissen von Chatbots. Sobald sie merken, dass ein Chatbot nichts zu einem Thema sagen kann, setzt Ernüchterung ein. Wenn „er“ dann noch Fragen falsch versteht, wird daraus schnell Ablehnung – der Chatbot wird als dumm empfunden. Dies geschieht auch dann, wenn er redundante Information bereithält, die der Nutzer viel leichter über eine einfache Google-Suche finden könnte. Bevor ein Chatbot-Projekt initiiert wird, sollten die Erwartungen an den Chatbot von allen Seiten klar definiert und erfasst sein. Was erwartet der Auftraggeber, wer gehört zur Zielgruppe, welche Inhalte, welchen Funktionsumfang und welche Reichweite soll der Bot haben? Sind die Informationen des Chatbots eine nützliche Zusatzinformation zu den bereits publizierten Inhalten?
Neben den inhaltlichen Aspekten ist es auch wichtig, projektspezifische Erwartungen zu deckeln. Chatbots entwickeln ihr Sprachverständnis ähnlich wie heranwachsende Menschen. Sie „hören zu“ und lernen aus ihren Fehlern. Dieses Verständnis wird laufend trainiert. Ebenso werden Inhalte immer wieder angepasst und aktualisiert. Es ist daher empfehlenswert, diese Aspekte des zukünftigen Betriebs bereits während der Konzeption mitzudenken, denn sie wirken sich direkt auf den Funktionsumfang aus.
Chatbots brauchen Namen
Nutzerinnen und Nutzer wollen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Sprechen sie mit einer Maschine oder mit einem Menschen? Wie sieht ihr Gegenüber aus? Wie heißt er oder sie? Die Verwendung menschlicher Namen (wie BITZ oder LinA) verleiht Chatbots eine Identität. Ebenso ist die Verwendung von Bildern und Avataren hilfreich (siehe Abbildung 1). Sie schaffen Vertrauen aufseiten der Nutzerinnen und Nutzer. Dennoch ist es bei bei aller Personalisierung wichtig, dass Chatbots immer auch als solche erkennbar bleiben.
Der richtige Ton macht's
Für die Gestaltung der Dialoge benötigt das Chatbot-Redaktionsteam einen Anhaltspunkt, an dem sie sich orientieren können. Das Entwickeln der Dialoge des Chatbots geschieht mithilfe einer Persona, das heißt einer fiktiven Person, die für eine bestimmte Zielgruppe steht. Ähnlich werden auch die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer eine Art Persona in den Chatbot projizieren. Aber nicht nur die Ansprache ist in diesem Zusammenhang wichtig. Auch im Dialog sollten Chatbots relevante und äquivalente Antworten sicherstellen und spannende Unterhaltungen ermöglichen. Während einseitige, starre Dialoge mit falschen und nicht passenden Antworten zu Frustration bei den Nutzerinnen und Nutzern führen, können verschiedene Varianten von Antworten die Akzeptanz erhöhen. Unterhaltsame Aussagen und empathische Antworten verbessern die Wahrnehmung bei (frustrierten) Nutzerinnen und Nutzer, gestalten Unterhaltungen sympathisch und natürlich. Eine kurze Beschreibung des Funktionsumfangs und des Zuständigkeits- oder Themenbereichs des Bots hilft, Nutzererwartungen proaktiv zu gestalten und direkt zu Dialogbeginn mit der Begrüßung transparent zu machen.
Nutzer wollen mehr als nur Information
Durch den Einsatz der ersten Chatbots hat das Projekt festgestellt, dass es für die Nutzerinnen und Nutzer wichtig ist, die Antworten des Chatbots bewerten zu können. Das Ergebnis: Zu lange und zu umfangreiche Antworten in einer zu formellen Sprache werden häufig schlechter bewertet als eine kurze einfache und vor allem treffende Information. Dieses Nutzerfeedback kann die Behörde dazu nutzen, etwa die Informationen auf ihren Webseiten ständig weiter anzureichern.
Chatbots sind und bleiben eine Herausforderung
Als „dumm“ wahrgenommene Chatbots schädigen das Image ihrer Absender im selben Maße, wie schlaue Bots es aufzubauen helfen. Im Vergleich zu einer Webseite werden Chatbots als Persönlichkeiten wahrgenommen und nicht als neutrales Informationsmedium. Das kann im positiven Fall zu einer Identifikation führen, im schlechten aber auch zur Ablehnung. Der Dialog zwischen Mensch und Maschine hat immer auch einen emotionalen Aspekt. Deshalb ist es wichtig, den Chatbot immer auf einem aktuellen Stand zu halten. Zudem ist es wichtig, dass ein Chatbot nicht nur fachliche Informationen bereithält, sondern auch „Small Talk“ mit seinen Nutzerinnen und Nutzer führen kann – zumindest in begrenztem Umfang. Um eben nicht „dumm“ zu wirken und um noch mehr Nutzen zu bieten, entwickeln sich Chatbots immer weiter. Ein Beispiel ist die „Natural Language Generation“. Dieser Begriff bezeichnet neuartige Methoden, die es einem Chatbot ermöglichen, selbst eine KI-gesteuerte Antwort zu formulieren, ohne dass Menschen diese Inhalte im Vorfeld manuell erstellen müssen. Das macht den Chatbot wesentlich flexibler und verleiht ihm mehr Eloquenz. Ebenso haben zukünftige Chatbots eine Art Gedächtnis. Hier speichern sie jeden Kontext und alle Informationen, die ihnen Nutzerinnen und Nutzer anvertrauen, um sie als Grundlage zur besseren Beantwortung weiterer Fragen anderer zurate ziehen können. Dieses Gedächtnis wird auch die Grundlage für Rückfragen bilden, die ein Chatbot den Nutzerinnen und Nutzern stellen kann, wenn ihm zur richtigen Beantwortung einer Frage noch weitere Angaben fehlen.
Auch sind miteinander vernetzte Chatbots, die bei speziellen Fragen der Nutzer an den jeweiligen Experten weiterleiten, ein wichtiges Forschungsfeld, das im Rahmen des Basisdienstes Chatbot angegangen wird. Vernetzte Chatbots greifen zusätzlich auf diverse externe Datenquellen zu, um zum Beispiel Fragen mit Ortsbezug anhand einer Geodatenbank beantworten zu können. Die letzte große Herausforderung bei Chatbots stellt die heute noch kaum genutzte Fähigkeit dar, logische Rückschlüsse aus dem Gespräch mit ihren Nutzern ziehen zu können. Dazu werden Ontologien und Graphen sowie Subjekt-Prädikat-Objekt-Beziehungen genutzt, um mit dem sogenannten „Reasoning“ logische Rückschlüsse ziehen zu können. Ein einfaches Beispiel für solch einen Rückschluss ist, dass eine männliche Person, die Kinder hat, automatisch auch ein Vater ist. So einfach dieser Rückschluss auf den ersten Blick wirkt, ist er doch sehr wirkmächtig im Gesprächskontext eines Chatbots.
Fazit
In der öffentlichen Verwaltung eingesetzt, sind Chatbots Chance und Risiko gleichzeitig. Einerseits können sie deutlich in der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern helfen. Andererseits besteht aus den ausgeführten Gründen die Gefahr, als nicht kompetent genug wahrgenommen zu werden. Wichtig ist es, die Schlüsselfaktoren zu kennen und umzusetzen: passendes Dialogdesign, redaktionelle Pflege und Vermittlung von wirklich relevanter Information im Kontext der Nutzerfragen. Gleichzeitig zeigt sich, dass sich die öffentliche Verwaltung dieses Themas intensiv annimmt, sich den Herausforderungen stellt und über die Zeit eine wichtige und hilfreiche Erweiterung der Bürgerkommunikation etablieren wird. Die ersten Pilotprojekte zeigen bereits heute einen Ausschnitt der Möglichkeiten, die Chatbots zukünftig bieten können. Und sie machen neugierig auf mehr. •
Kontakt Anfragen zum Thema „Basisdienst Chatbots“ bitte an chatbot@itzbund.de richten. |
1 https://id.bund.de/de/eservice/konto (abgerufen am 24.02.2021).
2 Siehe: https://www.stmgp.bayern.de/coronavirus/ (abgerufen am 24.02.2021).
3 https://www.messengerpeople.com/de/corona-whatsapp-chatbot/ (abgerufen am 24.02.2021).
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Amazon_Echo#Skills-Funktionserweiterungen (abgerufen am 24.02.2021).