Mit Social Media zu mehr Bürgernähe und Servicequalität
Welche Chancen bietet der Einsatz von sozialen Medien den Bundesbehörden?
Alexander Plickat: Social Media eröffnen Behörden Chancen, direkt mit der Bevölkerung zu kommunizieren. Das hat mehrere Vorteile: Behörden sorgen durch die Einbindung von Bürgern auf sozialen Netzwerken für mehr Transparenz und Akzeptanz ihres Verwaltungshandelns. Dies wiederrum führt zu mehr Vertrauen seitens der Bevölkerung. Wichtig ist, dass Inhalte authentisch und nicht einseitig kommuniziert werden. Vor allem sollten Räume zur Diskussion und Mitgestaltung für die Nutzer geschaffen werden. Ein Anwendungsfall wäre zum Beispiel die Beteiligung von interessierten Bürgerinnen und Bürgern oder Unternehmen, die von einem Gesetzgebungsverfahren oder einem administrativen Vorhaben betroffen sind, an einem fachlichen Diskurs. Ein authentischer Austausch mit der Zielgruppe kann die meist starre Bürger-Behörden-Beziehung auflockern, die Behörde wirkt dadurch menschlicher und führt zu mehr Bürgernähe.
Außerdem können staatliche Institutionen neben den etablierten Kontaktmöglichkeiten im Bürgerservice die Kontaktaufnahme per soziale Medien gewährleisten. Und durch eine zeitnahe Reaktion auf Fragen, Wünsche und Beschwerden können soziale Medien nicht nur zur Informationsverbreitung beitragen, sondern auch die Dienstleistungsqualität der Behörden steigern.
Ist die Kommunikation über Social Media nicht mit hohen Risiken verbunden?
Inna Demburg: Fakt ist, dass Bürgerinnen und Bürger heute ihre Anliegen in hohem Maße via Chatbot, Facebook, Twitter & Co. mitteilen wollen und die Möglichkeit dazu auch von Behörden erwarten, sobald diese auf entsprechenden Kanälen vertreten sind. Die Corona-Pandemie hat durch Abstandsregelungen und Lockdowns diesen Trend noch mal verstärkt.
Einen behördlichen Service in sozialen Netzwerken anzubieten, bedeutet nicht, seine Identität als öffentliche Institution aufzugeben und gezwungenermaßen „locker“ zu kommunizieren oder Interpretationen von Gesetzen mit Bürgern diskutieren zu müssen. Das System von genau definierten Verfahrensweisen, Regeln und Vorschriften in der öffentlichen Verwaltung hat seine Gründe und seinen Bestand. Es geht vor allem darum, den bestmöglichen Service für die Bevölkerung bereitzustellen, soziale Medien sind ein Kanal dafür.
Eine weniger förmliche Kommunikation bringt durchaus Vorteile: Die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme sinkt. Mehr Bürgerinnen und Bürger, vor allem die jüngere Altersgruppe, würden den Dialog suchen und Fragen etwa zu den Prozessen der öffentlichen Verwaltung stellen, diese besser nachvollziehen und vielleicht sogar Verbesserungsvorschläge machen.
Wichtig ist, dass man als Behörde eine Social-Media-Guideline formuliert, die den Umgang mit Bürgeranfragen und deren Beantwortung betreffen. Auch über eine sogenannte Nettiquette sollte man sich im Vorfeld Gedanken machen und diese konsequent durchsetzen. Das bedeutet in einigen Fällen, dass inadäquates Verhalten benannt wird.
Wie genau sieht so ein Bürgerservice in sozialen Netzwerken aus?
Alexander Plickat: Man könnte beispielsweise allgemeine Bürgeranfragen zu Öffnungszeiten, Rechtsgrundlagen, Zuständigkeiten oder Ähnlichem via Facebook beantworten. Bei Anfragen mit einem Bezug zu einem konkreten Verwaltungsverfahren oder mit personenbezogenen Daten kann eine Weiterleitung an die fachlich zuständige Stelle initiiert werden. Dabei sollte man zeit- und bürgernah antworten und „Behördendeutsch“ vermeiden. Eine staatliche Institution in Social Media muss ihre Fans und Follower, Bürgerinnen und Bürger wie ein guter Gastgeber empfangen, d.h. mit offenen Armen und echtem Interesse. Gerne auch mit einer Prise Humor.
Ein guter Bürgerservices sollte auch eine aktive Bürgerbeteiligung fördern, ganz im Sinne von Open Government. Ziel von Open Government ist es, unter anderem bürgerorientiertes Verwaltungshandeln und die Transparenz von politischen Entscheidungen zu fördern.
Was ist zu tun, wenn eine Behörde bereits auf sozialen Netzwerken vertreten ist und der gewünschte Erfolg ausbleibt?
Inna Demburg: Das hängt ganz davon, welche Ziele mit einem Social Media Auftritt verfolgt werden. Soll die Bekanntheit gesteigert werden? Die Reichweite der Beiträge erhöht werden? Oder ist eine Interaktion der Follower mit meinen Posts erwünscht?
In Social Media ist man stark von den Vorlieben der eigenen Zielgruppe abhängig, und es kann durchaus sein, dass man diese zunächst nicht genau trifft. Wenn man also merkt, dass die Ergebnisse vom Plan abweichen, ist es wichtig zu analysieren, wo das Problem liegt, und dementsprechend nachzusteuern. Dies kann anhand von Statistiken geschehen: Welcher Beitrag hat die meisten Reaktionen hervorgerufen? Welcher Blogartikel, welches Video wurde am häufigsten angesehen? Wie oft sind Nutzer welchem Link gefolgt? Facebook bietet zum Beispiel mit den „Facebook Insights“ einen guten Überblick über die organische und bezahlte Reichweite der Facebook-Seite, über die Handlungen von Besuchern auf der Seite (die Klicks also) Reaktionen auf die veröffentlichten Beiträge und noch vieles mehr. Ähnliches bietet Twitter Analytics. Die statistischen Daten sind eine gute Basis für die Bewertung der eigenen Social Media Performance und die Identifikation der geeigneten Stellschrauben für eine Optimierung.
Social Media sind ständig im Wandel. Eine kontinuierliche Anpassung der Aktivitäten gehört daher dazu.
Wie sollte eine Behörde vorgehen, um in Social Media aktiv zu werden?
Alexander Plickat: Sich zu trauen, ist vielleicht der wichtigste Schritt. Aber einfach drauf-los- machen ist nicht zu empfehlen. Am Anfang steht die Entwicklung einer professionellen Social-Media-Strategie inklusive der Auswahl der Kanäle, der Planung von Content und Community-Management.