Zuerst erschienen in der Ausgabe .public 01-2020
von Werner Achtert
Öffentliche und private Innovationslabore unterstützen die öffentliche Verwaltung auf allen Ebenen bei der Entwicklung zukunftsweisender Lösungen und Dienstleistungsangebote.
Die digitale Transformation stellt Politik und Verwaltung vor die Herausforderung, auf technische und gesellschaftliche Innovationen angemessen zu reagieren und selbst innovativ zu sein. Treiber dafür sind beispielsweise das sich schnell und bisweilen sprunghaft verändernde wirtschaftliche und gesellschaftliche Umfeld und die rasante Entwicklung technischer Möglichkeiten (zum Beispiel Blockchain, KI, IoT). Außerdem der ständige Wandel gesellschaftlicher Wertvorstellungen sowie hohe Erwartungen von Bürgern und Unternehmen (Datenschutz, Forderung nach Teilhabe an Entscheidungsprozessen, bequemer Onlinezugang zu den Diensten der öffentlichen Verwaltung, Transparenz ...) und die Tatsache, dass Wirtschaftsunternehmen neue Produkte und Dienstleistungen anbieten, die gegebenenfalls Förderung oder Regulierung benötigen. Hinzu kommen demografischer Wandel, rechtliche Veränderungen und die Tatsache, dass Verwaltungsprozesse zunehmend ressortund ebenenübergreifend ablaufen – ablaufen müssen.
In diesem Umfeld bekommt Innovation einen immer größeren Stellenwert in Politik und Verwaltung.
Der Gesetzgeber hat die Aufgabe, den regulatorischen Rahmen für die Nutzung von Technologien unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf den einzelnen Bürger, die Gesellschaft und die Wirtschaft zu setzen. So können etwa Technologien gezielt gefördert werden, um wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Ziele zu erreichen. Die Verwaltung hat die Aufgabe, die Vorgaben der Politik effektiv, effizient und unter strikter Einhaltung der rechtlichen Vorschriften umzusetzen.
Die Organisationsstrukturen in Behörden sind auf die rechtskonforme Umsetzung von Gesetzen ausgerichtet und bieten naturgemäß nur begrenzten Spielraum für Experimente und die Evaluierung neuer Ideen. Hierarchische Strukturen, etablierte Abläufe und oftmals ausgeprägtes Silo-Denken erschweren die Veränderung von innen heraus.
Um Freiräume für neue Ideen zu schaffen, wurden in den letzten Jahren verstärkt Innovationslabore auf allen Ebenen der Verwaltung eingerichtet. Die Beispiele reichen von den Verwaltungsrebellen1 auf kommunaler Ebene, der IT-Garage2 auf Landesebene in Bremen bis hin zu Innovationsinitiativen auf Bundesebene wie dem Digital Innovation Team3 des Bundesministeriums des Inneren, für Bau und Heimat (BMI).
Ein ähnlicher Trend lässt sich auch in anderen europäischen Ländern beobachten. So wurde in Großbritannien bereits Ende der 1990er-Jahre mit nesta4 eine Organisation geschaffen, die Innovation im öffentlichen Bereich anstoßen soll. Die meisten dieser Innovationslabore sind durch einige grundlegende Prinzipien geprägt:
- Innovationslabore sind kleine, eigenständige Einheiten außerhalb der zu verändernden Organisation.
- Der Innovationsprozess ist interdisziplinär angelegt mit Einbindung unterschiedlicher Fachrichtungen.
- Innovation erfordert eine kreative Infrastruktur außerhalb der normalen Arbeitsumgebung.
- Die methodischen Ansätze basieren meist auf Design Thinking und agilem Vorgehen.
- Innovation erfordert systemisches Denken über die Grenzen von Behörden und Ressorts hinweg.
- Die direkt Betroffenen und Nutzer sind frühzeitig in den Innovationsprozess eingebunden.
Großzügige Flächen, modernes Ambiente mit Hilfsmitteln wie großflächigen mobilen Whiteboards, Bastelmaterial, Projektionstechnik etc. sind die Grundlage für eine kreative Zusammenarbeit.
- Um mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in kurzer Zeit einen kreativen Prozess durchzuführen und praxistaugliche Lösungen zu entwerfen, werden Methoden wie Design Thinking und Design Sprints, eine von Google entwickelte Methode zur Strukturierung des Innovationsprozesses in fünf Tagen, eingesetzt.
- Der Innovationsprozess wird durch Berater mit langjähriger Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung und entsprechendem fachlichen Verständnis, starker Moderationsfähigkeit, Fähigkeit zur Visualisierung und sicherem Umgang mit Innovationsmethoden und -werkzeugen begleitet und moderiert.
Abbildung 1: Schematische Darstellung des Innovationsmanagements
- Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Innovationsprozess repräsentieren alle relevanten Sichtweisen und Positionen. Typischerweise stammen sie aus verschiedenen Fachgebieten (Juristen, Techniker, Verwaltungswissenschaftler …) sowie verschiedenen Verwaltungsebenen und Ressorts. Da viele Innovationen in der Verwaltung mit der Digitalisierung von Prozessen verbunden sind, wird auch eine repräsentative Auswahl von Nutzern eingebunden.
- Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen möglichst hierarchiefrei über eine Problemstellung diskutieren können und dabei durch gezielten Wechsel der Perspektive unterschiedliche Sichtweisen einnehmen. Denk- und Kommunikationsblockaden, die sich in den etablierten Strukturen einstellen können, können so zugunsten eines vertieften Verständnisses für ein Problem aufgelöst werden.
- Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entwerfen und bewerten Lösungsideen. Um die Praktikabilität neuer Ideen schnell evaluieren zu können, werden innerhalb des Innovationsprozesses geeignete Prototypen in Form von Klick-Dummys oder Anwendungen zur Prüfung der Nutzerschnittstelle entwickelt.
- Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer experimentieren mit diesen Prototypen und evaluieren sie. Dadurch entwickelt sich in kurzer Zeit ein tiefes Verständnis für das Problem und mögliche Lösungsalternativen.
- Der Prozess kann iterativ wiederholt werden, indem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Probleme auf Basis der Erfahrungen mit dem Prototyp neu bewerten und verbesserte Lösungen finden.
Am Ende des Innovationsprozesses steht ein funktionaler Prototyp, der unter Mitwirkung aller relevanten Stakeholder erstellt und bewertet wurde. Auf Basis des Prototyps kann dann die Umsetzung der innovativen Idee in der Praxis beginnen.
1https://verwaltungsrebellen.de/ (abgerufen am 11.02.2020).
2 https://www.senatspressestelle.bremen.de/pressemitteilungen/use-it-as-you-need-it-it-garage-bei-der-senatorin-fuer-finanzen-eroeffnet-317353?asl=bremen02.c.732.de (abgerufen am 11.02.2020).
3 https://www.dit.bund.de (abgerufen am 11.02.2020).
4 https://www.nesta.org.uk (abgerufen am 11.02.2020).
digital.innovation.lab – das Innovationslabor der msg msg bietet mit dem Innovationslabor digital.innovation.lab ein spezielles Format für Innovationsprojekte zur Digitalisierung in Politik und Verwaltung. Zielgruppe für solche Innovationsprojekte sind Ministerien und Behörden des Bundes und der Länder, aber auch Kommunalverwaltungen. Durch iterative Entwicklung und Evaluierung von Prototypen bekommen die Beteiligten sehr schnell Feedback und können innovative Ideen mit wenig Aufwand ausprobieren. Der Schwerpunkt der Innovationsprojekte liegt neben der Gestaltung der Nutzerschnittstelle auch auf der medienbruchfreien Digitalisierung kompletter Verwaltungsabläufe. Das Lab verfügt über speziell ausgestattete Räumlichkeiten, erprobte methodische Konzepte zum Innovationsmanagement, erfahrene Berater zur Begleitung kompletter Innovationsprozesse und Werkzeuge, mit denen Ideen in Prototypen umgesetzt werden können. Sind Sie interessiert? Kontaktieren Sie uns: Werner.Achtert@msg.group |