Power Purchase Agreements
– ein Geschäftsmodell auch für Stadtwerke?
PPA spielen für Stadtwerke derzeit noch eine eher untergeordnete Rolle, werden aber perspektivisch immer relevanter. Warum es für Stadtwerke lohnt, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen.
Mehrjährige Stromlieferverträge aus Erneuerbare-Energien-Anlagen, so genannte Power Purchase Agreements (PPA), haben in den letzten Jahren einen starken Boom erlebt - verbunden mit vielen Hoffnungen. Denn mit PPAs lassen sich Stromerzeugungskapazitäten langfristig binden und Preisniveaus absichern. Mit der Energiekrise traten und treten im Energiemarkt jedoch völlig neue Herausforderungen und Regularien in den Vordergrund, die für Unsicherheit sorgten, wie z.B. Schwierigkeiten bei der Preisfindung für längerfristige Strombezugsverträge oder eine drohende Gewinnabschöpfung für die Stromerzeugung im Rahmen der Strompreisbremse. Während das Gesamtvolumen der abgeschlossenen PPAs auch im vergangenen Jahr relativ stabil blieb, wurden überwiegend so genannte Corporate PPAs abgeschlossen. Dabei handelt es sich um direkte Lieferverträge zwischen großen Erzeugern erneuerbarer Energien und großen Abnehmern aus Industrie und Dienstleistungsbereichen, die den Strom in ihren Betriebsstätten selbst verbrauchen. So schließen z.B. Betreiber von Rechenzentren und Serverfarmen wie Google, Microsoft oder Amazon derzeit vermehrt PPAs ab, um ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren.
Stadtwerke hingegen spielen in diesem Umfeld bisher keine oder nur eine untergeordnete Rolle, da die Nachfrage ihrer Kunden nach PPAs häufig (noch) relativ gering ist.
Bei Gewerbe- und Mittelstandskunden lag der Fokus in der Vergangenheit und insbesondere in den letzten Monaten eher auf Kostenreduktion und Versorgungssicherheit. Aspekte wie die Sicherstellung von „grünen“ Lieferverpflichtungen oder die Erfüllung eigener Nachhaltigkeitsziele, die den Bezug von Ökostrom aus der Region fördern würden, entfalten noch nicht die erhoffte Wirksamkeit. Zumal die PPAs aufgrund ihrer „grünen“ Eigenschaften in der Regel entsprechend teurer sind.
Auf Seiten der Privatverbraucher steigt zwar seit Jahren die Nachfrage nach Ökostrom, aus welchen (regionalen) Quellen dieser stammt, ist bei vielen von nachgelagerter Bedeutung oder kann aufgrund der vielschichtigen Definition des Begriffs Ökostrom dem Kunden nicht angemessen vermittelt werden.
Größere Industrieunternehmen sind häufig keine Stadtwerke-Kunden mehr bzw. nicht mehr auf diese angewiesen, sondern haben in den letzten Jahren eigene Energiebeschaffungseinheiten aufgebaut und beziehen teilweise schon über Corporate PPAs Energie direkt vom Erzeuger.
Im Gegensatz zu anderen Ländern wie beispielsweise den USA spielen PPAs auch für Kommunen in Deutschland bislang eine untergeordnete Rolle. Alternative Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten sowie fehlender Handlungsdruck und politscher Wille führen bislang zu einer geringen Relevanz von PPAs im kommunalen Umfeld.
Auch auf der Erzeugerseite ist das Angebot an PPAs aus der Region derzeit häufig noch gering, da der Ausbau der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren eher schleppend verlaufen ist und kaum neue PV- oder Windanlagen als potenzielle PPA-Quellen zur Verfügung stehen. Insbesondere beim Zubau der Windenergie, die aufgrund der hohen Leistungsgrößen besonders relevant für den PPA-Markt wären, befindet sich Deutschland in den letzten beiden Jahren auf einem geringen Zubau-Niveau von nur gut 2 GW. Dies entspricht etwa ein Drittel den Zubauzahlen von 2017. Auch im Bereich der PV-Freiflächen – der zweiten zentralen Säule für PPAs – kam der Zubau in den letzten Jahren nur sehr schleppend voran.
Energiewende als Treiber
Die Energiewende erfordert allerdings in den nächsten Jahren einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energiekapazitäten. Insbesondere für Erneuerbare-Energien-Anlagen, die keiner staatlichen Einspeisevergütung unterliegen bzw. diese nicht in Anspruch nehmen wollen (um somit z.B. gewisse Ausschreibungspflichten zu umgehen), könnten PPAs verstärkt zum Einsatz kommen, da sie eine mittel- bis langfristige Finanzierung und Absicherung der Investitionskosten von Erneuerbare-Energien-Projekten ermöglichen.
Unterstützt durch sinkende Investitionskosten für Solar- und Windkraftanlagen auf der einen sowie (vermeintlich) weiter steigenden Strompreisen auf der anderen Seite werden PPAs auf der Erzeugungsseite jedoch zunehmend interessant. Denn so lässt sich ein hohes Energiepreisniveau mittels PPAs zur Absicherung von Investitionsrisiken für geplante Anlagen nutzen, um die eigene Kreditwürdigkeit ggf. Kapitalgebern zu stärken. Bei Bestandsanlagen können die hohen Preise so für die nächsten Jahre gesichert werden.
Auch das Anfang 2023 in Kraft getretene Lieferkettengesetz wird perspektivisch für eine steigende Nachfrage nach PPAs sorgen, vor allem bei mittelständischen Industrie- und Gewerbekunden, da es Unternehmen verpflichtet nachzuweisen, dass auch ihre Vorlieferanten in der Lieferkette nachhaltig agieren. Der „ökologische (und soziale) Fußabdruck“ eines Produktes und die nachhaltige Praxis des Unternehmens werden so transparent. Mittelständische Industrie- und Gewerbeunternehmen werden daher bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategien verstärkt nach verlässlichen und möglichst regionalen Bezugsquellen für Ökostrom suchen. Wenn sie ihre Erneuerbare Energie über PPAs beziehen, erfüllen sie sogar höhere Nachhaltigkeitsstandards, da sie damit grüne Energieanlagen ohne staatliche Subventionen realisieren können.
Auf der anderen Seite wird durch die Sensibilisierung der Gesellschaft für Nachhaltigkeitsaspekte, aber auch durch Regulierungen wie das Lieferkettengesetz, eine langfristige grüne Beschaffung mit kalkulierbaren Preisen von zentraler Bedeutung sein. Dies schafft insbesondere bei B2B-Kunden ein Marktpotenzial, an dem auch Stadtwerke partizipieren können. So können sich Stadtwerke als grüner Partner und Anbieter regional gebundener Energieerzeugungsleistung positionieren und die Regionalität grüner Energie entsprechend als ihren USP vermarkten. Um zukünftig höchsten Nachhaltigkeitsanforderungen gerecht zu werden und entsprechende Gütesiegel zu erhalten, wird die Energiebeschaffung über PPA nach unserer Einschätzung zu einem wichtigen Kriterium.
Auch Kommunen werden als PPA-Kunden zunehmend interessanter, denn auch sie haben Klimaschutzziele zu erreichen. Hohe Strombedarfe der Kommunen können über PPA teilweise gedeckt werden. Dafür brauchen sie aber regionale Partner, die nicht nur über Know How und Expertise verfügen, sondern auch über den nötigen Zugang zu Erneuerbarer Energie. Mittels PPAs können Kommunen den Ausbau regionaler Erneuerbaren Energie-Anlagen vorantreiben, vorbei an einer (weniger) attraktiven staatlichen EEG-Einspeisevergütung oder komplexen Förderprogrammen.
Insbesondere für Kommunen ohne eigenes Stadtwerk ist diese Option interessant, da sie Erneuerbare Energie-Projekte nicht an ihr Stadtwerk „delegieren“ können. Die Abwicklung erfolgt stattdessen über Bürger-Energie-Genossenschaften (ggf. mit kommunaler Beteiligung).
Implikation und Fragestellungen für Stadtwerke
Auch wenn PPAs für Stadtwerke derzeit noch eine untergeordnete Rolle spielen, werden sie perspektivisch an Bedeutung gewinnen.
Es ist also wichtig, dass sich Stadtwerke frühzeitig mit der Thematik beschäftigen. Dabei stehen drei zentrale Fragenblöcke im Vordergrund:
Wo liegen in meinem Versorgungsgebiet überhaupt PPA-Potenziale auf Erzeugerseite? Welches Portfolio kann ich aufbauen und rentabel bewirtschaften?
Größere Erzeugungsanlagen (sowohl Post-EEG als auch neue Anlagen) sind stark im Fokus des Wettbewerbs. Das macht es schwierig für Stadtwerke, hier konkurrenzfähig zu agieren. Der Fokus sollte deshalb primär im kleineren und mittleren Segment liegen, d.h. im Bereich von 1-10 MW Erzeugungsleistung. Allerdings ist hier die Marge je Kunde relativ gering. Zudem erfordert es ein recht großes Portfolio und eine hohe Standardisierung in der Anbahnung und Abwicklung. Auch Post-EEG Anlagen im kleineren mittleren Segment werden in den nächsten Jahren stark zunehmen. Solche Anlagen erlauben eine gute Standardisierbarkeit bei den PPA-Verträgen. Es ist wichtig Transparenz darüber zu erlangen, wann diese Anlagen aus der EEG-Förderung fallen und ggf. frühzeitig in Kontakt mit dem Anlagenbetreiber zu treten. Bei Neuanlagen sollten neue Erschließungspotenziale in der Region einbezogen werden. Bislang unwirtschaftliche Projekte erlangen durch gestiegene Strompreise ggf. positive Rendite. Auch verringerte Abstandsregeln bei Windkraftsorgen sorgen für neue Potenziale. Auch Agri-PV oder Floating-PV können zumindest in gewissen Regionen neue Möglichkeiten für PV-Ausbau und somit PPA-Potenziale darstellen.
Für welche meiner Kunden bzw. Kundensegmente ist ein PPA von Interesse? Wo liegt der Mehrwert für meine Kunden?
Industrie- und Gewerbekunden haben meist andere Bedürfnisse als z.B. eine Kommune (z.B. bezüglich Risikobereitschaft, Preissensibilität), aber auch zwischen Industrie- und Gewerbekunden können stark divergierende Anforderungen an PPAs bestehen, z.B. bzgl. der präferierten EE-Erzeugungsarten, dem regionalen Bezug oder auch der Laufzeit. Das gilt auch für Privatkunden, bei denen manche evtl. nur Reststrommengen virtuell über PPA abdecken wollen, andere aber einen möglichst direkten physischen Bezug einfordern. Für Stadtwerke ist es deshalb erfolgsentscheidend, die Bedürfnisse ihrer Kunden genau zu kennen, um möglichst passgenaue Lösungen anbieten zu können bzgl. Laufzeit der PPAs, Grad der Preisabsicherung, (regionaler) Herkunft des PPA Stroms, etc..
Bei der Mengenabschätzung, also der Frage, in welchem Umfang sich welche Kunden mit PPAs eindecken werden, gibt es einige zentrale Aspekte zu berücksichtigen. So steigt der Strombedarf insgesamt durch die fortschreitende Elektrifizierung in vielen Segmenten (Wärmepumpen, E-Mobility, etc.) kontinuierlich an. Industrie und Mittelstand starten zudem in der Regel mit einem geringen Anteil an PPA in ihrem Beschaffungs-Portfolio und erweitern diesen Anteil sukzessive über mehrere Jahre. Wegen der steigenden Nachfrage sollten über PPAs gebundene regionale EE-Anlagen zukünftig in das Privatkundengeschäft/Portfolio der Stadtwerke eingebunden werden. Wichtiger Bestandteil des Produktpaketes PPA sollte auch die Außenwirkung/Vermarktung sein - „Tue Gutes für die Umwelt und sprich darüber“, d.h. Kunden sollten bei der Außendarstellung ihres grünen Energiebezugs mit entsprechenden Marketing-Materialien unterstützt werden.
Welchen Teil der Wertschöpfung und welche Risiken kann und möchte ich als Stadtwerk selbst übernehmen?
PPA haben aufgrund ihrer langen Laufzeit und dem direkten physischen Bezug andere Risiken als die klassische Terminmarktbeschaffung an der Börse. Es gibt Möglichkeiten diese Risiken ein Stück weit zu begrenzen bzw. das eigene PPA-Portfolio so zu gestalten, dass diese Risiken möglichst breit gestreut werden durch
- verschiedene Erzeugungsquellen
- unterschiedlich lange Laufzeiten der PPA
- mehrere Beschaffungszeitpunkte
- flexibleres Pricing (Sockelpreis + variabler Preis)
- Nutzung von Tranchenmodellen
- jährliche Anpassung der Beschaffungsmengen
- direkte Abnahmebeziehungen
Ein zukünftig weit verbreitetes Modell wird sein, als Stadtwerk einen Dienstleister einzubinden, der (je nach Ausgestaltung) in Teilen oder gesamthaft Risiken aus der EE-Erzeugung sowie die lang- und kurzfristige Vermarktung und operative Abwicklung der Energiemengen für das Stadtwerk übernimmt (Bild 1). Diese Dienstleister bieten oft mehr Know-how und verfügen auch über entsprechende Strukturen und Prozesse. Sie können hierbei im Sinne eines White-Label-Ansatzes agieren und selbst nicht nach außen in Erscheinung treten. Das erlaubt Stadtwerken, ihre Beschaffungsrisiken in einem komplexeren Geschäftsmodell deutlich zu minimieren, auch wenn sie dafür natürlich Teile der Wertschöpfung und damit auch Erlöspotenziale einbüßen.
Fazit:
Auch wenn es kein Patentrezept für Stadtwerke im Zusammenhang mit PPAs gibt, führt mittelfristig kein Weg an PPAs vorbei. Es lassen sich jedoch interessante Geschäftsmodelle entwickeln. Deshalb sollte sich Stadtwerke frühzeitig mit dem Thema PPAs und den damit verbundenen Fragestellungen auseinandersetzen, um rechtzeitig eine für sie passende PPA-Strategie zu entwickeln. So kann es gelingen, sich gemäß der definierten Strategie frühzeitig entsprechende Anlagen im Versorgungsgebiet zu sichern und damit die Rolle „des“ regionalen Ansprechpartners für die Energiewende zu besetzen.
m3 unterstützt Sie gerne dabei, die richtigen Weichen für Ihr Unternehmen zu stellen. Wir helfen Ihnen bei der Gestaltung Ihres PPA- Geschäftsmodell und der Entwicklung einer entsprechenden Beschaffungsstrategie und eines Risikomanagements.