Auf Kongressen wie auch in kleineren Diskussionsrunden wird man als österreichischer Vertreter von den deutschen Kolleginnen und Kollegen manchmal neidvoll auf den österreichischen Weg im E-Government angesprochen. Was haben wir anders gemacht? Was macht den Unterschied aus?
Zuerst erschienen in der .public Ausgabe 01-2024
von Horst Bratfisch
Vor 20 Jahren hat die Europäische Kommission in ihrer viel beachteten Mitteilung unter dem Titel „Die Rolle elektronischer Behördendienste (E-Government) für die Zukunft Europas“1 den Weg vorgezeichnet: den Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in den öffentlichen Verwaltungen in Verbindung mit organisatorischen Änderungen und der Herausbildung neuer Fähigkeiten. Die Zielsetzung war klar, die öffentlichen Dienste und demokratischen Prozesse zu verbessern und die Gestaltung und Durchführung staatlicher Politik zu erleichtern. Wo stehen wir nun in Österreich zwei Dekaden später und wie geht es uns damit?
E-Government-Gesetz: Fundament und Rahmen
Zentrale Rechtsgrundlage des E-Governments in Österreich ist das am 01.04.2004 in Kraft getretene E-Government-Gesetz (E-GovG)2. Österreich zählt damit zu einem der ersten EU-Mitgliedstaaten, die eine umfassende Regelung zu E-Government verabschiedeten. Gemäß § 1 E-GovG gilt weiterhin die grundsätzliche Wahlfreiheit der Kommunikationsarten für Anliegen an die öffentliche Verwaltung. Die elektronische Kommunikation bleibt damit eine Möglichkeit und kein Zwang, aber das Recht auf elektronische Kommunikation mit Behörden wurde verankert. Die Wichtigkeit des Datenschutzes und der Datensicherheit wird ebenso herausgestrichen. Die wesentlichen Elemente des E-Governments in Österreich sind daher:
- die Funktion E-ID (Elektronischer Identitätsnachweis, ehemals Bürgerkarte) als Identifizierungs- und Authentifizierungsfunktion
- die Stammzahl zur eindeutigen Identifizierung
- die Personenbindung als Bestätigung der eindeutigen Identifikation
- das bereichsspezifische Personenkennzeichen (bPK) zur Wahrung des Datenschutzes
- die Amtssignatur als Nachweis der Herkunft eines Dokumentes
Um zu verstehen, wie E-Government in Österreich funktioniert, tauchen wir in den folgenden Absätzen in die technisch-konzeptionelle Ebene ein.
Abb. 1: Prozess der Stammzahlenregisterbehörde
Die E-ID mit zugehöriger eigener App (ID Austria) dient dem Nachweis der eindeutigen Identität einer Person und der Authentizität in einem E-Government-Verfahren. Um dies auch sicherzustellen, wird von einer eigenen Behörde (Stammzahlenregisterbehörde) im Prozess entsprechend bestätigt, dass der jeweiligen E-ID eine bestimmte Stammzahl zur eindeutigen Identifikation zugeordnet ist. Die Abbildung 1 zeigt dies entsprechend.
Zur Wahrung des Datenschutzes wird die Stammzahl natürlicher Personen von Behörden nicht gespeichert. Natürliche Personen dürfen von Behörden nur über bereichsspezifische Personenkennzeichen (bPK) identifiziert werden. Diese werden aus der Stammzahl der betroffenen Person abgeleitet. Die Ableitung ist nicht rückführbar und nicht umkehrbar. Ein bereichsspezifisches Personenkennzeichen gilt nur für den jeweiligen Tätigkeitsbereich (aktuell gibt es 34 unterschiedliche Verwaltungsbereiche) der betroffenen Behörde, in den das angestoßene Verfahren fällt. Ein bPK aus einem anderen Bereich wird nur in verschlüsselter Form verwendet.
Es mag auf den ersten Blick etwas technisch und kompliziert wirken, aber diese zwei Elemente (Stammzahl und Personenbindung sowie das bPK) sind die wesentlichen Komponenten im österreichischen E-Government. So wie ein französischer Koch mit Butter arbeitet, sind dies die Basiszutaten für die Services und Produkte des österreichischen E-Governments. Nun gut, werden Sie sich sagen, aber nur mit Butter allein entstehen die fünf Grundsaucen der französischen Küche nicht, es braucht doch noch mehr Zutaten für eine „gute Speise“ wie die voll digitale Ummeldung oder einen Strafregisterauszug (Führungszeugnis) in Sekunden in einem vollautomatisierten Prozess.
E=mc2 – Erfolg gelingt nur gemeinsam
Erfolg = methodology * collaboration * competence
Die berühmte Weltformel von Albert Einstein kann auf die gewählte Vorgangsweise im österreichischen E-Government umgelegt werden. Es war von Beginn an klar, dass angesichts der vielen Fragen in einer immer vernetzteren Welt nur ein gebietskörperschaftsübergreifender und methodischer Ansatz auf Augenhöhe zum Erfolg führen wird. Es war wichtig, dass beide Seiten (bundesstaatliche und föderale Struktur) aufeinander zugehen, voneinander lernen und vertrauensvoll miteinander umgehen. Daher wurde neben dem bundesstaatlichen auch ein föderaler Zugang gewählt. Das Governance-Modell sah somit eine aktive Rolle der Gemeinden, Städte und Bundesländer nicht nur bei der inhaltlichen Konzeption, sondern auch bei der infrastrukturellen Umsetzung vor – Bund-Länder-Städte-Gemeinden (BLSG). Diese eigens geschaffene Kooperationsform beschäftigte sich detailliert mit Schnittstellenprotokollen, funktionalen Anforderungen, Sicherheitsfragen, Verzeichnisdiensten, Usability-Konzepten und vielem mehr, sodass eine Standardisierung in der Weiterentwicklung aller E-Government- Vorhaben gelang. Der sogenannte Portalverbund, der im Jahr 2002 mit einem eigenen Referenzserver etabliert wurde, garantiert seither Innovationen, aber auch Synergien.
Register als Herz
Das One-Stop-Shop-Prinzip war zu Beginn des vorigen Jahrtausends die zentrale strategische Ausrichtung. Eine einzige virtuelle Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen übernimmt die behördeninterne Zuteilung, koordiniert die Abarbeitung und sorgt schlussendlich für die erforderliche Kommunikation. So wurden zentrale Portale, einschlägige Fachanwendungen und Zustellservices etabliert. Damit diese einzelnen Bausteine miteinander reibungslos funktionieren, ist ein Element von entscheidender Bedeutung: das Bundesregister, das eine eindeutige Zuordnung zu Personen ermöglicht.
Einen wesentlichen Beitrag zum E-Government in Österreich leistet seit damals das Bundesministerium für Inneres mit dem Zentralen Melderegister (ZMR), das 2002 etabliert wurde. Durch Einführung des ZMR gelang es Österreich, sämtliche Wohnsitzdaten aller in Österreich gemeldeten Personen zentral und österreichweit verfügbar zu speichern. Die Verwaltung der Meldedaten obliegt den 2.179 Städten und Gemeinden Österreichs. Durch die zentrale Datenhaltung sind sämtliche Änderungen online verfügbar und auch bis auf begründete Ausnahmen online einsehbar.
Das ZMR bildet mit seinen funktionalen Nebenregistern den Ausgangspunkt des E-Governments. Nun wird auch klar, was es mit der bereits erwähnten ZMR-Zahl auf sich hat.
Es liegt auf der Hand, dass faktenbasierte Politik sowie diverse Datenerfordernisse auf nationaler, europäischer wie auch auf internationaler Ebene sukzessive zu weiteren Registern führten. Entscheidender Punkt dabei war, dass die gewählte Architektur und Systematik eine Verbindung untereinander (bPK-Ausstattung) vorsahen. Damit sollte sichergestellt werden, dass Daten der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen nicht jedes Mal neu erhoben werden müssen und Änderungen möglichst rasch durchgeführt werden können.
Aktuell halten wir 129 digitale Register aus den unterschiedlichen Verwaltungsbereichen (Finanzen und Förderungen, Umwelt und Landwirtschaft, Wirtschaft und Unternehmen, Bildung und Wissenschaft etc.), die es noch besser miteinander zu vernetzen gilt und für die Wissenschaft (Stichwort Registerforschung) nutzbar zu machen. Dies soll mit dem Register- und Systemverbund (kurz RSV) gelingen.
Mit der Novelle des E-Government-Gesetzes im Jahr 2017 wurde die Basis für die Bereitstellung der Daten aus den unterschiedlichen Registern gelegt. Die angestrebte Weiterentwicklung sollte dem Beispiel Estlands folgen und eine Möglichkeit bieten, eine technische Infrastruktur zu schaffen, die flexible Abfragen aus unterschiedlichen Registern ermöglicht und zusätzlich standardisierte Prozesse für die Eintragung und Aktualisierung der Daten unterstützt.
Der RSV oder Digital Austria Data Exchange (dadeX)3 war geboren. Diese Datendrehscheibe unterstützt das Once-Only-Prinzip und ist in den sogenannten Portalverbund vollständig integriert.
Abb. 2: Der Register- und Systemverbund – auch Digital Austria Data Exchange oder kurz dadeX genannt – ist eine zentrale, hochverfügbare Plattform, die als Datendrehscheibe fungiert.
Daten der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen
War es am Anfang wichtig, die Daten oder Attribute, die sich in den Registern befanden, zur Verbesserung der öffentlichen Services und demokratischen Prozesse einzusetzen, erfolgte mit den aufkommenden Diskussionen um die eIDAS-Verordnung4 (electronic IDentification, Authentication and trust Services) und der wachsenden Zahl an mobilen Endgeräten in der Bevölkerung eine Änderung im Anspruchsdenken. „Warum muss ich eine Kopie meines Ausweises oder einen Ausdruck meines Meldezettels jedes Mal mitnehmen, wenn ich zur Bank, zur Post oder einer anderen Einrichtung gehe?“
Abb. 3: Verwendung des digitalen Führerscheins
Abb. 4 Erklärung der Funktionen der App
Diesen Fragen stellte man sich konsequent und die ID Austria ermöglicht es heute, Attribute aus den staatlichen Registern für Geschäftsprozesse zu erlangen. Eine Erweiterung der „staatlichen Garantie“ setzt die aktive Zustimmung der jeweiligen Bürgerin, des jeweiligen Bürgers voraus und ermöglicht eine Vielzahl an neuen E-Government-Services.
Der mobile Führerschein („Führerschein am Handy“, siehe Abbildung 5) zeigt deutlich das Zusammenspiel sämtlicher Komponenten.
Abb. 5: Digitaler Führerschein
Als nächste Ausbaustufen sind der mobile Personalausweis sowie Schwerpunkte im Gesundheitsbereich geplant.
Der strategische Weg im österreichischen E-Government ist an den Ergebnissen des Digital Economy and Society Index (DESI) ablesbar.5 Österreich belegte im letzten veröffentlichten Bericht 2022 wieder eine Top-10-Platzierung. Vergleicht man die beiden Länder Österreich und Deutschland, so ergibt sich ein durchaus interessantes Bild:
Abb. 6: Vergleich Österreich/Deutschland/EU-Durchschnitt im DESI, je höher die Zahl, desto besser.
Den Nachteil im Bereich der (Breitband-)Konnektivität – diese Kategorie hat sich in den vergangenen drei Jahren sukzessive verbessert – kann Österreich vor allem durch die Faktoren digitale Bildung und digitale Nutzung (KMU wie auch E-Government) ausgleichen.
Wenn Sie mich jetzt fragen, wo wir stehen, so zitiere ich abschließend den österreichischen Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation Florian Tursky:
"Was ist die ID Austria? Zentrale staatliche digitale Identität, eine sichere digitale Online-Identifikation, sichere digitale Ausweisleistungen und die sichere Nutzung digitaler Services und Geschäftsmöglichkeiten. Bereits über 200 Anwendungen, vorwiegend im E-Government-Bereich, nutzen die Leistungen der ID Austria. In Zukunft werden auch Unternehmen von den zahlreichen Einsatzmöglichkeiten der ID Austria profitieren. Sie ist außerdem die erste mobile eID auf EU-Ebene, bei der das eIDAS-Sicherheitsniveau ‚hoch‘ vorbehaltslos akzeptiert wurde.“
Quellen
1 Europäische Kommission: Die Rolle elektronischer Behördendienste (E-Government) für die Zukunft Europas (SEK(2003) 1038), eur-lex.europa.eu (abgerufen am 25.08.2023).
2 Rechtsinformationssystem des Bundes: E-Government-Gesetz, bka.gv.at (abgerufen am 28.09.2023).
3 Bundesrechenzentrum: Register und Systemverbund (dadeX), www.brz.gv.at (abgerufen am 29.9.2023).
4 eIDAS: The Ecosystem, www.eid.as (abgerufen am 29.9.2023).
5 Europäische Kommission: Gestaltung der digitalen Zukunft Europas, ec.europa.eu (abgerufen am 25.08.2023).