Zuerst erschienen in der public Ausgabe 02-2021
von Daria Albrecht und Jens Brünink
Kompetenzenübergreifende, innovationsorientierte Zusammenarbeit – msg Public Sector und minnosphere unterstützen GIZ bei Insurance 4 Development Ideathon
Dialog fördert die Innovation. Im Insurance 4 Development Ideathon 2021 wurde der Open-Innovation-Ansatz für den strukturierten, zielorientierten Austausch eingesetzt – drei Entwicklungsprojekte profitieren davon.
Der Open-Innovation-Ansatz hilft, durch ein breites Netzwerk von Fachleuten aus unterschiedlichen Fachgebieten neue oder verbesserte Ideen für technisch oder thematisch herausfordernde Projekte in der öffentlichen Verwaltung auszuarbeiten. Dies kann sowohl langfristig durch bestehende Netzwerke als auch punktuell durch Themenveranstaltungen, Brainstormings, Ideathons und ähnliche Events für die Bearbeitung von besonders komplexen Themen erfolgen. Dabei gilt grundsätzlich: Je unterschiedlicher die Expertisen der Teilnehmenden sind, desto frischer und innovativer sind die Ergebnisse der Zusammenarbeit. In seinem Interview für MIT (Massachusetts Institute of Technology) Sloan Review von M.E. Mangelsdorf in 2018 hat Professor Evan Apfelbaum von der University of Boston mehrere Vorteile heterogener Teams aufgezeigt: Sie reichen von weniger „strengen Entscheidungsprozessen“ bis zu „mehr Kreativität“ bei der Ideenausarbeitung. Daher spielt die professionelle, diversifizierte Zusammensetzung eines Netzwerks beziehungsweise eines Teams eine besonders wichtige Rolle.
Auch in der öffentlichen Verwaltung bietet der Open-Innovation- Ansatz die Möglichkeit, durch Netzwerke und maßgeschneiderte Events innovative Projektideen zu generieren und den gesellschaftlichen Herausforderungen mit neuen Technologien und Vorgehensweisen zu begegnen. Der Ideathon der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist ein Beispiel dafür, wie der Open-Innovation-Ansatz bei den aktuellen Herausforderungen punktuell eingesetzt werden kann.
Insurance 4 Development Ideathon 2021
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und InsurLab Germany – unterstützt durch minnosphere und den Public Sector der msg – haben auf Basis von Open Innovation ein innovatives Format „Insurance 4 Development Ideathon“ ausgearbeitet, um durch interdisziplinäre und internationale Projektteams gezielt Lösungsansätze und Konzepte zu den folgenden drei vorgegebenen Entwicklungshilfe-Themen zu erarbeiten:
- Flutversicherung für Indien (Flood insurance product for India)
- KI-basierte Beurteilung von Ansprüchen auf Krankenkostenrückerstattung für Entwicklungsländer weltweit (AI-based Health Claims Adjudication as a Global Good)
- Versicherung für Imkerinnen und Imker in Paraguay (Insurance for Paraguayan Beekeepers)
Alle Themen wurden explizit für die aktuellen Herausforderungen der laufenden Entwicklungshilfe-Projekte der GIZ ausgearbeitet mit dem gemeinsamen Ziel, das Leben von Hunderttausenden Menschen durch innovative digitale Lösungen zu verbessern. Die Herausforderung an dieses (Workshop-)Format war jeweils die präzise und schnelle Ausarbeitung oder präzise Verbesserung eines Prototyps für ein innovatives Versicherungsprodukt in Entwicklungsländern. Dafür sollte die Expertise der GIZ im Bereich Entwicklung, die Erfahrung von Expertinnen und Experten aus der Versicherungsbranche, das Know-how von Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft sowie die Kreativität von Start-ups verknüpft werden.
Eingesetzt wurde die agile Design-Sprint-Methode, die es ermöglicht, in fünf einfachen Schritten zu einem von Anwenderinnen und Anwendern validierten Prototypen zu kommen, ohne Ressourcen in Ideen zu investieren, die entweder nicht funktionsfähig wären oder von Bürgerinnen und Bürgern nicht akzeptiert würden. Unter „Prototyp“ ist damit nicht zwingend ein komplett einsatzbereiter Prototyp gemeint, sondern ein beliebiger Entwurf – Software, App, Vorgehensweise oder Ähnliches –, der als spätere Lösung den Endnutzerinnen und -nutzern einen Mehrwert bietet.
Design Sprint als Digitale Prototyping-Methode in Zeiten von Corona
Es war den Organisatoren des Open Innovation Workshops sehr wichtig, die Ideengenerierung sowie die Ausarbeitung eines Prototyps auch während der Corona-Zeit effektiv zu gestalten und den Teilnehmenden aus unterschiedlichen Ländern und Bereichen ein optimales Arbeitsumfeld anzubieten.
Daher wurde der klassische Ablauf eines Design Sprints für den Ideathon auf eine Dauer von drei Wochen adaptiert und mit den msg-Innovationsmanagementtools Joolia und Conceptboard digital umgesetzt:
1. Die Teilnehmenden haben in kurzen Abständen in Joolia eine neue Design-Sprint-Phase mit speziell ausgearbeiteten Anleitungen erhalten.
2. Sie konnten die neuen Aufgaben flexibel, zeitversetzt und online abschließen, da diese Kreativitätsaufgaben unabhängig von der Zeitzone in die tägliche Arbeit integriert werden konnten.
3. Die Aufgaben für die zeitversetzte Zusammenarbeit wurden so definiert, dass die Ausarbeitung eines Prototyps bereits mit wenigen gemeinsamen Terminen möglich war.
4. Für die Prototyp-Tests sowie für die fachlichen Interviews wurden mehrere Expertinnen und Experten aus den Bereichen Entwicklung, Versicherung, Forschung etc. eingeladen.
5. Die methodische Unterstützung wurde durch externe Moderatorinnen und Moderatoren gewährleistet.
6. Für die Kontrolle von Zwischenergebnissen standen GIZFachleute zur Verfügung.
Abbildung 1: High-Level-Konzept „Remote Design Sprint“
Abbildung 2: Design Sprint in einem digitalen Format (Auszug)
Beispiel-Challange: "AI-based Health Claims Adjudication as a Global Good"
msg Public Sector hat während des Insurance 4 Development Ideathons das bereits bestehende Projekt „AI-based Health Claims Adjudication as a Global Good“ mit einem schon vorhandenen Prototypen mit vorentwickelten KI-Algorithmen betreut. Das Projekt stand – kurz vor der Umsetzung in Entwicklungsländern – vor mehreren Herausforderungen, die während des Ideathons gelöst werden sollten:
- Priorisierung beim Anspruch auf Rückerstattung: In welcher Reihenfolge soll man die Claims bearbeiten, damit das System gleichzeitig als fair und effizient angesehen wird?
- Nicht vorgenommene (non-biased) Algorithmen: Künstliche Intelligenz lernt auf Basis vorhandener, von Menschen bereitgestellter Daten, wie Entscheidungen getroffen werden sollen. Doch wie bereitet man diese Daten auf, damit sie stets objektiv (das heißt, nicht von den persönlichen Vorlieben einzelner Nutzerinnen und Nutzer beeinflusst) sind und sich nicht an diskriminierenden Faktoren wie Vorerkrankungen, Arbeitslosigkeit, geografischer Kontext oder Ähnlichem orientieren, die die Entscheidungsfindung subjektiv beeinflussen können?
- Nutzerakzeptanz: Welche Faktoren sind wichtig, damit die Endnutzer, Krankenhäuser, Versicherungen und die öffentliche Verwaltung in Entwicklungsländern einer künstlichen Intelligenz die Entscheidungen über Genehmigung/Ablehnung von Claims zutrauen?
Abbildung 3: Ausarbeitung einzelner Fragestellungen im Challenge „AI-based Health Claims Adjudication as a Global Good“
Die Aufteilung dieser Challenges in kleinere, realisierbare Aufgaben hat die Zusammenarbeit von Teilnehmenden aller Hintergründe ermöglicht und dadurch zu besseren Resultaten im Design Sprint geführt. Die Resultate der Challenge haben bei der finalen Online-Ergebnispräsentation am 5. Mai 2021 von der Jury, bestehend aus Fachleuten von Swiss-Re, InsurLab Germany und GIZ, ein sehr positives Feedback bekommen und werden nun in globalen Entwicklungsprojekten der GIZ weiterentwickelt.
Online-Format für Design Sprint in der öffentlichen Verwaltung: Lessons learned
Eine besondere Herausforderung bei diesem innovativen Format war, das richtige Verhältnis und den passenden Umfang der selbstständigen Arbeit einerseits und moderierter Workshops für die drei Sprintwochen andererseits zu ermitteln. Diese Faktoren waren in allen Teams unterschiedlich: Die Teilnehmenden der weniger technischen Challenges hatten mehr Interesse an selbstständiger Arbeit, während die Fachleute mit eher technischem Hintergrund strukturierte Online-Präsenzworkshops bevorzugten. Die methodische Flexibilität ist in solchen Formaten eine Grundvoraussetzung und die professionelle und frühzeitige Anpassung der Schlüssel zum Erfolg eines Online- Design-Sprints.
Letztlich haben alle drei interdisziplinär und international aufgestellten Teams Prototypen ausgearbeitet, die nun von GIZ-Fachleuten getestet und eingesetzt werden. Das neue Format, das eine Mischung aus moderierten Workshops, Experteninterviews, selbstständiger kreativer Arbeit im Team und zeitversetzter Arbeit sowie strukturierten Prototyping- und Test-Workshops anbietet, hat sich bewährt und wird nun auch in anderen Kontexten der öffentlichen Verwaltung angeboten werden.
msg Public Sector plant und steuert unter anderem strategische Programme der politischen Verwaltung zur Digitalisierung und unterstützt die öffentliche Verwaltung beim Auf- und Ausbau von Innovationsökosystemen, bei der Etablierung von Innovationsprojekten und der Integration von passenden Prozessen und Werkzeugen. minnosphere als Teil der msg Gruppe bietet eine umfangreiche interdisziplinäre Beratung zu Innovationsprozessen von der Ideenentwicklung bis zur Transformation in neue Projekte und mit maßgeschneiderten Workshops und Best Practices aus mehreren Branchen.