Zuerst erschienen in der Ausgabe .public 03-2020
von Anja Haag und Maria Rösch
Die Entwicklung zur Industrie 4.0 geht einher mit der Digitalisierung und einer weitreichenden IT-Unterstützung durch Big Data, künstliche Intelligenz, Internet der Dinge, Globalisierung und Vernetzung der Märkte. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den Anspruch, dass ihre Arbeitszeit mit einer Tätigkeit verbunden ist, die einen Sinn hat, dass eine flexible Arbeitseinbringung möglich ist und dass das eigene Potenzial entfaltet werden kann.
Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambilvalenz (VUCA) und der durch den demografischen Wandel bedingte Fachkräftemangel kennzeichnen die neue Arbeitswelt. Die neuen Arbeits- und Organisationsformen in diesem Zusammenhang werden auch unter den Begriffen „Arbeiten 4.0“ und „New Work“ subsummiert.
Was bedeutet New Work für die öffentliche Verwaltung?
Die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung sehen, wie andere Unternehmen diesen Veränderungen begegnen. Zum Beispiel welche Möglichkeiten des flexiblen Arbeitens an unterschiedlichen Orten es gibt, welcher Austausch untereinander wie gepflegt wird und wie das Verhältnis von Arbeit, Sinn, eigenem Engagement und Interessen sich geändert hat. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen neue Ideen und Arbeitsformen mit in die öffentlichen Verwaltungen, Nachwuchskräfte haben andere Vorstellungen, wie sie gerne mitarbeiten möchten und wie viel sie dafür auch bereit sind zu investieren. Und bestehende (und auch neue) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der öffentlichen Verwaltungen werfen Fragen auf, wie: „Und was verändert sich bei uns?“, „Wieso arbeiten wir nicht anders zusammen?“, „Wieso dauert es so lange zu entscheiden und umzusetzen?“ Der Ärger über eine mangelhafte IT-Ausstattung, starre Entscheidungsstrukturen und nicht wertschätzende Kultur wächst dabei.
Die Ausgangssituation der öffentlichen Verwaltungen mit ihren großen Organisationen, gewachsenen Arbeitsformen, Kommunikations- und Berichtswegen, traditionellen Führungsmechanismen und Hierarchien ist herausfordernd. Der Kern der öffentlichen Verwaltung ist es, im Rahmen der Daseinsvorsorge gesetzliche und freiwillige Aufgaben zu erfüllen und nicht, wirtschaftlichen Erfolg mit Optimierung aller Strukturen zu erzielen. Die Basis ist vielmehr die Gleichbehandlung der Bürgeranliegen durch Standardisierung der Aufgaben, klare Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen öffentlichen Verwaltungen und Verwaltungsebenen sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern. Das heißt, auch Aufgaben, die nicht rentabel sind, müssen durch die öffentliche Verwaltung wahrgenommen und die Leistung angeboten werden. Wirtschaftsunternehmen hingegen können solche Leistungen rationalisieren.
Der Kern von New Work – Eine Vision von Arbeits- und Organisationsmodellen
Eine einheitliche Definition der Begriffe „Arbeiten 4.0“ und „New Work“ ist schwer zu finden. Viele Entwicklungen haben gerade erst begonnen, und die Begrifflichkeiten werden oftmals als eine Art Sammelbegriff für die unterschiedlichsten Themen genommen. Der Philosoph Frithjof Bergmann beschrieb schon in den 1970er Jahren den Wandel der Arbeit von der „klassischen Lohnarbeit und Unterwerfung des Menschen der Arbeit“ zu einer „Arbeit, die man wirklich will“ und einer „Arbeit, die uns dienen soll“. Die Beschreibung von New Work als eine Weiterentwicklung der Frage von Bergmann geht über den Begriff „Arbeiten 4.0“ (als Ableitung von „Industrie 4.0“) hinaus, im weiteren Verlauf wird daher der Begriff New Work verwendet.
Frithjof Bergmann, geboren am 24.12.1930 in Sachsen, wanderte 1949 nach Amerika aus. Er studierte in Princeton Philosophie und promovierte hier mit einer Arbeit über Hegel. Später hatte er einen Lehrstuhl für Philosophie und Anthropologie in Michigan. In den 1980er Jahren beschrieb er seine Thesen zur neuen Arbeit und Vision einer humanen und lebenswerten Zukunft.1
Der Kern von New Work beinhaltet also mehr als nur die Digitalisierung. Gemeint ist eine kontinuierliche und nachhaltige Auseinandersetzung mit den verschiedenen Dimensionen in einer Unternehmung. Dazu gehören Fragestellungen wie:
- Welche Strategie und Ziele sind definiert?
- Welchen Nutzen für den Bürger, internen Kunden und Mitarbeiter haben diese?
- Wie effizient sind Prozesse strukturiert?
- Wie flexibel passen sich diese an neue Aufgaben an?
- Werden Informations- und Vernetzungsstrukturen aufgebaut und gelebt, um das vorhandene Wissen auszuschöpfen?
- Wie erfolgen Zusammenarbeit und Wissensaustausch?
- Wie viel Offenheit, Feedback und Dialog gibt es zwischen den Beschäftigten und den Führungsebenen?
- Wie werden neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter integriert?
- Welchen Status hat eine Führungsebene, und wie wird Selbstverantwortung und -organisation gelebt?
Das Nürnberger Unternehmen humanfy hat die Sozialutopie von Bergmann in seiner New Work Charta weiterentwickelt, die ein ganzheitlicheres Bild davon zeichnet, was New Work alles beinhalten kann und welche Zusammenhänge sich ergeben. Die Charta beinhaltet fünf Prinzipien5, die mit den Rahmenbedingungen in der öffentlichen Verwaltung abgeglichen werden können:
humanfy GmbH ist ein Think Tank, der mit den Gesellschaftern Anja Gstöttner, Markus Väth und Arthur Soballa die Prinzipien zur New Work Charta auf Basis von Bergmanns Thesen entwickelt hat. Dabei vernetzen sie eine große Community aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu dem Thema New Work.3
Abbildung 1: Die fünf Prinzipien der New Work Charta4
Das Prinzip „Freiheit“ (Stichworte der Charta: Experimentierräume, Kultur des Unperfekten, starke Vernetzung)
Das Prinzip Freiheit beinhaltet eine Kulturentwicklung und Offenheit für neue Themen. Diese Offenheit muss in der öffentlichen Verwaltung aktiv gefördert werden. Dafür bieten sich zum einen organisatorisch sogenannte Innovationslabs an, die Möglichkeiten zum Testen und Ausprobieren von neuen Arbeitsweisen bieten, bevor diese zum Beispiel mit einem Multiplikatorenprogramm weiter ausgerollt werden. Für die Kulturentwicklung, den Umgang mit Fehlern und die Vernetzung zwischen allen Strukturen müssen Veränderungsprojekte und -maßnahmen mit dem Ziel der offenen Kommunikation, Feedback, Reflexion und Wertschätzung zwischen allen Ebenen als Instrument eingesetzt werden. Im Arbeitsalltag kann eine erste Annäherung auch mit einzelnen Fragestellungen als Punkt auf jeder Agenda der Teambesprechung erfolgen.
Das Prinzip „Selbstverantwortung“ (Stichworte der Charta: Selbstorganisation, Budget-Autorität, Beteiligungsmodelle)
Beim Prinzip Selbstverantwortung muss, wie eingangs beschrieben, die öffentliche Verwaltung mit ihrer Kernaufgabe „Daseinsvorsorge“ differenziert von Wirtschaftsunternehmen gesehen werden. Mit der Struktur der Aufgabenbewertung nach einschlägigen Tarifverträgen und beamtenrechtlichen Maßstäben sind Aufgaben bereits im Vorfeld teils sehr dezidiert festgelegt. Die Personalentwicklung ist daher gefordert, Arbeitsplatzbeschreibungen ausreichend bewertbar und hinreichend flexibel zu gestalten. So kann die Aufgabenverantwortung und der Gestaltungs- und Handlungsspielraum zu einem gewissen Teil selbstorganisierter wahrgenommen werden. Zudem kann im täglichen Handeln hinterfragt werden, ob die Führungskraft alles entscheiden und jede Aufgabe verteilen muss, wo genau Aufgaben aufgeteilt werden und Mitarbeiter bei Entscheidungen beteiligt werden können. Und auch, wann Führungsrollen verteilt werden können, um die Beschäftigten mehr zu involvieren.
Das Prinzip „Sinn“ (Stichworte der Charta: persönliches Wachstum, dreiteilige Wertschöpfung, sinnhaftes Gestalten)
Mit Aufgaben, die dem Allgemeinwohl dienen, könnte die Frage nach dem Sinn schon beantwortet sein. Die Frage ist, ob jeder Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung das bereits mit Stolz sagen würde. Sinnhaftes Gestalten und Wertschöpfung können bei der öffentlichen Verwaltung allerdings noch weiter hinterfragt werden: „Machen wir die richtigen Aufgaben richtig?“, „Welchen Sinn haben manche Entscheidungswege für den Bürger oder interne Kunden?“ und „Wie effizient und wirtschaftlich gehen wir mit den vorhandenen Ressourcen um?“ Zudem braucht es Weiterentwicklungsmöglichkeiten für die Kompetenzen und Stärken der Beschäftigten. Das ist mit leicht zugänglichen Fortbildungsprogrammen und Anerkennung dieser Zeit als Arbeitszeit, mit Job-Sharing-Modellen in gleichen Eingruppierungs-/ Besoldungsstufen oder mit berufsbegleitenden Entwicklungsprogrammen möglich.
Das Prinzip „Entwicklung“ (Stichworte der Charta: kollektive Lernstrukturen, Selbsterneuerung, kollektive Entscheidungen)
Die Prinzipien der New Work Charta lassen sich nicht isoliert betrachten. Strukturen zum gemeinsamen Lernen gehen mit einer Vernetzung und Offenheit zum Austausch einher, Selbsterneuerung, Aufgabenreflexion, Entscheidungsstrukturen mit der vorher beschriebenen Wertschöpfung und Selbstverantwortung. Der demografische Wandel verändert die Altersstrukturen der Behörden, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen andere Arbeitsweisen und -erfahrungen mit. Um die Entwicklung der Beschäftigten und Lernstrukturen zu fördern, eignen sich bereichsübergreifende Erfahrungsaustausche zu speziellen Themengebieten (sogenannte Community of Practice), gegenseitige Unterstützung mit einem themenoffenen Austausch (wie kollegiale Beratung, Working out Loud) oder bezogen auf das Thema Wissensmanagement ein Mentor-Mentee-Programm, das erfahrene oder ältere Beschäftigte mit neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammenbringt.
Das Prinzip „Soziale Verantwortung“ (Stichworte der Charta: nachhaltiges Wirtschaften, regionales Engagement, ehrbarer Kaufmann)
Im Hinblick auf die soziale Verantwortung wird die öffentliche Verwaltung mit der Daseinsvorsorge bereits vielem gerecht. Nach der Definition der New Work Charta gehört hier auch ein nachhaltiger Umgang mit den eingesetzten Ressourcen – dazu gehört auch die Ressource „Mensch“ – dazu. Für die öffentliche Verwaltung gelten bereits die Grundsätze, die sich größtenteils aus dem Grundgesetz ableiten lassen. Dazu zählen der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der öffentlichen Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG), der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG), der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 GG, Ableitung aus dem Rechtsstaatsprinzip), der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 133 BGB), Prinzip der Wirtschaftlichkeit (Art. 20 GG, § 24 VwVfG) und der Grundsatz des pflichtgemäßen Ermessens (Art. 20 Abs. 3 GG).6 Diese eignen sich, um das Bewusstsein für ein nachhaltiges Wirtschaften auch im Verwaltungskontext weiterzuentwickeln.
Ein Möglicher Lösungsansatz
Im Folgenden wird ein Vorgehensmodell skizziert, das einen einfachen Einstieg mit einem iterativen Transformationsprozess hin zu mehr „New Work“ für Behörden bietet. Es funktioniert innerhalb bestehender Aufbauorganisation, ist unabhängig von bestimmten Technologien und gibt damit einen Anstoß in Richtung Kulturwandel mit vorhandenen Mitteln.
Cynefin-Framework5
Das Cynefin-Framework beschreibt verschiedene Kategorien von Systemen in Abhängigkeit von der Vorhersagbarkeit des Systemverhaltens und ordnet diesen geeignete Vorgehensweisen zu.
Abbildung 2: Der "Probe-Sense-Respond"-Zyklus
Loslegen, ohne die Lösung zu kennen
Auch wenn viele Führungskräfte bereits heute den beschriebenen Handlungsbedarf anerkennen, bleibt doch offen, wie ein „Mehr“ an Freiheit, Selbstverantwortung und Entwicklung im Sinne der New Work Charta gelingen kann. Einige Beispiele wurden in der Beschreibung der Prinzipien gegeben. Was muss genau verändert werden, und durch welche Interventionen kann die Veränderung gelingen? Die Antwort auf beide Fragen ist in sehr hohem Maße vom Verhalten der Mitglieder einer jeden Organisation abhängig.
Das Cynefin-Framework beschreibt verschiedene Kategorien von Problemen, Situationen und Systemen und ordnet diesen geeignete Erklärungen oder Herangehensweisen zu.
Bei der Veränderung komplexer Systeme empfiehlt sich nach dem Cynefin-Framework ein „Emergent-Practice“-Ansatz mit dem Dreiklang von Experimentieren, Wahrnehmen und Reagieren. Diese drei Phasen werden nach der initialen Entwicklung eines gemeinsamen Zukunftsbildes iterativ durchlaufen, bis das gewünschte Ziel erreicht ist.
Transformationsteam aufbauen
Um sicherzustellen, dass die Form des Transformationsprozessesentsprechend dem Vorgehensmodell bis zur Zielerreichung eingehalten wird, ist es sinnvoll, zu Beginn ein Transformationsteam aufzubauen. Das Team sollte aus Vertretern aller wichtiger Stakeholder bestehen und nicht mehr als acht Personen umfassen. Sollten sich im Verlauf der Transformation Inhalte oder Strukturen ändern, so sollte auch die Zusammenstellung des Teams neu reflektiert werden. Im Team wird zu Beginn die Art und Weise festgelegt, wie Kernentscheidungen im Rahmen des Transformationsprozesses getroffen werden, zum Beispiel mithilfe von Delegation-Poker.
Kraftvolles Zukunftsbild entwickeln
Um sich beim Durchlaufen der Phasen nicht zu verlieren, ist es wichtig, sich zu Beginn des Transformationsprozesses mit dessen Zielen auseinanderzusetzen. Was ist der Kern unserer Organisation und was soll sich verändern? Dabei geht es nicht so sehr darum, exakt messbare Ziele festzulegen, sondern vielmehr, initial ein kraftvolles Zukunftsbild zu entwickeln (Prinzip Sinn). Dieses begleitet die Organisation durch die oft anstrengende Zeit der Veränderung und dient in kritischen Entscheidungssituationen der Fokussierung. Ein solches Bild sollte mit einer möglichst großen Anzahl an Organisationsmitgliedern entwickelt werden. Alternativ kann im Rahmen eines Workshops, zum Beispiel auf der Grundlage von verschiedenen Bildmotiven im Transformationsteam, über ein solches Zukunftsbild gesprochen werden. Am Ende des Workshops erfolgt eine Festlegung auf ein gemeinsames Bild. Um das Bild anschließend für jedes Organisationsmitglied erfahrbar zu machen, empfiehlt sich die Übertragung des Zukunftsbildes in Geschichten (Storytelling) oder in Bilder, die über verschiedene Kanäle (Mitarbeiterzeitschrift, Intranet, Plakate etc.) in der Organisation verbreitet werden.
Das zu Beginn des Transformationsprozesses definierte Zukunftsbild sollte regelmäßig reflektiert und gegebenenfalls an veränderte Bedingungen angepasst werden.
Auf Grundlage des Zukunftsbildes gilt es, den notwendigen Veränderungsbedarf zu beschreiben. Was soll „mehr“ werden, was „weniger“? Hier werden Verhaltensweisen beschrieben, die konkret beobachtet werden können, wie zum Beispiel, dass in Meetings niemand zu spät kommt.
Auf ins Arbeitslabor
Bevor zu dem identifizierten Veränderungsbedarf Experimente auf der Arbeitsebene angestoßen werden können, müssen folgende Rahmenbedingungen festgelegt werden:
- Wer initiiert Experimente?
- Wie kann sichergestellt werden, dass die Phase „Wahrnehmen“ durchlaufen wird
- Wie können Reaktionen abgeleitet werden?
Dabei haben sich folgende Rahmenbedingungen als geeignet erwiesen:
- Experimente werden von speziell qualifizierten New-Work- Multiplikatoren in allen Teams der Organisation im Rahmen ihrer täglichen Arbeit initiiert.
- Um die Phase „Wahrnehmung“ nicht zu überspringen, finden regelmäßig Gruppencoachings mit den Multiplikatoren statt, in denen wertneutral über erste Erfahrungen gesprochen wird.
- Empfehlungen für das Umsetzen von Maßnahmen auf der Ebene der Gesamtorganisation werden auf Basis von Retrospektiven abgeleitet.
Phase „Experimentieren“
Experimente finden dann in Bereichen des täglichen Arbeitens statt (zum Beispiel Aufgaben- und Zeitmanagement, Meetingstrukturen, Entscheidungsfindung, Projektorganisation, Wissensmanagement). Wie oben beschrieben, eignet sich für die Durchführung der Experimente der Einsatz von Multiplikatoren. Aus jeder Abteilung darf sich eine bestimmte Anzahl interessierter Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Multiplikator bewerben. Die Teilnahme ist freiwillig, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden in regelmäßigen Abständen in den genannten Themenbereichen im Kontext mit neuen Arbeitsmethoden und New Work geschult. Ziel ist das rasche Anwenden der gelernten Inhalte in der Praxis – mit einer Offenheit sowohl für Erfolg als auch Misserfolg. So kann beispielsweise der erste Schritt die Umgestaltung der Agenda eines Regelmeetings sein. Um überhaupt zum Experimentieren zu kommen, sollte jeder Multiplikator eine Führungskraft als Ansprechpartner erhalten, mit deren Hilfe gemeinsam eventuelle Hindernisse für Experimente aus dem Weg geräumt werden können.
Phase „Wahrnehmen“
Sobald erste Experimente angestoßen werden können, gilt es für die Multiplikatoren, unvoreingenommen in die Phase der Wahrnehmung zu gehen. Hierfür eignet sich ein Gruppencoaching gut. Im geschützten Rahmen kann eine Gruppe von fünf bis acht Multiplikatoren regelmäßig zusammenkommen, um sich über Wahrnehmungen im Rahmen der Experimente auszutauschen. Im Sinne einer kollegialen Fallberatung können hier auch Ratschläge ausgetauscht werden, wie Experimente gut im Team platziert werden können und Schwierigkeiten bei der Rollenfindung besprochen werden.
Phase „Reagieren“
Sind alle Experimente zu einem Themenfeld abgeschlossen, gilt es, auf Basis der Wahrnehmungen konkrete Maßnahmen abzuleiten. Im Rahmen einer Retrospektive kann entschieden werden, welche Arbeitsmethoden sich für eine weitere Umsetzung eignen und welche zunächst einmal nicht weiterverfolgt werden sollten. Die Methoden, die sich für eine weitere Umsetzung eignen, sollten dann im letzten Schritt der ersten Iteration organisationsweit umgesetzt werden. Dies aber auch für einen limitierten Zeitraum, an dessen Ende erneut über Fortsetzung oder Abbruch entschieden wird. Nach Identifikation geeigneter Maßnahmen für eine organisationsweite Umsetzung sollte nach jeder Iteration überprüft werden, ob das Zukunftsbild bereits erreicht wurde oder ob eine weitere Iteration durchlaufen werden sollte.
Fazit
Die Veränderungen der Arbeitswelt Richtung Arbeiten 4.0 und New Work werden auch in der öffentlichen Verwaltung immer stärker wahrgenommen. Die Prinzipien zu New Work können weiterentwickeln sowie den Umgang mit den veränderten Werten und Erwartungen der Mitarbeiter erleichtern. Ergebnisoffen und neugierig lässt es sich mit dem beschriebenen „Emergent-Practice“-Ansatz – einem iterativen Transformationsprozess auf der Basis von Multiplikatoren und Experimenten – auf den Weg zu New Work gehen. •
1 New Work New Culture, Frithjof Bergmann, 2009, Zero Books, Hampshire.
2 https://www.arbeit-und-arbeitsrecht.de/newwork, https://www.arbor-verlag.de/frithjof-bergmann, https://de.wikipedia.org/wiki/Frithjof_Bergmann (abgerufen am 01.12.2020).
3 https://humanfy.de/team (abgerufen am 01.12.2020).
4 https://humanfy.de/new-work-charta/ (abgerufen am 01.12.2020).
5 https://humanfy.de/new-work-charta/ (abgerufen am 01.12.2020).
6 Lehrbrief der Verwaltungsakademie Berlin „Allgemeines Verwaltungsrecht“, 2018 Berlin, abrufbar unter https://www.berlin.de/vak/downloads/lehrbriefe/ (abgerufen am 31.05.2022).