Was versteht man unter „Interoperabilität“?
Interoperabilität bezeichnet im Kern die Fähigkeit zur Zusammenarbeit - sowohl in Bezug auf einzelne IT-Systeme als auch auf ganze Organisationen. Oft werden Interoperabilitätsfragen zunächst aus Sicht der technischen und semantischen Interoperabilität adressiert. Dabei besteht die Herausforderung darin, IT-Systeme über die Vereinheitlichung von Schnittstellen und die Anwendung von Standards miteinander zu vernetzen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die dabei ausgetauschten Daten von den unterschiedlichen IT-Systemen in gleicher Weise interpretiert werden können. Erst wenn sowohl die technische als auch die semantische Interoperabilität hergestellt sind, können IT-Systeme reibungslos miteinander interagieren. In komplexen Projekten ist, neben der technischen und semantischen Interoperabilität, auch die organisatorische Interoperabilität zu berücksichtigen. Hierunter versteht man die Art und Weise, wie organisationsintern und organisationsübergreifend zusammengearbeitet wird. Die Dimension der rechtlichen Interoperabilität liegt auf Grund unseres Schwerpunkts auf IT-und Organisationsprojekte derzeit noch nicht in unserem Fokus, ist aber ebenfalls eine Dimension, die in Betracht zu ziehen ist. Interoperabilität ist also vielschichtig und sollte immer ganzheitlich betrachtet werden.
Warum ist Interoperabilität für die öffentliche Verwaltung wichtig?
Interoperabilität ist immer dann von entscheidender Bedeutung, wenn Daten zwischen verschiedenen Organisationen und deren Informationssystemen ausgetauscht werden müssen, die sich in einer heterogenen IT-Systemlandschaft befinden. Mit mehreren hundert Verwaltungsverfahren und mehreren zehntausend Registern, betrieben in den Netzen von Bund, Ländern und Kommunen, stellt die deutsche Verwaltungs-IT eine eben solche heterogene und vor allem dezentrale IT-Landschaft dar. Dabei kann eine Ende-zu-Ende-Digitalisierung zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und Behörden, wie sie in vielen laufenden Digitalisierungsvorhaben der öffentlichen Verwaltung angestrebt wird, nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn der Erreichung von technischer, semantischer und organisatorischer Interoperabilität ein hoher Stellenwert zugeschrieben wird.
Welchen Stellenwert hat Interoperabilität bisher in der öffentlichen Verwaltung?
Bisher ist Interoperabilität jedoch noch kein prominentes Thema in der öffentlichen Verwaltung. Gerade an der Schnittstelle zwischen Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern stellt man z.B. anhand von Medienbrüchen oder fehlender Digitalisierung fest wenn noch keine durchgängige Interoperabilität zwischen Systemen hergestellt wurde. Das Beispiel der Grundsteuererklärung verdeutlicht das berechtigte Unverständnis von Bürgerinnen und Bürgern, bereits vorliegende Daten einholen und der Erklärung wieder beifügen zu müssen.
Mit Blick auf Interoperabilität – was ist derzeit die größte Herausforderung der öffentlichen Verwaltung?
Das in Deutschland prominenteste Beispiel für Interoperabilitätsbedarfe ist sicherlich die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) von 2017. Dieses setzt die Maßgabe, mehr als 500 behördliche Verwaltungsleistungen – sogenannte OZG-Leistungen – zu digitalisieren und Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen zugänglich zu machen. Dabei soll es nicht nur möglich sein, Verwaltungsleistungen aus Deutschland in Anspruch zu nehmen, sondern auch aus anderen europäischen Mitgliedsstaaten. Im Rahmen der Umsetzung der Single Digital Gateway Verordnung (SDG-VO) der Europäischen Kommission wird dazu ein IT-System aufgebaut, das sogenannte Once-Only-Technical-System (OOTS), das den grenzüberschreitenden Abruf von Behördendaten ermöglichen wird. Das passende nationale Gegenstück, das Nationale Once-Only-Technical-System (NOOTS), wird durch die Registermodernisierung umgesetzt.
Dabei haben all die genannten Vorhaben im Kern eine gemeinsame Herausforderung – die Herstellung einer übergreifenden Interoperabilität.
Ein gutes Beispiel dafür ist das EU Digital Covid Certificate, das ebenfalls ein Vorhaben der Europäischen Kommission ist. Zur Ausstellung, zum Austausch und zur Interpretation dieses während der Covid-Pandemie wichtigen Zertifikats war es notwendig, Interoperabilität auf allen Ebenen herzustellen. Die europäische Dimension wird hierbei in den nächsten Jahren bei zahlreichen Verwaltungsprozessen eine immer höhere Bedeutung einnehmen.
Welche Erfahrungen hat msg in Projekten mit der öffentlichen Verwaltung gemacht?
Wir beschäftigen uns bei der msg seit jeher mit der Vernetzung komplexer, heterogener Informationssysteme in allen erdenklichen Branchen. Wir haben umfassende Erfahrung mit großen, komplexen und skalierbaren Systemen. Dabei sind wir es gewohnt, alle Aspekte von Informationssystemen von Anfang an mitzudenken. Dies umfasst den Analyseprozess der Anforderungen, die Berücksichtigungen organisatorischer und rechtlicher Rand- und Rahmenbedingungen, die IT-Sicherheit ebenso wie die grundlegenden Standards und Normen der öffentlichen Verwaltung. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Interoperabilität nicht nur auf technischer Ebene zu betrachten, sondern von Anfang an auch in architektonischen und organisatorischen Aspekten zu beraten – und das schätzen auch unsere Kunden. Standards und Normen als zentraler Hebel zur Interoperabilität sind für uns keine nur zu beachtende Rahmenbedingung, sondern in zahlreichen Projekten Gegenstand einer aktiven Gestaltung. Wir unterstützen die öffentliche Verwaltung ganzheitlich sowohl in zentralen Digitalisierungsvorhaben wie der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, der Registermodernisierung als auch Standard-gebende Institutionen in übergreifenden Standardisierungsvorhaben (z.B. im Smart City Kontext) mit unserer umfassenden Expertise aus einer Hand und gestalten damit die moderne IT-Landschaft der Verwaltung von morgen.
Dr. Christian Kiehle ist Bereichsleiter Interoperabilität im Public Sector der msg und beschäftigt sich seit 2002 intensiv mit Interoperabilitätsfragestellungen. Er hat sich bereits während der Zeit seiner Promotion intensiv mit der Interoperabilität von Geodaten auseinandergesetzt und seitdem zahlreiche Projekte der öffentlichen Verwaltung als Berater begleitet sowie an internationalen Interoperabilitäts-Standards mitgearbeitet.