Zuerst erschienen in der public Ausgabe 03-2021
von Werner Achtert
Die Aufgaben werden nicht weniger – die Ergebnisse der Studie 2021
Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, die Einführung elektronischer Aktenführung und Vorgangsbearbeitung sowie die Verbesserung der Nutzerschnittstellen ihrer Fachverfahren werden die Behörden auf absehbare Zeit massiv beschäftigen. Und mit der Registermodernisierung zeichnet sich bereits die nächste große fachliche und technische Herausforderung ab. Die Konsolidierung und die Harmonisierung der IT-Infrastruktur sind eine zentrale Voraussetzung für die Digitalisierung und eine moderne und im europäischen Vergleich leistungsfähige Verwaltung.
Seit 2015 erstellt und veröffentlicht msg im Abstand von zwei Jahren die Studie „IT-Konsolidierung in der öffentlichen Verwaltung“. Dafür werden einerseits fragebogengestützte Interviews mit Behörden des Bundes, der Länder und großer Kommunen geführt. Andererseits erfolgt dazu ergänzend eine Reihe persönlicher Gespräche mit Führungskräften von Behörden und IT-Dienstleistungszentren sowie mit Vertreterinnen und Vertretern der politischen Verwaltung. Gleichbleibende Fragen erlauben einen Vergleich über die Jahre. Die Studie beleuchtet folgende Themenfelder:
- Worin bestehen jetzt und in den kommenden zwei Jahren wesentliche fachliche, personelle oder IT-technische Herausforderungen für Behörden?
- Welche Dienstleistungen werden für Behörden bereits jetzt durch IT-Dienstleistungszentren erbracht oder werden zukünftig an IT-Dienstleistungszentren ausgelagert?
- Welche Ziele sind mit der Verlagerung in IT-Dienstleistungszentren verbunden, in welchem Umfang konnten diese Ziele bei bereits durchgeführten Verlagerungen erreicht werden und wie zufrieden sind Behörden mit der Leistungserbringung durch die IT-Dienstleistungszentren?
2021 wurden die Antwortmöglichkeiten teilweise erweitert. Einige zusätzliche Fragen beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die IT-Konsolidierung für die Zusammenarbeit zwischen Behörden, IT-Dienstleistungszentren und anderen Partnern. Die Studie 2021 gibt wie auch die drei Bände von 2015, 2017 und 2019 einen Überblick über die Landschaft der IT-Dienstleistungszentren in Deutschland, die Fortschritte der IT-Konsolidierungsvorhaben und die Verlagerung von IT-Aufgaben auf IT-Dienstleistungszentren.
Corona als Beschleuniger und IT-Sicherheit als größte Herausforderung
Mit der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes – das Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen die über 500 Verwaltungsdienste via Internet verfügbar machen soll – entstehen für alle Verwaltungsebenen zahlreiche fachliche und technische Herausforderungen. Diese betreffen vorwiegend die Interaktion mit Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen und die elektronische Verwaltungsarbeit, aber auch die Umsetzung politischer Entscheidungen und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und den IT-Dienstleistungszentren. Vor allem für die Kommunen ist die Bereitstellung innovativer Online-Services und die Integration elektronischer Zugänge zu Fachverfahren eine große Herausforderung.
Viele Behörden aller Verwaltungsebenen haben die digitale Aktenführung entweder bereits eingeführt oder zumindest geplant (siehe Abbildung 1). In den Gesprächen mit den Behördenvertretern und -vertreterinnenwurde wiederholt hervorgehoben, dass für die Verlagerung von Tätigkeiten ins Homeoffice, wie es in der Covid-19-Pandemie notwendig wurde, E-Akte-Lösungen eine wichtige Vorbedingung sind, um auch außerhalb der verwaltungseigenen Büros auf Verwaltungsvorgänge zugreifen zu können. Schon in den vorherigen Studien haben die befragten Behörden IT-Sicherheit und Datenschutz einen hohen Stellenwert beigemessen. 2021 haben diese Themen nochmals an Bedeutung gewonnen. 44 % der Befragten bei Bund, Ländern und Großstädten betrachten IT-Sicherheit als Top-Herausforderung. Die Konsolidierung der IT-Infrastruktur in IT-Dienstleistungszentren ermöglicht nach Ansicht der Mehrheit der Befragten ein höheres Sicherheitsniveau durch Bündelung der technischen und personellen Kapazitäten (siehe Abbildung 2).
Die Coronapandemie hat auch die Verwaltung vor große Herausforderungen gestellt. Viele Behörden waren gezwungen, in kürzester Zeit eine Infrastruktur für mobiles Arbeiten bereitzustellen, um ihre Arbeit fortzuführen: 70 % der Befragten geben an, dass sich die Verfügbarkeit der technischen Voraussetzungen verbessert hat. Der Einsatz neuer Kommunikationsformen aufgrund des mobilen Arbeitens hat sich auf allen Verwaltungsebenen ausgewirkt. Insgesamt sehen 92 % der Befragten diese Veränderung positiv. Die Mehrheit der Befragten sieht positive Effekte der veränderten Formen der Zusammenarbeit auf die Projektarbeit.
Vor allem die oft als nachgeordnete Behörden organisierten IT-Dienstleistungszentren sind nur eingeschränkt flexibel in der Personalpolitik und in Bezug auf langfristige Investitionen. Das könnte eine Ursache für die als unzureichend wahrgenommene Dienstleistungsqualität sein, signalisieren die Gesprächspartner in der Studie. Denn so können IT-Dienstleistungszentren nicht wie privatwirtschaftliche IT-Dienstleister skalieren, auch wenn der Bedarf nach zusätzlichen IT-Dienstleistungen vorhanden ist und ausreichende Haushaltsmittel verfügbar sind. Ein Merkmal der IT der öffentlichen Verwaltung ist die Vielfalt technischer Lösungen, Architekturen und eingesetzter Methoden. Über Jahrzehnte hinweg sind auf allen Ebenen und in allen Ressorts sehr heterogene Systeme entstanden. Bisher wurden im Rahmen einer Betriebskonsolidierung überwiegend die bestehenden Systeme durch die IT-Dienstleistungszentren übernommen. Eine umfassende Standardisierung mit der Neuentwicklung vorhandener Fachverfahren auf einer gemeinsamen technologischen und architektonischen Basis erscheint aufgrund des damit verbundenen hohen Zeitaufwands, der entstehenden Kosten, des laufenden technischen Fortschritts, der Umsetzungsrisiken und des fehlenden politischen Willens kaum umsetzbar. Hohe Effizienzgewinne durch den gemeinsamen Betrieb werden somit kurzfristig nicht zu realisieren sein. Das Onlinezugangsgesetz wirkt mit seinem Anspruch auf einen einheitlichen Zugang für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen da als Brennglas: Die mangelnde Standardisierung der Register und Fachverfahren führt nun zu Schwierigkeiten in der Umsetzung.
Hohe Komplexität, geringe Flexibilität – Die Herausforderungen der IT-Dienstleistungszentren
Die IT-Dienstleistungszentren befinden sich durch den meist gesetzlich geregelten Anschlusszwang in einem Spannungsfeld zwischen den politischen Zielsetzungen der Bundesregierung und der Landesregierungen, den Anforderungen und Erwartungen ihrer Kunden sowie ihren technischen und organisatorischen Möglichkeiten. In vielen Fällen werden die IT-Dienstleistungszentren von einem zuständigen Ressort gesteuert. Andere Ressorts und Behörden nehmen ihre Bedürfnisse in vielen Fällen nicht als ausreichend vertreten wahr und klagen über die intransparente Priorisierung bei der Umsetzung von Vorhaben: Die Mehrheit der befragten Behörden ist auch 2021 mit der Servicequalität ihrer IT-Dienstleistungszentren nicht zufrieden (siehe Abbildung 3).
Die IT-Konsolidierung besteht aus vielen komplexen Transformationsprojekten unter Beteiligung vieler Behörden. Während in der Vergangenheit Entwicklungsund Infrastrukturprojekte überwiegend innerhalb einer Behörde oder eines Ressorts abgewickelt wurden, sind an vielen Konsolidierungsprojekten neben dem zuständigen Dienstleistungszentrum meist mehrere Behörden beteiligt. Damit steigt der Koordinationsaufwand auch über die Grenzen von Ressorts hinweg. Die Komplexität der Projekte steigt überproportional mit der Anzahl der einzubindenden Stakeholder und mit der Anzahl der Schnittstellen zwischen den einzubindenden Systemen. Klassische Projektmanagementmethoden mit sequenzieller Abfolge von Anforderungsbeschreibung, Umsetzung, Test und Einführung stoßen hier an ihre Grenzen. Veränderungen im Projektverlauf lassen sich durch die Vielzahl von Abhängigkeiten nur noch schwer steuern und führen zu hohem Managementaufwand und Projektverzögerungen. Eine neue Herausforderung und zusätzliche Aufgaben für die IT-Dienstleistungszentren hat 2020/21 die Coronakrise mit sich gebracht. Die IT-Dienstleistungszentren mussten in kurzer Zeit die Infrastruktur für ihre eigenen Mitarbeitenden ertüchtigen und ihren Kunden leistungsfähige Systeme zur Verfügung stellen. Auch wenn dies in den meisten Fällen kurzfristig durch pragmatische Lösungen sehr gut gelungen ist, hat die Coronakrise die Bedeutung einer nachhaltigen und systematischen Verbesserung der Resilienz im Krisenfall deutlich gemacht.
Corona hat uns in Richtung Digitalisierung einen gewaltigen Schub gegeben. Wir müssen jetzt noch schneller besser werden.
Axel Hansen, IT-Leiter Rhein-Erft-Kreis
Einheitliche Netzinfrastruktur als Schlüsselherausforderung für die IT-Konsolidierung Bund
Die Netze des Bundes sollen als einheitliche Netzinfrastruktur die Kommunikation zwischen allen Bundesbehörden ermöglichen und sind damit ein wesentliches Element der IT-Konsolidierung Bund. Derzeit jedoch müssen für einen direkten Datenaustausch in vielen Fällen noch aufwendige Freischaltungen zwischen verschiedenen Netzsegmenten vorgenommen werden. Die Umsetzung der Betriebskonsolidierung auf Bundesebene ist damit auch abhängig von den organisatorischen Kapazitäten zur Netzadministration und von der verfügbaren Bandbreite in den Netzen des Bundes. Die für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes nötige Kommunikation zwischen Bund, Ländern und Kommunen verschärft diese Herausforderungen noch, da entsprechend dem IT-Netz-Gesetz auch dieser Datenaustausch über die Netze des Bundes (NdB) oder das Bund-Länder- Kommunen-Verbindungsnetz (NdBVN) erfolgen muss. Zusätzlich sind nach dem Onlinezugangsgesetz sichere Netzübergänge zu gewährleisten, für die entsprechende Basis-, Querschnittsbzw. Infrastrukturdienste bereitzustellen sind. Dies gilt insbesondere bei Datenübertragungen aus dem Internet bzw. aus demilitarisierten Zonen in die NdB oder NdB-VN.
Fazit
Die Studie zeigt, dass sich die IT-Konsolidierung der öffentlichen Verwaltung auf dem richtigen Weg befindet. Um die ambitionierten Ziele innerhalb der angestrebten Termine zu erreichen, sind einige Erfolgsfaktoren ausschlaggebend. Die IT-Dienstleistungszentren benötigen Spielräume für technische Entscheidungen, die Festlegung von Standards und langfristige Investitionen – losgelöst von Einzelprojekten. Zur Steuerung der komplexen Projekte der IT-Konsolidierung müssen die IT-Dienstleistungszentren ihre Kapazität für ein Projektmanagement ausbauen. Die Kundenorientierung muss im Mittelpunkt eines verlässlichen Serviceportfolios stehen. Die aktuelle Studie wurde am 16.11.2021 im Rahmen eines politischen Abends vorgestellt.
Die Studie 2021 ist (wie ihre Vorläufer 2015 bis 2019) online verfügbar und kann auch bestellt werden:
www.msg.group/public-sector/studie
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