Zuerst erschienen in der Ausgabe .public 04-2019
von Dr. Katrin Ehlers
Die Ergebnisse des eGovernment Monitor 2019
Seit 2011 untersucht der eGovernment MONITOR1 jährlich Bekanntheit, (mobile) Nutzung, Nutzungsbarrieren, Zufriedenheit sowie die Identifikation im Zusammenhang mit digitalen Behördengängen. Die aktuellen Ergebnisse weisen einige kleine Fortschritte auf, die Entwicklung über die Jahre hinweg zeigt aber vor allem: Es ist noch viel zu tun.
45 Prozent der deutschen Onliner haben 2012 bereits E-Government- Angebote genutzt. Jetzt, sieben Jahre später, geben 48 Prozent an, in den letzten zwölf Monaten auf E-Government- Angebote zugegriffen zu haben. In den Jahren dazwischen lagen die Werte mal ein wenig höher, mal ein wenig niedriger. Auch in Österreich und der Schweiz, wo insgesamt E-Government (nach wie vor) eine deutlich größere Rolle spielt (2019: 70 % bzw. 58 %), schwanken die Zahlen von Jahr zu Jahr um wenige Prozent, und ein signifikanter Zuwachs ist über die Jahre nicht auszumachen. Diese Ergebnisse zur Nutzung spiegeln sich in denen zur Zufriedenheit mit den bestehenden Angeboten: Die Zufriedenheit ist 2019 nicht oder nicht wesentlich größer als 2012, mit ein paar Aufs und Abs in den Jahren dazwischen. Dies lässt vor allem eines vermuten: Die E-Government-Angebote sind 2019 – zumindest in Bezug auf die Erwartungen der Verwaltungskunden – nicht umfangreicher und nicht besser als 2012.
Dass Deutschland in Sachen digitale Verwaltung viel (und tendenziell immer mehr) nachzuholen hat, zeigt auch die Vergleichsuntersuchung der EU DESI (Digital Economy and Society Index)2: In der Summe der untersuchten Faktoren Konnektivität, Digitale Bildung, Private Internetnutzung, Einsatz digitaler Technologien in Unternehmen sowie Nutzung von E-Government landet Deutschland 2019 auf Platz 12 (gegenüber Platz 14 2018). In Bezug auf die digitalen Verwaltungsleistungen hingegen erreicht es nur Platz 24 unter den 28 EU-Mitgliedsstaaten. 2018 stand Deutschland noch auf Platz 21. In der Digitalisierung verliert den Anschluss, wer nicht oder nur wenig vorankommt. Die noch immer mangelnde Digitalisierung in der Verwaltung wird immer mehr zum Hindernis für die digitale Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland insgesamt. Das Onlinezugangsgesetz (OZG), das 2017 in Kraft getreten ist und die Bereitstellung eines digitalen Zugangs für Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger zu 575 Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 vorsieht, soll das Blatt nun wenden. Insofern wird die Bilanz des eGovernment MONITOR 2023 (vielleicht) besser ausfallen und eventuell auch das Ranking Deutschlands im EU-Digitalisierungs-Vergleich. In der Zwischenzeit – und im Prozess der OZG-Umsetzung – lohnt es sich, auf ein paar Details zu schauen, die der eGovernment MONITOR 2019 bereithält.
Zwei mögliche Empfehlungen für die OZG-Umsetzung stellt der eGovernment MONITOR bereits in Vor- bzw. Grußwort bereit: Insofern die Nutzung von E-Government-Angeboten wesentlich vom Bildungsstand abhängt, gilt es nicht nur, die Digitalkompetenzen von Bürgerinnen und Bürgern voranzubringen. „Wenn wir staatliche Digitalleistungen allen Menschen zugänglich machen möchten, müssen einfache Sprache, intuitive Bedienung sowie proaktives Hinweisen auf Fristen oder beantragbare Leistungen bei der Ausgestaltung solcher Dienstleistungen ganz selbstverständlicher Bestandteil werden. Neue Technologien, wie z. B. Sprachassistenten können hier künftig leichtere Zugänge ermöglichen“, schreiben Prof. Dr. Helmut Krcmar, Sprecher des Direktoriums, fortiss GmbH, und Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21 und Head of Enterprise Sales, Intel Deutschland GmbH.
Und Klaus Vitt, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, weist auf Folgendes hin: „[…] Bürgerinnen und Bürger [wollen] die Souveränität über ihre Daten behalten [...]. Diesem Ansatz entspricht das Datenschutzcockpit, das im Rahmen des OZG-Themenfelds Querschnittsleistungen entwickelt wird und Bürgerinnen und Bürgern Transparenz über den Datenaustausch zwischen Behörden bieten soll.“ Ansatzpunkte gibt es also mehrere.
Online-Angebote der Verwaltung, die bekannt genug sind, die Abläufe vereinfachen oder deren Nutzung nahezu unumgänglich ist, werden von der Bevölkerung auch angenommen. Das gilt für die Online-Terminvergabe oder die Statusanzeige zur Ausweisbeantragung, das gilt aber auch für die Steuererklärung online, für die der eGovernment MONITOR in diesem Jahr die sogenannte Citizen Journey nachzeichnet. Sowohl am Anfang (Information) als auch am Schluss (Abgabe der Steuererklärung) dieser speziellen Nutzerreise sieht der eGovernment MONITOR Potenzial, die Nutzung des Verwaltungsangebots ELSTER auszubauen. 15 Prozent der befragten steuerpflichtigen Onliner informieren sich bei der Behörde, 8 Prozent lassen sich dort beraten. 33 Prozent erstellen ihre Steuererklärung über ELSTER, und 32 Prozent reichen sie auch online über ELSTER ein.
In der Bewertung zu berücksichtigen sind allerdings noch einige andere Kanäle: Zum einen spielen Steuerberater über den ganzen Prozess eine wesentliche Rolle. Je 23 Prozent nehmen für Information und Beratung eine Steuerberaterin oder einen Steuerberater in Anspruch, 25 Prozent erstellen ihre Steuererklärung nicht selbst, und 17 Prozent reichen sie über Steuerberaterin oder Steuerberater ein. Inwieweit diese Gruppe ebenfalls ELSTER nutzt, kann die Umfrage nicht ermitteln. Zum anderen nutzen viele Steuerpflichtige für die Erstellung (23 %) oder das Online- Einreichen (13 %) eine andere als die Behörden-Software, die eventuell mehr Beratung bietet oder einfacher zu bedienen scheint – die aber letztlich auch auf ELSTER basiert. Selbst wenn also der (vermutlich ebenso digitale) Weg „Steuerberater“ in dieser Citizen Journey unberücksichtigt bleibt, erstellen 56 Prozent ihre Steuererklärung direkt oder indirekt über ELSTER und 45 Prozent reichen sie auch online ein. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis, das zuversichtlich stimmt für andere künftige Onlinedienste der Verwaltung. „[…] ELSTER ist erfolgreich, weil gut gemacht – und Vorbild für neue digitale Angebote für VerwaltungskundInnen“, kommentiert Jürgen Fritsche, Geschäftsleitung Public Sector bei msg systems, im eGovernment MONITOR 2019.
Umgekehrt gibt es auch einige digitale Angebote der Verwaltungen, deren Nutzung das Potenzial bisher nicht ausschöpft. Das gilt beispielsweise für die Möglichkeit, Briefwahlunterlagen oder Führungszeugnisse online zu beantragen oder Kraftfahrzeuge online an-, um und abzumelden. Der eGovernment MONITOR empfiehlt Feedbackbefragungen, Tests zur Nutzerfreundlichkeit oder wissenschaftliche Untersuchungen, um die (Weiter-)Entwicklung und Einführung der Angebote zu begleiten und zu unterstützen.
Aber auch die hinreichende Information über bestehende und neue Möglichkeiten bleibt ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Das gilt nicht zuletzt für eine ganz besondere Schwachstelle in der digitalen Interaktion zwischen Bürgern und Verwaltung: die elektronische Identifizierung. Denn auch der elektronische Personalausweis gehört zu den Aspekten digitaler Verwaltung, die bisher wenig genutzt werden (6 %) – nicht nur, weil es an Vertrauen mangelt, der Mehrwert nicht wahrnehmbar ist oder Anwendungsmöglichkeiten unbekannt sind. Vielen erscheint die Handhabung umständlich. Bis vor Kurzem brauchte es ein Lesegerät. Zum Zeitpunkt der Befragung gab es allerdings bereits eine Alternative dazu: eine App für Android-Smartphones. 17 Prozent der Befragten hätten damit – ausgestattet mit freigeschalteter eID-Funktion und Android-Smartphone – die Möglichkeit, ihren Personalausweis zur Identifizierung bei digitalen Behördengängen zu nutzen (gegenüber nur 7 Prozent, die über ein Lesegerät verfügen). Allerdings wissen knapp zwei Drittel der Befragten davon (bisher) nichts. Inzwischen gibt es übrigens eine App zum elektronischen Personalausweis auch für iOS-Nutzerinnen und -Nutzer. Die Bemühungen um eine möglichst einfache Handhabung der Behördenleistungen sind in jedem Fall richtig und Voraussetzung für einen Ausbau von E-Government. Bürgerinnen und Bürger müssen dann aber auch davon wissen. Und es müssen Verwaltungsleistungen online nutzbar sein, für die der jeweilige Aufwand, wie z. B. Freischaltung eID, Download App usw., angemessen scheint. Anders formuliert: Der Nutzen muss erkennbar sein und die Lasten überwiegen.
Dies ist auch der Befund der Befragung rund um das Once-Only- Prinzip. Es soll als eine Säule der Strategie für den digitalen Binnenmarkt in den EU-Mitgliedstaaten zur Verringerung des Verwaltungsaufwands beitragen. Die Umsetzung hat allerdings insgesamt nur punktuell in wenigen Ländern begonnen und folgt ganz unterschiedlichen Vorstellungen. Once-Only heißt, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Daten den Behörden nur einmal zur Verfügung stellen müssen und nicht bei jedem Behördengang erneut. Welches Potenzial in Once-Only liegt und vor allem wie sich dadurch Behördenhandeln grundsätzlich ändern könnte, scheint in der deutschen Bevölkerung allerdings noch nicht ganz angekommen. Offenbar haben sich die meisten Bürgerinnen und Bürger noch keine abschließende Meinung gebildet: 40 Prozent stehen dem Once-Only-Prinzip neutral gegenüber, immerhin 34 Prozent positiv. In Österreich und der Schweiz fällt die Bewertung jedenfalls positiver aus. Vor allem die Österreicher scheinen verstanden zu haben, dass Once-Only bedeuten kann: Behörden informieren aktiv über Termine (78 % Zustimmung) und Leistungsansprüche (86 % Zustimmung) und zahlen Leistungen aus, ohne dass ein entsprechender Antrag nötig ist (82 % Zustimmung). Österreich ist das einzige der drei Länder, in denen Once-Only bereits Anwendung findet. In allen deutschsprachigen Ländern gleichermaßen, mit Zustimmungswerten über 80 Prozent, vorrangig bewerten die Befragten hingegen die Aspekte einer Once-Only-Umsetzung, die die Datensicherheit und -souveränität betreffen. Und nur noch um 60 Prozent finden es wichtig, dass der Staat finanzielle Leistungen oder Gebühren aktiv einfordert, wenn eine Verpflichtung entsteht. Aus den Ergebnissen des eGovernment MONITOR 2019 lässt sich ableiten, dass Bürgerinnen und Bürger von den E-Government- Angeboten mehr Kenntnisse haben und deren Vorteile für sie klar erkennbar sein müssen. Sonst werden Akzeptanz und Nutzung hinter den Erwartungen zurückbleiben. Diese Erkenntnis sollte bei der Umsetzung des OZG beachtet werden, wenn E-Government die Effizienz des Verwaltungshandelns und die Entwicklung der digitalen Gesellschaft voranbringen soll.
Quellenangaben:
1 https://initiatived21.de/publikationen/egovernment-monitor-2019/(aufgerufen am 23.10.2019).
2 https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/desi(aufgerufen am 23.10.2019).