Im Rahmen der KI-Werkstatt „Künstliche Intelligenz – von der Strategie zur Umsetzung“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Bundes- und Landesbehörden am 13.11.2019 in Berlin mögliche Anwendungsfälle für KI in der öffentlichen Verwaltung.
Dr. Stefan Heumann, Vorstandsmitglied der Stiftung Neue Verantwortung und Sachverständiger der Enquete Kommission „Künstliche Intelligenz“ im Deutschen Bundestag gab zum Einstieg einen Überblick zur Nationalen KI-Strategie und der Position Deutschlands im internationalen Vergleich. Prof. Dr. Christian Djeffal, Professor für Law, Science and Technology an der Technischen Universität München beleuchtete die rechtlichen Voraussetzungen des Einsatzes von KI in der öffentlichen Verwaltung.
Berater der msg berichteten über ihre Erfahrungen mit KI-Projekten. Christian Meyer und John Loutzenhiser leiteten aus ihren Erfahrungen Empfehlungen für die Einführung von KI-Systemen ab. Georg Jülke demonstrierte anhand der Auswertung von Stellenausschreibungen die Möglichkeiten zur KI-basierten Auswertung unstrukturierter Daten.
Arbeitsgruppen zu drei Themenfeldern diskutierten anschließend mögliche Anwendungsfälle. Beim Input- und Datenmanagement können mit Hilfe von KI Dokumente schnell klassifiziert und den entsprechenden Vorgängen zugeordnet werden. KI-basierte Systeme können Anomalien in den Angaben erkennen, damit Betrugsfälle aufdecken helfen und so Entscheidungen in Verwaltungsprozessen unterstützen. Nicht zuletzt birgt KI Chancen für den Aufbau Intelligenter Infrastrukturen. KI-basierte Vorhersagen können z.B. die Planung von Verkehrswegen optimieren.
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zeigen das große Potential für KI in der Verwaltung.
KI kann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ermüdenden Routinetätigkeiten entlasten. So entstehen Freiräume für die Bearbeitung derjenigen Aufgaben, die etwa Abwägungen und gestalterische Tätigkeiten erfordern. Beschleunigte Abläufe tragen wesentlich zur Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit bei. Und insofern durch den demografischen Wandel in naher Zukunft vielleicht nicht mehr ausreichend Personal zur Verfügung stehen wird, bietet KI die Chance, die zugleich zunehmende Menge an Verwaltungsaufgaben effizienter zu bewältigen.
Die öffentliche Verwaltung tut sich trotzdem schwer mit der Umsetzung von KI.
Schon seit Jahrzehnten werden Abläufe in der öffentlichen Verwaltung durch Programmierung und regelbasierte Systeme automatisiert. Ein Beispiel hierfür ist die Berechnung von Steuern, die definierten, nachvollziehbaren Algorithmen folgt. Demgegenüber erhält Automatisierung durch KI und im Speziellen durch Machine Learning eine neue Dimension: Ein System lernt und verändert sein Verhalten durch die Auswertung von Beispielen. Das Systemverhalten folgt nicht mehr einer explizit definierten Spezifikation, sondern entwickelt sich durch die Beispiele, die ihm zum Training vorgelegt werden. Damit sind solche Systeme nicht mehr gegen eine Spezifikation testbar, und das Systemverhalten kann nur noch mit Wahrscheinlichkeiten beschrieben werden.
Der Vorteil eines lernenden Systems besteht darin, dass es auch unscharfe Daten verarbeiten kann, die sich einer Programmierung oder regelbasierten Verarbeitung entziehen. Der Nachteil dabei ist, dass nur schwer exakt nachvollziehbar ist, wie das System zu einer Entscheidung kommt. Zudem bleibt eine berechenbare Wahrscheinlichkeit für Fehlentscheidungen.
Genau hier liegt das Problem für die öffentliche Verwaltung: bei der Restunsicherheit.
Ein Wirtschaftsunternehmen kann dieser Unsicherheit, vor allem wenn es sich um finanzielle Risiken handelt, durch eine Kosten-Nutzenabwägung begegnen. In der öffentlichen Verwaltung gelten andere Rahmenbedingungen: Die Richtigkeit einer Entscheidung wird aus guten Gründen nicht durch Kosten-Nutzenabwägungen definiert. Vielmehr stellt sich für die öffentliche Verwaltung die Frage nach der Verantwortung bei einer falsch getroffenen Entscheidung. Obwohl wir davon ausgehen müssen, dass auch Menschen Fehler machen, tut sich unser Rechtssystem schwer damit, eine berechenbare Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung eines Systems zu akzeptieren, selbst wenn die Fehlerquote niedriger ist als beim Menschen.
Die Diskussionen im Rahmen der KI-Werkstatt machen deutlich, dass KI-Systeme erhebliches Potential zur Unterstützung von Verwaltungsabläufen bieten, auch wenn Verwaltungsentscheidungen letztlich von Menschen getroffen werden sollten.