Bewertung der ermittelten Zahlen
Die so ermittelten Controlling-Zahlen sind Indikatoren, anhand derer eine Planabweichung überprüft werden kann. Die Überprüfung dieser Zahlen auf ihre Korrektheit ist für die Qualität des Controllings des Vorhabens essenziell. Ursachen für eine falsche Zahlenbasis können sein:
- zum Stichtag noch nicht erfasste Istaufwände
- Nicht-Erfassung von Istaufwänden, etwa wegen kurzfristigem Ausfall eines Mitarbeitenden,
- vergessene Aktualisierung der Restaufwände,
- falsche Annahmen bezüglich der Ermittlung des Fertigstellungsgrades sowie
- falsche Erfassung von Istaufwänden, wie Einarbeitungsaufwände, die auf Projektleistungen gemeldet wurden, oder Meldung von Aufwänden auf ein falsches Arbeitspaket.
Wenn sichergestellt ist, dass die Zahlenbasis für die Ermittlung der Ist- und Restaufwände keine systematischen Fehler mehr enthält, erfolgt die Klärung der Ursachen für Abweichungen. Im Folgenden beispielhaft eine Auswahl häufiger Ursachen in großen Vorhaben. Da die so ermittelte Zahlenbasis unabhängig von einem klassischen oder agilen Projektvorgehen ist, sind die aufgeführten Ursachen nicht spezifisch für agile Projekte:
- Der Aufwand für ein Arbeitspaket wurde unter- oder überschätzt
Solange sich die Abweichung im Risikokorridor bewegt (üblicherweise 10 %), ist diese methodisch bedingt zu akzeptieren. Wichtig ist zu prüfen, ob im Projekt vorwiegend Über- oder Unterschätzungen vorkommen. Bei laufend signifikanten Abweichungen ist die eingesetzte Schätzmethode durch den Scrum Master zu justieren, etwa durch eine Erweiterung der T-Shirt-Größen oder Adjustierung der Referenz-Arbeitspakete für den Planning-Poker.
- Die Schätzungenauigkeit ist, je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die Schätzung erfolgt, unterschiedlich hoch
In diesem Fall sollte versucht werden, die Schätzmethode im Projektverlauf, zum Beispiel in den Refinement-Meetings und den Sprint-Plannings, zu überprüfen und eventuell anzupassen.
- In der Aufwandsschätzung wurden der Arbeitspaketinhalt, die ursprünglich angedachte Lösungsidee oder die Akzeptanzkriterien nicht berücksichtigt
Dies kann auch durch späte Änderungen, beispielsweise durch agilen Anforderungstausch im Projekt, verursacht werden, deren Tragweite im Refinement oder Planning falsch eingeschätzt wurde.
- Das Scrum-Team besitzt nicht alle erforderlichen Fähigkeiten, das Sprint-Ziel zu erreichen
Möglicherweise ist das Grundprinzip des „interdisziplinären Teams“ verletzt, was entsprechende Auswirkungen auf die Sprintplanung und die Priorisierung in den Backlogs hat. Es müssen zusätzliche Spezialisten zu festen Zeiträumen eingeplant werden und die für ihren Einsatz notwendigen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt vollständig geschaffen sein.
- Schleichende Änderungen oder Missverständnisse, die weder dem Product Owner, dem Scrum Master, noch dem Projekt team aufgefallen sind
Häufig geschieht dies bei Personalwechseln im Scrum-Team. Selbst gut beschriebene Lösungsideen und fachliche Anforderungen bieten Raum für Interpretation. Deshalb sollte der Wechsel von Mitarbeitern in Scrum-Teams auf das absolut notwendige Minimum reduziert werden.
- Vermeintlich aufwandsneutraler agiler Anforderungstausch, der entgegen der ursprünglichen Erwartung aller Beteiligten doch Mehraufwände verursacht
Diese Mehraufwände lassen sich minimieren, indem auch beim Anforderungstausch allen Beteiligten die Möglichkeit gegeben wird, die Auswirkungen der Änderung zu bewerten, um zu schelle und unüberlegte Änderungen zu vermeiden.
- Der ursprünglich angedachte Lösungsansatz trägt nicht, oder ist unvollständig
Häufig wird diese Situation erst während der Umsetzung im Sprint erkannt. Hier kann teilweise mit projektspezifischen Musterlösungen oder Blaupausen gegengesteuert werden. Beide Möglichkeiten führen auch zu einer homogeneren Umsetzung.