Zuerst erschienen in der Ausgabe .public 02-2020
von Ralf Michel
Organisationen versuchen ständig, neue Wege zu finden, um die an sie gestellten Herausforderungen in ihrer täglichen Arbeit effektiv und effizient zu lösen. Herausforderungen sind zum Beispiel, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln oder bestehende zu verbessern. In diesem Punkt unterscheidet sich die öffentliche Verwaltung nicht von anderen Branchen. Design Sprints als Methode sind dabei ein nützliches Handwerkszeug, um innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums bestehende Herausforderungen zu identifizieren, Lösungen zu entwerfen und mit der Zielgruppe, das heißt in der öffentlichen Verwaltung meist mit dem Bürger, zu validieren.
Warum Design Sprints?
Heutzutage (in der sogenannten modernen oder auch VUCA1-Welt) reicht es nicht mehr, eine gute Idee zu haben. Es muss vielmehr „die“ gute Idee sein. Design Sprints helfen dabei, viele Ideen zu entwickeln, die gute Idee zu finden und schnell zu erproben. Sie sind eine „von einem Moderator geführte, an bestimmte Zeitvorgaben gebundene feste Abfolge von Übungen, die ein interdisziplinäres Team zur fokussierten Lösung eines Problems mit hoher Geschwindigkeit durchläuft“.2 Der ursprüngliche Ansatz geht von einer Design-Sprint-Dauer von fünf Tagen aus. Aus heutiger Sicht und nach vielen Erfahrungen mit der Durchführung von Design Sprints ist es auch möglich, einen Design Sprint in vier Tagen oder in einem anderen gewählten Zeitrahmen durchzuführen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Design Sprint jeweils sorgfältig im Vorfeld geplant und vorbereitet werden muss.
Wo und wie entstand die Methode der Design Sprints?
Die Design-Sprint-Methode entstand um das Jahr 2010 bei Google Ventures, Googles eigener Risikokapitalgesellschaft. Hintergrund war die Herausforderung, einen kompletten Problemlösungszyklus zusammen mit Start-ups möglichst schnell, in diesem Fall innerhalb einer Woche, durchlaufen zu können. Verschiedene Teams innerhalb Google experimentierten damals schon mit verschiedenen Methoden, unter anderem mit unterschiedlichen Produktentwicklungsprozessen, wie zum Beispiel Scrum, Design Thinking3 und einer Vielzahl von Elementen aus anderen Disziplinen, wie psychologischen und soziologischen Erkenntnissen rund um die Arbeitsweise von erfolgreichen Teams. Die wichtigsten Haupteinflüsse der späteren Design- Sprint-Methode werden im Detail in Abbildung 1 dargestellt. Das Ergebnis von Googles Anstrengung war es schließlich, dass den Teams eine Methode an die Hand gegeben werden konnte, um eindeutig definierte Ziele festzulegen, Annahmen zu validieren und ein Produkt oder eine Lösung in sehr kurzer Zeit auf Eignung zu prüfen, das heißt, bevor die eigentliche Umsetzung beginnt.4
Wie funktionieren Design Sprints?
In die fünf Phasen des Design Sprints startet die ausführende Gruppe mit einer festgelegten Herausforderung. Aus dieser Herausforderung wird das Ziel des Design Sprints abgeleitet. Anschließend werden viele Ideen gesammelt (Stichwort: Kreativität und Divergenz in der Lösungsfindung), um diese in späteren Phasen zu analysieren, zu bewerten und auf einige wenige oder auch nur eine Idee zu verdichten (Stichwort: Konzentration auf eine beziehungsweise wenige Lösungen, die weiter ausgearbeitet werden – Konvergenz). Die in Abbildung 2 beschriebenen Phasen sind für ein erfolgreiches Gelingen eines Design Sprints notwendig. In diesem Artikel werden allerdings nicht nur die fünf bekannten Phasen aus einem Design Sprint mit fünf Tagen Dauer beschrieben, sondern auch die notwendigen Vor- und Nacharbeiten im Umfeld eines Design Sprints.
Die Vorbereitung – Was muss alles vor dem Sprint getan werden?
Bevor der Design Sprint starten kann, muss die passende und relevante Herausforderung festgelegt und das richtige Team mit den entsprechenden Fähigkeiten für die Lösungsfindung zusammengestellt werden. Diese Herausforderung kann am besten mit dem Entscheider herausgearbeitet werden, denn sie ist der Grund, weshalb der Design Sprint durchgeführt wird.
Abbildung 1: Haupteinflüsse der Design-Sprint-Methode
Abbildung 2: Phasen eines fünftägigen Design Sprints
Das Team umfasst idealerweise sieben Mitglieder mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Hintergründen. Erfahrungsgemäß werden die besten Ergebnisse erzielt, wenn das Team fünf Tage ohne Unterbrechung am Design Sprint arbeiten kann. Das bedeutet, dass die einzelnen Experten von ihren täglichen Aufgaben freigestellt sind, um sich auf den Design Sprint konzentrieren zu können. Wichtig ist, dass auch (mindestens) ein Entscheider teilnimmt, da im Design Sprint viele Richtungsweisungen durch ihn getroffen werden müssen. Eine Vertretung des Entscheiders durch eine andere Person sollte aus Erfahrung, aufgrund der potenziell fehlenden Nachhaltigkeit der Entscheidungen, vermieden werden. Der verwendete Raum muss für den Design Sprint mit allem nötigen Equipment, wie zum Beispiel Whiteboards, Flipcharts, Post-its, Stoppuhren, Stiften, Kameras (zur Dokumentation der Ergebnisse), Laptops, Druckern usw., ausgestattet sein. Auch muss schon früh abgestimmt werden, welche Experten an den Lightning Talks am ersten Tag des Sprints teilnehmen können. Die Aufgabe der Lightning Talks ist es, in Phase 1 das schon vorhandene Wissen von innerhalb oder außerhalb der Organisation im Rahmen von kurzen Vorträgen in den Design Sprint einzubringen. Ganz wichtig schon in der Vorbereitung: Man muss sich um die Vertreter der Nutzergruppe, die an Tag 5 des Design Sprints als Interviewpartner zur Verfügung stehen müssen, kümmern. Aus Sicht der Schöpfer der Design- Sprint-Methode sind mindestens fünf Vertreter notwendig, um eine qualifizierte Aussage zur Anwendbarkeit der Lösungsidee zu bekommen. Zu guter Letzt benötigt man für den Workshop einen Moderator, auch „Sprint Master“ oder „Design Sprint Master“ genannt, der die Diskussionen leitet, den jeweiligen Zeitrahmen für die Aufgaben festlegt und die Einhaltung der Design-Sprint-Methode steuert. Der Moderator für den Design Sprint ist in seiner Rolle immer neutral. Er kümmert sich voll und ganz um die Durchführung des Design Sprints. Die Erfahrung zeigt, dass ungefähr zwei bis drei Wochen Vorbereitungszeit eingeplant werden müssen, um einen Design Sprint vorzubereiten, abhängig davon, wie sehr sich die verantwortliche Person neben ihrem Tagesgeschäft auf die Vorbereitung des Design Sprints konzentrieren kann.
Phase 1 - Montag: Das Problem verstehen - Zieldefinition
Aufgabe des ersten Tages (Montag) ist es, ausgehend von der Herausforderung ein Ziel zu definieren, das im Design Sprint, also innerhalb der festgelegten Zeit, erreicht werden soll. Dazu wird zuerst die vom Moderator in der Vorbereitung mit dem Entscheider ausgearbeitete Herausforderung vorgestellt. Im besten Fall macht dies der Entscheider (der meist auch der Auftraggeber des Design Sprints ist) auch selbst. Im nächsten Schritt wird ein Langzeitziel festgelegt. Dazu müssen folgende Fragen beantwortet werden: 1. Wie entwickelt sich das Projekt oder das Produkt über die nächsten sechs bis zwölf Monate (oder auch länger), wenn alles positiv läuft (Optimismus – der sogenannte „Happy Path“)? 2. Welche Annahmen und Risiken können die Zielerreichung beeinflussen (Pessimismus)? Diese Punkte werden zu Fragen, die unter anderem im Verlauf des Design Sprints beantwortet werden sollen. Beide Aufgaben werden von den Teammitgliedern jeweils eigenständig ausgearbeitet, das heißt, jedes Teammitglied legt fest, wie Erfolg und Misserfolg für sie oder ihn aussehen würden und wie es selbst das Langzeitziell formulieren würde. Aus den Vorschlägen der Teammitglieder für das Langzeitziel (Dokumentation für alle sichtbar an einer Wand) wählt das Team eine Formulierung aus. Die Auswahl erfolgt mithilfe von Klebepunkten, das heißt, jeder Teilnehmer der Gruppe hat einen Punkt zu vergeben.
Die Wahl des Teams ist allerdings nicht bindend, denn letztendlich wählt der Entscheider die aus seiner Sicht passende Formulierung aus. Das Langzeitziel wird dem gesamten Team helfen, während des Sprints die Frage nach dem „Warum“ zu beantworten. Im nächsten Schritt wird eine Darstellung der Herausforderung erzeugt. Meist wird hierzu eine Customer-Journey-Map, die das Kundenerlebnis und die Kundenbeziehung beschreibt, verwendet. Eine Customer Journey Map ist eine visuelle Darstellung aller Begegnungen und Interaktionen der Akteure der Zielgruppe mit der Organisation als Ganzes. Anhand dieser Reise der Akteure entlang der Interaktion mit der Organisation lassen sich die weiteren Fragestellungen bearbeiten. Als Nächstes können am ersten Tag des Sprints kurze Expertenbefragungen (maximal 5 bis 15 Minuten), die sogenannten Lightning Talks, stattfinden. Parallel zu den Lightning Talks und danach werden vom Team „Wie-können-wir-Fragen“ erstellt und an einer Wand dokumentiert (inklusive Clustering). „Wie-können-wir- Fragen“ sind Hindernisse, die als Herausforderungen beschrieben sind. Anhand der Antworten auf diese Fragen kann erfasst werden, wie man die Interaktion mit der Zielgruppe verbessern beziehungsweise aufbauen kann. Als letzter Schritt wird das Ziel des Design Sprints festgelegt, indem die für den Sprint relevanten „Wie-können-wir-Fragen“, dokumentiert an einer Wand, ausgewählt werden (zwei Klebepunkte für die Teammitglieder und vier für den Entscheider). Der Entscheider sucht unter Verwendung seiner Klebepunkte die vier „Wie-könnenwir- Fragen“ aus, die er am interessantesten und am wichtigsten findet. Die Beantwortung dieser vier ausgewählten Fragen stellt schlussendlich das Ziel des gesamten Design Sprints dar.
Der erste Tag ist eine der anspruchsvollsten und anstrengendsten Phasen des Design Sprints, da das Team – um den Sprint erfolgreich durchführen zu können – vor der Herausforderung steht, das langfristige Ziel und das Ziel des Design Sprints zum Teil auszuarbeiten und zu verstehen. Der Moderator muss gerade an diesem Tag besonders darauf achten, das Team mitzunehmen und nicht zu überfordern.
Phase 2 – Dienstag: Ideen sammeln
Gute Ideen sind nicht einfach zu finden. Um dies zu schaffen, ist erst einmal eine große Anzahl an Ideen nötig (Divergenz in der Ideenfindung). Der Dienstag steht daher im Zeichen des Ideensammelns. Der Fokus der Teilnehmer ändert sich von „Verstehen“ zu „Lösen“. Dazu arbeitet jedes Gruppenmitglied selbstständig eine eigene Lösungsidee im Detail aus. Um das volle schöpferische Potenzial der Gruppe zu heben, unterstützt sie der Moderator dabei mit unterschiedlichen Kreativitätstechniken. Es ist in der Suche nach Ideen explizit erwünscht, auch über den eigenen Tellerrand hinauszublicken („Wie haben andere das gleiche Problem oder ähnliche Probleme gelöst?“). Am Ende des Tages muss jedes Mitglied des Teams in der Lage sein, seine Idee anhand einer Skizze der Gruppe zu präsentieren. Wie die Präsentation im Detail aussieht, ist jedem Teilnehmer selbst überlassen. Aus der Erfahrung zeigt sich, dass die Skizzierung auf Papier am sinnvollsten ist. Die eigentliche Präsentation der Lösungsideen ist jedoch für den nächsten Tag vorgesehen.
Phase 3 – Mittwoch: Entscheiden
Nun kommt es zur Konvergenz in der Lösungsfindung, das heißt, die Anzahl der potenziellen Lösungsideen wird verringert. Am Mittwoch werden dazu alle Lösungen besprochen und in der Gruppe bewertet. Generell werden sie in diesem Schritt nicht nach richtig oder falsch bewertet, sondern danach, ob sie mehr oder weniger geeignet sind, einen Weg zu ebnen, um das Problem zu lösen. Nach der Vorstellung der Lösungen wählt der Entscheider aus, welche Lösungsidee oder -ideen (generell sind immer auch mehrere Lösungsideen und Prototypen möglich) weiterhin betrachtet werden sollen. Dabei bezieht er stets auch die Meinung des Teams in die Entscheidung ein. Damit die Entscheidung nicht zu einer langen Diskussion wird, empfiehlt die Design-Sprint-Methode die Verwendung der sogenannten „Sticky Decision“. Das bedeutet, dass alle Lösungsskizzen im Raum sichtbar aufgehängt werden (Skiz- zengalerie). Danach betrachtet jedes Gruppenmitglied die Lösungsskizzen und vergibt ein bis drei Klebepunkte. Durch diese Kleberunde soll die Tendenz erkennbar werden, und die Aufmerksamket der Teammitglieder sich auf die Skizzen mit den meisten Punkten richten (dieses Vorgehen wird im Design-Sprint-Kontext „Heat Map“ genannt). Ist dies abgeschlossen, findet eine dreiminütige (wichtig: Timeboxing durch den Moderator) Auseinandersetzung mit den Lösungsskizzen statt, in der noch offene Fragen des Teams vom Ersteller der jeweiligen Skizze beantwortet werden können. Nachdem alle Lösungsskizzen vorgestellt wurden, muss jedes Gruppenmitglied seine bevorzugte Lösung mit einem Klebepunkt markieren. Das letzte Wort hat wieder der Entscheider. Er legt schlussendlich fest, welche Lösungsskizze als Prototyp ausgearbeitet wird. Der Entscheider erhält für diesen Schrittt drei Klebepunkte: Mit einem wählt er seine favorisierte Lösungsskizze aus. Mit den beiden anderen kann er zusätzliche Features aus den verworfenen Lösungsskizzen hinzuwählen. In der zweiten Hälfte des Tages wird ein Storyboard für den Prototyp erstellt. Dazu muss sich das Team in die Interviewsituation am letzten Tag hineinversetzen. Das Storyboard an sich ist eine Art Drehbuch, das beschreibt, wie die Abläufe im Rahmen des Prototyps aussehen werden. Meist wird für die Erstellung des Storyboards eine Papierwand mit 15 Kästchen verwendet. Jedes Kästchen beschreibt visuell einen Schritt des Prototyps. Anhand dieses erstellten Storyboards wird dann am folgenden Tag der Prototyp realisiert.
Phase 4 – Donnerstag: Prototyp bauen in einem Tag
In dieser Phase wird der Prototyp für die Lösungsidee gebaut – allerdings kein realer Prototyp, sondern eine Art Simulation (eine sogenannte Fassade) für den Test der Lösungsidee mit der Zielgruppe. Dabei konzentriert man sich zum Beispiel auf das User Interface des Prototyps, mit dem die Zielgruppe interagiert. Es können alle vorhandenen Materialien verwendet und zudem kurzfristig weitere Materialien beschafft werden. Meist wird der Prototyp aus Papier erstellt, aber auch andere Arten sind möglich. Die Erstellung erfolgt gemeinsam im Team, wobei jedes Teammitglied eine Aufgabe übernimmt, zu der es am meisten beitragen kann. Manche Teams sind sogar in der Lage, ein digitales Mock-up (Vorführmodell) als Prototyp zu erstellen. Wichtig sind in dieser Phase wenige teaminterne Überprüfungen, um sicherzustellen, dass die später zu testenden Hypothesen und die vorhandenen offenen Fragen an die Zielgruppe im Blick des Teams bei der Prototyperstellung bleiben.Neben der Prototyperstellung gehört in das Arbeitspaket des Donnerstags auch die Erstellung eines Zeitplans für den Nutzertest mit der Zielgruppe am Freitag und die Erstellung eines Interviewleitfadens. Mit dem Interviewleitfaden soll sichergestellt werden, dass an Tag 5 die relevanten und wichtigen Fragen gestellt werden, um der Problemlösung einen Schritt näher zu kommen.
Phase 5 - Prototyp mit der Zielgruppe überprüfen
Der Freitag ist die Essenz des Design Sprints. Bis zu diesem Tag wurden Lösungsideen entwickelt, eine Idee wurde ausgewählt und ein Prototyp für die Validierung mit der Zielgruppe gebaut. Nun kommen die Vertreter der Zielgruppe ins Spiel. Ziel ist es, den Prototyp ungefähr fünf Vertretern der Nutzergruppe vorzustellen und anschließend die vorbereiteten Feedbackinterviews zu führen. Vorrangig ist dabei, zu erfahren, wie die Zielgruppenvertreter mit dem Prototyp umgehen und welche Reaktionen bei den Interviewten auftreten. Mehrere Vertreter aus der Zielgruppe zu interviewen, erlaubt, Muster in der Nutzung zu erkennen und festzustellen, welche Aspekte des Prototyps die Anforderungen und Erwartungen der Zielgruppe erfüllen und welche Eigenschaften des Prototyps durchfallen. Gleichzeitig kann das Team von den Interviewten Antworten auf seine offenen Fragen aus der Phase der Prototyperstellung erhalten. Am Ende des fünften Tags werden die Erkenntnisse aus den Interviews im Team vorgestellt und beispielsweise per Klebezettel an einer Wand dokumentiert. Die Erkenntnisse können dabei jeweils positiv, negativ oder neutral sein. Bei der Aufnahme der Erkenntnisse ist es die Aufgabe des Moderators, dafür zu sorgen, dass es nicht zu intensiven Diskussionen kommt, die sehr viel Zeit kosten können. Schlussendlich wird der Entscheider befragt, ob das Team mit seiner Lösungsidee und mit seinem Prototyp dabei geholfen hat, die Organisation bei der Beantwortung der anfänglichen Fragestellung weiterzubringen. Eine Dokumentation der Ergebnisse zur weiteren Verwendung in der Organisation ist obligatorisch.
Was geschieht nach dem Design Sprint?
Nach dem Design Sprint ist es essenziell, das Momentum nicht zu verlieren. Denn zu keiner anderen Zeit als nach dem Design Sprint ist das Team enthusiastischer und möchte auch den nächsten Schritt gehen. Das bedeutet, dass das Team die Erwartung hat, die erarbeiteten Ergebnisse aus dem Design Sprint in eine Umsetzung zu übernehmen. Wichtige Aufgabe ist zunächst, die Ergebnisse bei den jeweiligen Stakeholdern in der Organisation oder auch gegebenenfalls außerhalb vorzustellen. Denn bisher sind die Ergebnisse nur der kleinen Gruppe aus dem Design Sprint bekannt. Parallel dazu können weitere Design Sprints durchgeführt werden, um weitere Fragestellungen zu lösen. Schlussendlich muss dann die Umsetzung der Ergebnisse in der Realität, zum Beispiel durch ein Produkt, eine Dienstleistung oder eine Optimierung der bestehenden Verhältnisse, erfolgen.
Design Sprints in der öffentlichen Verwaltung – Wo werden sie heute eingesetzt?
Design Sprints werden heute überall eingesetzt. Sie sind von einer Methode, die nur von Google genutzt wurde, zu einer bekannten und weitverbreiteten Methode zum Finden von Lösungen und Innovationen geworden. Es existieren viele Erfolgsgeschichten aus der Industrie und der öffentlichen Verwaltung, die auch im Internet zu finden sind.5
In der öffentlichen Verwaltung werden Design Sprints häufig im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG)6 eingesetzt. Das OZG verpflichtet Bund und Länder, bis spätestens 2022 ihre Verwaltungsleistungen den Bürgern und Unternehmen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten. Damit soll einerseits der Aufbau eines Bundesportales, inklusive Nutzerkonto als Identifizierungskomponente, umgesetzt werden. Andererseits beinhaltet das Gesetz die Verknüpfung der Verwaltungsportale von Bund und Ländern zu einem Portalverbund, die Bereitstellung von Basisdiensten und IT-Komponenten sowie den vollständigen Ausbau digitaler Verwaltungsleistungen bis Ende 2022.
Für die nutzerfreundliche Digitalisierung von Verwaltungsleistungen werden in den OZG-Themenfeldern7 Design Sprints eingesetzt, um die in einer Gruppe entwickelten Ideen mit den Bürgern in kurzer Zeit zu validieren und damit unter anderem Anforderungen für die IT-technische Umsetzung abzuleiten. Design Sprints wurden zum Beispiel in Sachsen-Anhalt eingesetzt, um im Digitalisierungslabor BAföG eine Vorgehensweise für die BAföG-Antragstellung zu entwickeln. Mithilfe von exemplarischen BAföG-Antragstellern wurden Lösungsideen entwickelt, überprüft und entweder verworfen oder in einem nachfolgenden Schritt weiterentwickelt. In Hessen wurden Design Sprints für die Bearbeitung der Schmerzpunkte der Bürger im Rahmen der Digitalisierung der Verwaltungsleistung „Antrag auf Ersterteilung der Fahrerlaubnis“ eingesetzt. In Berlin wurden Ideen für die Erstellung einer „Digitalen Geburtsurkunde“ gesucht und mit der Zielgruppe überprüft. Ideen für eine Online-Bürgerbeteiligung wurden in Schleswig-Holstein entwickelt und mit Bürgern validiert, und in Sachsen wurden Design Sprints für die Suche nach Lösungen bezüglich der Digitalisierung der Verwaltungsleistung „Verkehrs- und Ordnungswidrigkeiten“ (Bearbeitung von Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr) eingesetzt. Auch außerhalb Deutschlands gibt es positive Erfahrungen und Erfolgsmeldungen bezüglich Design Sprints. Sie werden im Rahmen der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen in Großbritannien (GOV.UK) verwendet (zum Beispiel Ministry of Justice (MoJ), Department for Work and Pensions (DWP)). Auch in Estland haben Design Sprints dazu beigetragen, das Land an die Spitze der Digitalisierung in Europa zu bringen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einsatz von Design Sprints in Digitalisierungs- und Innovationslaboren an vielen Orten positiv aufgenommen wurde und sehr gute Ergebnisse damit erzielt wurden. Sie helfen dabei, Lösungsideen schnell und früh im Innovations- beziehungsweise Digitalisierungsprozess mit den späteren Nutzern, das heißt den Bürgern, zu überprüfen. Die Teilnehmer an den Design Sprints sind von der Methode häufig begeistert und wie die Auftraggeber mit den gemeinsam erarbeiteten Ergebnissen zufrieden.
1 VUCA: V = Volatility/Volatilität, U = Uncerntainty/Unsicherheit, C = Complexity/Komplexität, A = Ambiguity/Mehrdeutigkeit. Das Akronym beschreibt die schwierigen Rahmenbedingungen in der heutigen modernen Welt.
2 Aus: „Das Design Sprint Handbuch“ – J. Noack, J. Diaz, dpunkt.verlag, 2019.
3 .public 01/2017.
4 Internetauftritt von GV zu Design Sprints: https://www.gv.com/sprint/ (aufgerufen im Januar 2020).
5 Darstellung von Erfolgen mit Design Sprints: https://sprintstories.com/ (aufgerufen im Januar 2020).
6 Das Onlinezugangsgesetz: https://www.onlinezugangsgesetz.de/ (aufgerufen im Januar 2020).
7 OZG-Themenfelder: https://www.it-planungsrat.de/DE/ITPlanungsrat/OZG-Umsetzung/Digitalisierungsprogramm/04_DigPro_Themenfeldplanung/DigPro_Themenfeldplanung_ node.html;jsessionid=2F0379409ABC52757D0E8A94EE4F1512.1_cid350 (aufgerufen Januar 2020).