Die Koordinierungsstelle Klimaneutrale Bundesverwaltung (KKB) im fachlichen und politischen Dialog zur Lösung einer komplexen Aufgabe
Zuerst erschienen in der public Ausgabe 01-2023
von Dr. Kerstin Röhling und Ruth Geibel1
Mit dem Klimaschutzprogramm 2030 hat sich die Bundesregierung ehrgeizige Ziele zur Treibhausgas-Reduktion in Deutschland gesetzt. Teil des Programms ist die klimaneutrale Bundesverwaltung bis 2030. Diese Zielstellung wurde im November 2019 im Klimaschutzgesetz (KSG) gesetzlich festgeschrieben (§ 15 KSG).2
Das Klimaschutzgesetz und das Klimaschutzprogramm 2030 benennen die Vorbildfunktion der Bundesverwaltung auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die Anfang 2020 auf Beschluss des Staatssekretärsausschusses Nachhaltigkeit eingerichtete „Koordinierungsstelle Klimaneutrale Bundesverwaltung“ (KKB) steuert und begleitet diesen Transformationsprozess für die Bundesverwaltung. Sie erarbeitet dafür ein beschlussfähiges Maßnahmenpaket, das konkrete und erforderliche Vorgaben für die Bundesbehörden zur Klimaneutralität enthalten wird. Wesentlicher Bestandteil ist die erste Klimabilanz der unmittelbaren Bundesverwaltung. Beginnend mit den Daten aus dem Jahr 2021 wird sie zukünftig jährlich von der Koordinierungsstelle erstellt.3
Wirksame Klimamaßnahmen in relevanten Handlungsfeldern
Um relevante Emissionsquellen in der Bundesverwaltung zu identifizieren und die Emissionen zukünftig zu reduzieren, wurden die Handlungsfelder Beschaffung, Kantinenbetrieb, Liegenschaften, Mobilität und Veranstaltungen definiert. Für alle Handlungsfelder gilt, Emissionen so weit wie möglich zu vermeiden oder zu reduzieren. Für nicht vermeidbare Emissionen werden Kompensationsvorschläge erarbeitet. Für die verschiedenen Handlungsfelder sind die jeweils zuständigen Ressorts verantwortlich. Für die beiden wichtigen Handlungsfelder Liegenschaften und Mobilität ist die KKB federführend. Aktuell werden circa 4.500 bundesweite Liegenschaften und circa 43.000 Dienstfahrzeuge unter die Klimaneutralitätslupe genommen. Andere Ressorts wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) überprüfen den Betrieb von etwa 110 Kantinen, das Bundespresseamt ist federführend für Veranstaltungen.
Die Bereiche Liegenschaften und Mobilität sind weitreichende Themenfelder, da beispielsweise Zukäufe von Fahrzeugen oder Neuanmietungen beziehungsweise Umzüge von Verwaltungen kontinuierlich für das Monitoring mitgedacht und eingepflegt werden müssen. Liegenschaften sind durch ihren Energieverbrauch wesentlicher Verursacher von Treibhausgasen, können durch installierte Photovoltaikanlagen aber auch Energie bereitstellen. Auch das Handlungsfeld Mobilität ist breitgefächert und reicht von der Fuhrparkorganisation und -ausstattung über Dienstreisen bis hin zur Gestaltung des Arbeitsweges von Mitarbeitenden. In dem von der KKB zu entwickelnden Maßnahmenpaket sollen emissionsärmere Alternativen ausgearbeitet werden.
"Als Leiterin der KKB bin ich auch Vorbild. Das bedeutet: Wie komme ich zur Arbeit? Wie konsumiere ich? Wie und wohin reise ich? Diese Verantwortung habe ich in meiner Funktion, aber auch als Mutter. Ich möchte einen möglichst geringen CO2-Fußabdruck hinterlassen, auch für die nachfolgenden Generationen."
Dr. Kerstin Röhling
Die erste Klimabilanz der Bundesverwaltung
Die erste Klimabilanz, die derzeit mit Daten aus 2021 und anschließend jährlich von der KKB für das Vorjahr erstellt wird, dient der Bestandsaufnahme und als Grundlage für die zu erarbeitenden Klimaschutzmaßnahmen. Fast 130 bundesweite Institutionen waren angehalten, innerhalb einer vierwöchigen Frist in umfangreichen Fragebögen ihre Klimadaten festzuhalten. Es geht um Verbrauchsdaten für zum Beispiel Strom oder Wärme, aber auch um Angaben zum Fuhrpark. Die Herausforderung liegt darin, valide Daten zu erfassen und die große Diversität der Institutionen abzudecken. Zusätzliche Herausforderungen bei der jährlichen Erhebung der Daten sind neue Ressortzuschnitte nach Bundestagswahlen oder die Anmietung neuer Liegenschaften.
Um aufbereitet und im Anschluss ausgewertet werden zu können, müssen die Datenmengen für die Bundesverwaltung handhabbar bleiben. Die KKB orientiert sich hier am sogenannten Greenhouse Gas Protocol, einer privaten, transnationalen Standardreihe zur Bilanzierung von Treibhausgasemissionen.4 In die erste Klimabilanz fließen sogenannte Scope-1-Emissionen (direkte Emissionen), Scope-2-Emissionen (indirekte Emissionen) sowie durch Dienstreisen verursachte Scope-3-Emissionen (indirekte Treibhausgasemissionen aus vor- und nachgelagerten Prozessen) ein.
"Die Klimabilanz 2021 ist für uns die Startbilanz. Dann wissen wir erstmals, wo wir mit den Verbräuchen stehen und müssen uns dann klug überlegen, wie wir diese so reduzieren können, dass wir 2030 Klimaneutralität erreichen – wohlgemerkt mit der Möglichkeit der Kompensation."
Dr. Kerstin Röhling
Die Umsetzung des Maßnahmenpakets
Mit der Einführung von Umweltmanagementsystemen wie dem europäischen System EMAS6 (Eco-Management and Audit Scheme) wurden in allen Behörden sogenannte Umwelt- oder Nachhaltigkeitsbeauftragte etabliert. Dass Klimaneutralität kein Nischenthema mehr ist, sondern politisch von ganz oben unterstützt werden muss, ist nicht nur im BMWK, dem Ministerium, in dem die KKB seit dem Regierungswechsel angesiedelt ist, sondern auch in vielen anderen Ressorts spürbar. Außerdem wurde die KKB umstrukturiert: War die KKB zu Beginn der Zentralabteilung zugeordnet, ist sie in der neuen Legislaturperiode als eigenständiges Referat Teil der neuen Klimaschutzabteilung geworden. Das hat die Sichtbarkeit der Koordinierungsstelle zum Positiven verändert.
Abb. 1: Die Emissionsquelle der Bundesverwaltung5
"Ich habe den Eindruck, dass mit dieser Bundesregierung in den Hausleitungen durchaus ein Mentalitätswechsel stattgefunden hat und die Themen Umweltmanagement und Klimaneutralität deutlich stärker ins Bewusstsein gerückt sind."
Dr. Kerstin Röhling
Synergien schaffen
Um die Herkulesarbeit der Treibhausgas-Reduktion zu bewältigen, braucht es einen intensiven Austausch aller Beteiligten über Ressortgrenzen hinweg, welchen die KKB organisiert. Außerdem kommt der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) eine große Verantwortung zu. Denn die meisten Emissionen entstehen im Liegenschaftsbereich. Seit Gründung der KKB im Jahr 2020 wird unter anderem jeweils zu den verschiedenen Handlungsfeldern in sogenannten Innovationsteams zusammengearbeitet. Im Innovationsteam Mobilität tauscht man sich beispielsweise in Subteams zu Dienstreisen, Arbeitswegen und Fuhrpark, im Handlungsfeld Liegenschaften zu neuen Raumkonzepten oder erneuerbaren Energien aus. Darüber hinaus stehen die verschiedenen Ministerien miteinander im Dialog. Die ressortübergreifenden Besprechungen auch zu Best Practices finden bedarfsabhängig alle zwei bis drei Monate statt.
Die KKB steht auch im ständigen Austausch mit den Ländern, denn häufig lassen sich Ideen und Initiativen aus den Ländern auch auf den Bund übertragen – oder anders herum. Zudem ist es wichtig, dass die Länder über die Planungen des Bundes frühzeitig informiert werden. Der Dialog wird gleichfalls international geführt, denn auch andere Staaten sowie die EU-Kommission haben sich Klimaneutralität auf die Fahnen geschrieben. Hier gilt es, gleichgesinnte Staaten und gemeinsame Strategien zu finden. Die KKB führt den Diskurs daher mit anderen Ländern auf EU-Ebene sowie internationalen Organisationen wie der UN oder OECD und darüber hinaus international vor allem mit den USA und Kanada.
Digitalisierung als Enabler
Die Digitalisierung spielt in vielen der definierten Handlungsfelder eine immer wichtigere Rolle. So wurde im Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit beschlossen, Dienstreisen möglichst durch Videokonferenzen zu ersetzen, eine Entwicklung, die auch durch die Corona-Pandemie beschleunigt wurde. Digitalisierung ermöglicht aber auch eine effizientere Vernetzung mit den Ressorts und mit den Ländern. Gleichwohl begleitet die KKB auch das Thema Green IT, für das die Federführung beim BMUV liegt. Dabei geht es vorrangig um den nachhaltigen Betrieb von Rechenzentren und IT-Infrastruktur. Im Bereich Beschaffung ergänzen sich Digitalisierung und Klimaschutz. Das Maßnahmenprogramm Klimaneutrale Bundesverwaltung wird daher auch berücksichtigen, wie mittels Digitalisierung CO2 eingespart werden kann oder wie höhere Standards, zum Beispiel Qualitätsgütesiegel, zu einer klimafreundlicheren Nutzung von IT beitragen können.
"Wir dürfen nicht vergessen: Auch eine Videokonferenz verursacht CO2 . Eine Telefonkonferenz kann zum Beispiel deutlich CO2-sparender sein."
Dr. Kerstin Röhling
Sofortmaßnahmen als Reaktion
Das geplante Maßnahmenpaket setzt auf langfristige Mittel und Methoden, um Treibhausgase zu reduzieren. Die Erarbeitung der Maßnahmen und deren Umsetzung wird Zeit in Anspruch nehmen. Der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Energiekrise erfordern aber von der öffentlichen Hand schon heute energieeffizienteres Handeln. Die KKB hat frühzeitig reagiert und im Sommer 2022 zehn Sofortmaßnahmen für die gesamte Bundesverwaltung vorgeschlagen, um fossile Energien einzusparen. So gab es die Empfehlungen, komplett auf LED-Beleuchtung umzustellen, die Warmwassernutzung stark einzuschränken oder in bestimmten Bereichen ganz abzustellen.7 Zehn dieser Vorschläge wurden veröffentlicht und über die Staatssekretäre an die anderen Ministerien versendet. Auch nachgeordnete Behörden wurden gebeten, die Umsetzung der Empfehlungen zu prüfen. Ein Teil dieser Vorschläge ist in die Energie-Sicherheitsverordnung übernommen worden, beispielsweise das 19-Grad-Ziel in Büroräumen oder das Nichtbeheizen der Treppenhäuser. Im Herbst 2022, zu Beginn der Heizperiode, hat die KKB weitere Vorschläge entwickelt (das sogenannte Winter-Update), darunter Notfallpläne für den Fall der Fälle wie Homeoffice oder die vollständige Stilllegung von Teilflächen. Nicht jede Idee ist auf jede Liegenschaft übertragbar, denn die Anforderungen sind unterschiedlich. Die Zentralabteilungen der jeweiligen Bundesverwaltungen sind gehalten, die Umsetzbarkeit zu prüfen.
Weitere Informationen unter www.klimaneutraleverwaltung
"Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat auch der öffentlichen Hand und uns, den Bundesverwaltungen, gezeigt, wie verwundbar wir mit dem Bezug fossiler Energieträger wie Gas und Öl sind. Nicht nur Wirtschaft und Bevölkerung müssen hier den Gürtel enger schnallen, die Verbräuche reduzieren und in erneuerbare Energien investieren: Auch auf die Bundesliegenschaften und die Institutionen kommt eine gewaltige Aufgabe zu, die durch den Krieg in der Ukraine noch einmal beschleunigt wurde. Das kann uns nur gelingen, wenn wir alle – KKB, Verwaltung, Beschäftigte und die BImA – gemeinsam an einem Strang ziehen."
Dr. Kerstin Röhling
Quellen
1 Dr. Kerstin Röhling, Referatsleiterin der Koordinierungsstelle Klimaneutrale Bundesverwaltung, im Gespräch mit Ruth Geibel am 11.11.2022.
2 Bundesministerium der Justiz: Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG), www.gesetze-im-internet.de, 2019 (abgerufen am 21.11.2022).
3 BMWK: Die Koordinierungsstelle Klimaneutrale Bundesverwaltung (KKB), www.bmwk.de (abgerufen am 23.11.2022).
4 Greenhouse Gas Protocol: We set the standards to measure and manage emissions, ghgprotocol.org (abgerufen am 21.11.2022).
5 BMWK: Die Koordinierungsstelle Klimaneutrale Bundesverwaltung (KKB), www.bmwk.de (abgerufen am 12.12.2022).
6 Europäisches Umweltmanagementsystem EMAS, www.emas.de (abgerufen am 21.11.2022).
7 BMWK: Klimaneutrale Bundesverwaltung. Sofortmaßnahmen zur Energieeinsparung, www.bmwk.de (abgerufen am 29.11.2022).