Wie Managementsysteme auf dem Weg zu einer nachhaltigen Organisation unterstützen
Zuerst erschienen in der public Ausgabe 01/2023
von Kristina Pfaff
Was ist ein Managementsystem?
Ein Managementsystem beschreibt auf Basis von schriftlich formulierten Regelwerken eine standardisierte Vorgehensweise, um ein bestimmtes, messbares und überprüfbares Ziel innerhalb einer Organisation zu verfolgen. Ein integriertes Konzept von Steuerung und Führung soll sicherstellen, dass kontinuierliche, quantitativ oder qualitativ messbare Verbesserungen der Arbeitsabläufe von Organisationen stattfinden. In einem vernetzten Wirtschaftssystem haben Managementsysteme darüber hinaus eine Kontrollfunktion: Zertifizierungen, die die Implementierung eines oder mehrerer Managementsysteme durch externe Begutachtung bestätigen, zeugen von einem systematischen und nach erprobten Grundsätzen erfolgenden Handeln der Organisation. Zertifizierungen als Kriterien für die Wahl von Lieferanten und Geschäftspartnern heranzuziehen, mindert etwa das ökonomische Risiko von Geschäftsbeziehungen.
Prinzipiell hat jedes Managementsystem bestimmte inhaltliche Schwerpunkte – das wohl bekannteste sind die sogenannten Qualitätsmanagementsysteme. Sie steuern die Optimierung derjenigen Prozesse, die mit der Qualität der Produkte oder Dienstleistungen einer Organisation verbunden sind. Daneben finden auch zum Beispiel Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Informationssicherheit oder Energiemanagement ihre Entsprechung in ihren jeweiligen Managementsystemen. Infolge der internationalen Standardisierung, insbesondere der Normen der International Organization for Standardization (ISO)1 , sind Managementsysteme zunehmend modular aufgebaut und können um die jeweiligen Themenschwerpunkte ergänzt werden: Durch eine aufeinander abgestimmte, ähnliche Struktur, die sogenannte „high-level-structure“, und die Verwendung identischer Begriffe fügen sich die ISO-normierten Managementsysteme wie Puzzleteile ineinander und bilden als sogenannte integrierte Managementsysteme einen umfassenden und multiperspektivischen Blick auf eine Organisation (siehe Abbildung 1).
Abb. 1: Das integrierte Managementsystem ISO (Quelle: TÜV Süd)
Die Bedeutung nachhaltigkeitszentrierter Managementsysteme und die Anforderungen an „gute“ Organisationsführung unterliegen ständigem Wandel, werden auf Basis gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Trends und Tendenzen immer wieder neu verhandelt und geschärft. Die Schwerpunkte von Managementsystemen spiegeln diese Trends und Tendenzen wider. Dass insbesondere globale Megatrends wie die Begrenzung des Klimawandels und der Umgang mit seinen Folgen auch Einfluss auf die Führungs- und Steuerungspraxis von Organisationen haben, ist naheliegend. Und so spielen auch nachhaltigkeitsorientierte Managementsysteme eine zunehmend wichtigere Rolle. Standen seit den 1980er Jahren insbesondere umweltbezogene Auswirkungen der produzierenden Industrie im Zentrum der Aufmerksamkeit, wird die Zielsetzung nachhaltiger Managementsysteme sukzessive auch um klimapolitische und soziale Aspekte erweitert und von Organisationen wie Dienstleistungsunternehmen, Behörden oder Verbänden aufgegriffen.
Diese Managementsysteme zielen auf eine Organisationspraxis, die Ressourcen schont, Treibhausgasemissionen reduziert oder sogar ganz vermeidet, Transportwege verkürzt, den kompletten Lebenszyklus des eigenen Produkts oder der eigenen Dienstleistung im Auge behält (inkl. des Recyclings oder der Entsorgung) und dabei auch die Zufriedenheit und Identifikation von Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitenden mit der Organisation fördert.
Abb. 2: Drei-Säulen-Modell und Vorrangmodell der Nachhaltigkeit („triple bottom line“) (Quelle: Wikipedia)
Nicht zuletzt in Anbetracht eines sich abzeichnenden Fachkräftemangels spielen Nachhaltigkeitsaspekte eine wichtige Rolle, denn sie erhöhen die Attraktivität eines Arbeitgebers und verbessern seine Position bei der Suche nach neuen, häufig ökologisch interessierten Talenten. Auf diese Weise ziehen Managementsysteme mit Nachhaltigkeitsfokus eine sogenannte „triple bottom line“, integrieren also eine ganzheitliche Betrachtung der Ökonomie, der Ökologie und der sozialen Aspekte in die tägliche Praxis.
Abb. 3: Der PDCA-Zyklus
Der PDCA-Zyklus
In der Planungsphase werden neben den konkreten Zielen zur Verbesserung der Umweltleistung auch notwendige Indikatoren und Kennzahlen definiert, welche die qualitative Weiterentwicklung der Organisation oder des Projektes messbar und managebar machen. Dazu werden etwa die Ressourcen und die Personalausstattung sowie die notwendigen (Teil-) Prozesse und Verfahrensschritte festgelegt. In der Umsetzungsphase werden Arbeitsanweisungen und die Schaffung einer Datengrundlage zur Nachweisdokumentation eingeführt. An diesem Punkt müssen auch Mitarbeitende geschult und etwaige neue oder veränderte Prozesse implementiert werden. Die Nachweisdokumentation und das Abgleichen der geplanten Ziele mit den tatsächlichen Ergebnissen bilden die Überprüfungsphase. Die Act-Phase beschreibt, wie das Delta zwischen gesteckten und erreichten Zielen auszugleichen ist oder wo zusätzlicher Handlungsbedarf besteht. In dieser Phase können auch ehrgeizigere oder weitreichendere Ziele definiert werden, welche dann in der erneut beginnenden Planphase mit strategischen Überlegungen, Ressourcen, Daten und Kennzahlen untermauert werden. Hier beginnt der Zyklus also von Neuem.
Managementsysteme für Nachhaltigkeitsthemen
Mit der Implementierung eines nachhaltigkeitszentrierten Managementsystems auf Basis anerkannter Standards können sich Organisationen, die Umweltschutzaspekte in ihre Arbeit integrieren und sich in diesem Feld kontinuierlich verbessern wollen, von einer Zertifikatsstelle bestätigen lassen, dass sie alle Anforderungen an eine gute Praxis des Umweltschutzes erfüllen.
Zwei Managementsysteme genießen innerhalb der Europäischen Union großes Vertrauen und werden bereits von vielen Unternehmen und Organisationen gelebt: Zum einen das Umweltschutzmanagementsystem „Environmental Management System“ (EMS, ISO 14001)2 und zum anderen das „Eco-Management and Audit-Scheme (EMAS)“3 . Im Immobilienbereich findet sich auch noch die Umweltmanagementstruktur LUMAS4 , die ein liegenschafts-bezogenes Umwelt- und Auditsystem darstellt und insbesondere in der Bewirtschaftung öffentlicher Gebäude durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zur Anwendung kommt.
Das EMS folgt, wie alle anderen ISO-normierten Managementsysteme auch, einem stringenten und systematischen Umsetzungsschema, das auch als PDCA-Zyklus bekannt ist.5 Dieser Zyklus besteht aus den Schritten Plan – Do – Check – Act und definiert damit einen kontinuierlichen Handlungsrahmen aus Planung (Plan), Implementieren (Do), kennzahlenbasierter Überprüfung und Erkenntnisgewinn (Check) und Ausrollen in der Fläche (Act). Das EMAS nimmt die Aspekte des Umweltmanagementsystems nach ISO 14001 auf, geht aber in der Spezifikation der Anforderungen an die Organisation weiter und wird vom Umweltgutachterausschuss als „das anspruchsvollste Managementsystem der Welt“6 bezeichnet. Organisationen, die sich nach EMAS zertifizieren lassen, erwerben damit auch gleich die Zertifizierung entsprechend der ISO 14001.
Engagement und Ambitionen sichtbar(er) machen
Das durch die Europäischen Kommission eingeführte EMAS-Managementsystem soll Unternehmen und Organisationen helfen, einen ambitionierten Weg zu mehr Nachhaltigkeit einzuschlagen. Durch die vereinheitlichte Kennzahlenstruktur werden nicht nur organisationsinterne Umweltaspekte messbar gemacht, sondern es wird auch ein branchenspezifisches Benchmarking ermöglicht und im Verlauf der Einbindung in die operative Arbeit der Organisation explizit unterstützt.
Abb. 4: Auszug EMAS-zertifizierter Unternehmen (Quelle: Screenshot der EMAS-Website)
Im Unterschied zur ISO 14001-Norm beinhaltet das EMAS-Managementsystem die Sichtbarmachung der zertifizierten Organisationen. Mit der Zertifizierung erfolgt auch eine Registrierung in einer öffentlichen Datenbank, in der sich – auch potenzielle – Kundinnen, Kunden und Geschäftspartner über die EMAS-zertifizierten Organisationen informieren können. Ebenfalls zur Imagepflege eignet sich das EMAS-Logo, das als Ausweis für das umweltbezogene Engagement dient und die Attraktivität der Organisation und ihrer Produkte oder Dienstleistungen steigern kann. Während bei der ISO 14001-Norm eine öffentliche Umwelterklärung nicht zwingend vorgesehen ist, schreibt die EMAS-Verordnung diese obligatorisch und jährlich vor. Organisationen müssen also auch außerhalb der Audit- und Begutachtungszyklen für die nötige Transparenz sorgen und ihre Bemühungen kontinuierlich dokumentieren. Zudem ist die Etablierung einer oder eines Umweltmanagementbeauftragten als kommunikative Schnittstelle zwischen Belegschaft, Managementebene und relevanten Stakeholdern im EMAS, anders als bei der ISO 14001- Norm, für eine Zertifizierung vorgeschrieben.
Implementierung eines Managementsystems als Transformationsprozess
Managementsysteme einzuführen und eine Zertifizierung der Organisation anzustreben, ist immer eine Neuerung, die auf Widerstände stoßen kann. Im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung ist auch die Veränderung der Organisation permanent. Zentral ist, dass die oberen Managementebenen die strategischen Entscheidungen treffen und Visionen formulieren und dies auch mit einem substanziellen Change-Management begleiten. Dazu gehört, dass die Struktur einer Norm aufgegriffen, aber auf die konkrete Organisation, ihre Spezifika und ihren Kontext angepasst, gewissermaßen „mit Leben gefüllt“ wird. Die mitunter tiefgreifenden Veränderungen müssen in die Organisation hineingetragen, also an die Belegschaft kommuniziert werden, die Bedeutung und die Vorteile eines Umweltmanagements müssen erklärt und Mitarbeitende „abgeholt“ werden. Dazu gehört ebenso, konkrete Schritte der Veränderungen zu vermitteln.
Vom Umweltmanagement zum Nachhaltigkeitsmanagement
Ein dediziertes Nachhaltigkeitsmanagementsystem, das europäische oder gar internationale Anerkennung gefunden hätte, existiert (noch) nicht. Trotzdem lassen sich Normierungstendenzen erkennen, die über die reinen Umweltaspekte wie Emissionsreduzierung, Luft- und Wasserreinhaltung, schonenden Ressourcenumgang und Abfallvermeidung hinausgehen. Sie schließen Aspekte ein, die gemeinhin unter den Dimensionen „Social“ und „Governance“ zusammengefasst werden. Damit gelangen die sozialen Belange der Stakeholder in das Blickfeld. Diese Stakeholder können Kundinnen und Kunden, Mitarbeitende, Lieferantennetzwerke und Finanzakteure sein, aber auch betroffene Personen und lokale Gruppen, Verbände oder die Politik. Neben Gehältern und Karriereoptionen werden auch Fragen nach Menschenrechten in den eigenen Lieferketten, nach einer gesunden Work-Life-Balance, nach Mitbestimmung und Geschlechtergerechtigkeit für viele immer drängender. Unter „Governance“ versteht man im Zusammenhang der Nachhaltigkeit Aspekte der guten Unternehmensführung, der Transparenz, der Korruptionsbekämpfung, fairer Wettbewerbspraktiken und der Integration von ökologischen Zielen in die Erfolgsbewertung.
Anstelle eines umfänglichen Managementsystems gibt es deshalb eine Vielzahl von alternativen Ansätzen, eine nachhaltigere Organisationspraxis zu implementieren. Als international anerkannter Leitfaden für Nachhaltigkeitsfragestellungen gilt die ISO 26000. Bei diesem Dokument handelt es sich nicht um ein Managementsystem, sondern um einen Referenzrahmen, der die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung von Organisationen (auch: Corporate Social Responsibility, CSR) stärken und in der Breite verankern helfen soll. Der Leitfaden kann als normative Anleitung für eine ethische Organisationspraxis gelesen und verwendet werden – eine Zertifizierung im Sinne eines Managementsystems nach ISO 26000 ist nicht möglich. Ein wichtiger Baustein in diesem Referenzrahmen ist das Reporting zu Ökologie, zu sozialen Fragen und zur Governance einer Organisation. Die Umwelterklärung des EMAS-Managementsystems lässt sich gut mit dem ISO 26000 Referenzrahmen kombinieren, da sie als Teil des CSR-Reportings genutzt werden kann.
Ausblick
Nachhaltigkeit ist für einen wachsenden Teil der Bevölkerung längst ein wesentlicher Anspruch an wirtschaftliches, administratives und politisches Handeln von Organisationen. Konsum- und Wahlentscheidungen werden immer häufiger mit Blick auf ihre Auswirkungen auf Menschen und Umwelt reflektiert. Organisationen, zum Beispiel Unternehmen oder Behörden, müssen diese gesellschaftliche Entwicklung künftig immer stärker und ernsthafter aufgreifen und klimabewusstes, umweltschonendes und nachhaltiges Handeln in der eigenen Praxis verankern. Dass sie sich freiwillig dafür entscheiden können und damit über gesetzliche Anforderungen hinausgehen, ist Beweis für ihre Ernsthaftigkeit und ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Dabei lohnt sich ein nachhaltigerer Pfad für viele Unternehmen, Behörden und Organisationen finanziell, da etwa Ressourcen gespart oder Energiekosten gesenkt werden können. Auch entstehen mit einer öffentlichkeitswirksamen Zertifizierung Chancen für Synergien und neue Netzwerke, die den Wert von Kooperation und Kollaboration in einer zunehmend wissensgetriebenen, digitalisierten und vernetzen Welt widerspiegeln und fördern.
Quellen
1 ISO, www.iso.org (abgerufen am 21.11.2022).
2 Wikipedia: ISO 14001, de.wikipedia.org (abgerufen am 17.01.2023).
3 Europäisches Umweltmanagementsystem EMAS, www.emas.de (abgerufen am 17.01.2023).
4 Bundesanstalt für Immobilienaufgaben: Umweltmanagement, www.bundesimmobilien.de (abgerufen am 17.11.2022).
5 Wikipedia: Demingkreis, de.wikipedia.org (abgerufen am 17.01.2023).
6 EMAS: Was steht hinter EMAS und dem EMAS-Logo? www.emas.de/emas-einordnen (abgerufen am 17.11.2022).