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Öffentliche Verwaltung im Spiegel der Zeiten und Kulturen

Die Hollerithkarte – der Ursprung von IBM im 19. Jahrhundert

von Philip Kosse

Wussten Sie eigentlich, was als Mutter der automatischen Datenverarbeitung gilt? Genau, die Lochkarte! Die Lochkarte wurde erstmals im 18. Jahrhundert von Basile Bouchon und Jean-Baptiste Falcon zur Steuerung von Textilwebstühlen verwendet. Joseph-Marie Jacquard verbesserte diese Technik im frühen 19. Jahrhundert, was zur Entwicklung des Jacquard-Webstuhls führte.

1890, während der Volkszählung in den USA, wurde das Lochkartensystem durch Herman Hollerith weiterentwickelt und das erste Mal für die Datenverarbeitung in der Verwaltung eingesetzt.

Der US-amerikanische Ingenieur und Erfinder wurde bei einer Zugfahrt dazu inspiriert, als er beobachtete, wie ein Schaffner die Fahrkarten lochte. Um die Mehrfachnutzung von Fahrkarten zu verhindern, wurden Erkennungsmerkmale der Fahrgäste wie Geschlecht oder Hautfarbe in die Fahrkarten gestanzt. In diesem simplen und bewährten Verfahren sah Hollerith schlagartig eine Möglichkeit, Verwaltungsprozesse effizienter abzuwickeln. Er setzte damit einen genialen Meilenstein in der Datenverarbeitung.

Holleriths System der Lochkarte basierte auf einfachen Papierkarten, auf denen Informationen durch Löcher kodiert wurden. Jede Karte konnte eine Vielzahl von Datenpunkten enthalten, die durch eine spezifische Anordnung von Löchern dargestellt wurden. Nachdem anfangs die Informationen mit einer einfachen Lochzange in mühsamer Handarbeit in die Lochkarten gestanzt wurden, entwickelte Hollerith später ein spezielles Gerät, den Lochkartenstanzer. Damit wurde die Anordnung der Löcher maschinell auf die Pappkarten übertragen, der Bediener konnte durch Drücken von Tasten Löcher in die Karte stanzen um verschiedene Datenpunkte abzubilden.

Doch das war nicht alles. Hollerith entwickelte zusätzlich eine Tabelliermaschine, die Lochkarten lesen und die Daten mechanisch verarbeiten konnte. Die Maschine verwendete elektrische Kontakte, um die Position der Löcher zu erkennen, abzutasten und auf entsprechende Zählwerke zu übertragen. Die Tabelliermaschine erhielt wegen ihres Aussehens und ihres pianoähnlichen Aufbaus schon bald den Spitznamen „statistisches Klavier".

Durch das maschinelle Auslesen der Lochkarten konnten große Datenmengen wesentlich schneller und genauer verarbeitet werden als mit den bisher eingesetzten, meist manuellen Methoden. Innerhalb von nur zwei Jahren wurde damals die Volkszählung abgeschlossen. Ein großer Erfolg, im Vergleich zur Volkszählung von 1880, die zehn Jahre gedauert hatte. Es war aber nicht nur die erhöhte Geschwindigkeit bei der Erfassung der Bevölkerung, die die Hollerithkarte so erfolgreich machte.

Abbildung 1: Herman Hollerith (ca. 1888; Quelle: Wikipedia)

Abbildung 1: Herman Hollerith (ca. 1888; Quelle: Wikipedia)

Abbildung 2: Hollerithmaschine, ca. 1890; auf dem Tisch rechts ein Lochkartenleser, gekoppelt mit senkrecht montierten runden Zählwerken (die frühe Tabelliermaschine), neben dem Tisch rechts die damit verbundenen Kästen des Lochkartensortierers, auf dem Tisch links der Pantograph-Locher als Lochkartenlocher (Quelle: Wikipedia)

Der eigentliche Clou des Systems lag darin, dass durch die Sortierung in Kartengruppen nach bestimmten Kriterien nun erheblich raschere und differenziertere statistische Auswertungen möglich waren. Es handelte sich also um einen echten Fortschritt in der Datenverarbeitung.

Vier Jahre nach der Volkszählung in den USA, 1896, gründete Hollerith die Tabulating Machine Company, die später Teil der Computing- Tabulating-Recording Company (CTR) wurde. 1924 wurde die Firma schließlich in International Business Machines (IBM) umbenannt.

Bis in die 1970er-Jahre blieb das Prinzip der Lochkarte ein wesentlicher Bestandteil der Datenverarbeitungstechnologie, bis es schließlich durch modernere Computersysteme ersetzt wurde, zum Beispiel Magnetbandkassetten und Disketten. Ohne Zweifel legte Hollerith jedoch mit seiner Arbeit den Grundstein für zahlreiche Konzepte, die heute in der modernen Computertechnologie verwendet werden, insbesondere in den Bereichen Datenspeicherung, -verarbeitung und -analyse.

Beispielsweise hat die meistgenutzte Form von 12 Zeilen und 80 Spalten noch heute Auswirkungen auf die übliche maximale Zeilenlänge von knapp 80 Zeichen in E-Mails und Textdateien. Wenn man so will, hatte eine Lochkarte in ihrer ursprünglichen Version ein Fassungsvermögen von 80 Byte. Vielen ist es nicht bewusst, aber auch heute noch werden Lochkarten gelegentlich verwendet, etwa bei Stempeluhren oder Parkscheinen.