V2X-Kommunikation
Regionen gehen unterschiedliche Wege
Neue Standards für die V2X- Kommunikation
Die Regulierungsbehörden erkennen zunehmend die Bedeutung der V2X- (vehicle to every-
thing)-Kommunikation zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Mit den aktuellen
Kommunikationsmitteln (z.B. LTE, 5G) und den zunehmenden Funktionen der Fahrzeuge zur eigenen Positionsbestimmung (z.B. GNSS, HD-Maps) sind die technischen Grundlagen für die Umsetzung der ersten Anwendungen („Day 1 use cases“) gelegt.
Herausforderung für die Automobilindustrie: Große Märkte wie EU, Nordamerika und China beschreiten unterschiedliche Wege in der Übertragungstechnik, bei der Standardisierung der Nachrichten und bei den zeitlichen Vorgaben zur Umsetzung von V2X-Anwendungsfällen.
Herausforderungen für OEMs und Zulieferer der Telekommunikationskomponenten
1. Übertragungstechnologie
Die ersten Überlegungen zur V2X-Kommunikation starteten in den frühen 2000er-Jahren. Da zu dieser Zeit die Mobilfunktechnik als noch nicht ausreichend erachtet wurde, definierte man einen WLAN-basierten Standard für die Kommunikation zwischen den Netzwerkteilnehmern: IEEE 802.11p. Durch die Weiterentwicklung der Mobilfunktechnologie und die Standardisierung der Broadcast/Peer-to-Peer-Protokolle (3GPP) wurden inzwischen die Voraussetzungen geschaffen, um über LTE- und 5G-Technologie das V2X-Netzwerk zu betreiben. In den großen Automobilmärkten führt das nun zu unterschiedlichen Vorgehensweisen:
- EU: Für die EU ist derzeit der auf der WLAN-Technologie basierende Standard ITS-G5 (ITS = Intelligent Transport Systems) gültig. Erste kommerzielle Implementierungen sind im Feld (z.B. VW, ASFiNAG). Die Diskussion (en) über eine Erweiterung um die 5G-Mobilfunktechnik sind(ist) im Gange. Über die komplexen Verfahren zur gemeinsamen Nutzung des Frequenzbereiches wird derzeit heftig diskutiert.
- CN: China setzte sehr früh auf die Mobilfunktechnik und hat bereits zahlreiche Pilotprojekte auf Basis von LTE und neuerdings auch 5G umgesetzt (cellular V2X, C-V2X). Die flächendeckende Einführung wird hier (in jedem Fall) auf Basis der Mobilfunkstandards erfolgen.
- Nordamerika: Die USA haben sich wie die EU früh auf IEEE 802.11p festgelegt. Mehrere größere Pilotprojekte über die gesamten USA verteilt nutzen bereits diese Technik. Derzeit ist jedoch auch hier die Diskussion im Gange, ob im Zuge der generellen Einführung nicht doch die Mobilfunktechnologien genutzt werden sollen. Es gibt Hinweise, dass aus Regierungssicht und Seitens der Nachbarländer die Mobilfunktechnologien favorisiert werden.
2. Nachrichtenformate
Auch in Bezug auf die Nachrichtenformate für den Austausch von Informationen der Teilnehmer des V2X-Netzwerkes, wie auch zur Kommunikation mit der IT-Sicherheitsinfrastruktur unterscheiden sich die Anforderungen in den Regionen.
- EU: Für die EU hat ETSI (Europäisches Institut für Telekommunikationsnormierung) z.B. die Nachrichtenformate für Cooperative Awareness Message (CAM) und Decentralised Environmental Notification Message (DENM) definiert. Darüber hinaus wurde für IT-technische Absicherung der Nachrichtenübertragung der Standard IEEE 1609.2 durch ETSI erweitert.
- CN/Nordamerika: Die SAE definiert mit dem Standard SAE J2735 die Basic Safety Message (BSM) zum Austausch von Informationen zwischen den V2X-Netzwerkteilnehmern. Für die IT-technische Absicherung der Nachrichtenübertragung wird der Standard IEEE 1609.2 eingesetzt, allerdings im Fall von China erweitert um CN-spezifische kryptographische Algorithmen. Die konkrete Standardisierung ist in keiner der beiden Regionen abgeschlossen, z.B. wird der Standard IEEE 1609.2 derzeit überarbeitet, während der darauf basierende chinesische Standard YD/T 3957-2021 im Dezember freigegeben wurde.
3. Zeitplan
Bis zum Ende dieses Jahrzehnts werden in den großen Märkten verbindliche Vorgaben zur V2X-Unterstützung erwartet. Kleinere Märkte wie Südkorea, Japan oder auch die europäischen Nachbarländer der EU werden sich auf die eine oder andere Weise diesen Regelungen anschließen. In keiner der Regionen sind derzeit verbindliche Zertifizierungsvorschriften für die Teilnahme am V2X-Netzwerk festgelegt und veröffentlicht.
- EU: In der EU wurde von der Europäischen Kommission ein Vorschlag für eine Direktive zu ITS (COM:2021:813:FIN) veröffentlicht. Ebenso wird V2X bei Euro NCAP diskutiert.
- CN: China New Car Assessment Program (C-NCAP) plant die Einführung von C-V2X als Teil seines Bewertungssystems bis 2024. Noch fehlen in China freigegebene Standards zur konkreten technischen Umsetzung von V2X und der zugehörigen IT-Sicherheit.
- Nordamerika: In den USA sind aktuell keine Meilensteine bekannt. Es finden derzeit Verhandlungen mit den Nachbarstaaten (Kanada, Mexiko) statt.
Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung der V2X-Anforderungen
Aus unserer Sicht sind folgende Aspekte entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung:
- Design for Change: Für die nächste(n) Fahrzeuggeneration(en) sind Entscheidungen bezüglich der Unterstützung von V2X erforderlich. Aufgrund der schwebenden Standardisierungsverfahren ist es wichtig, weitere Anpassungen in der Funktionalität einzuplanen.
- Vereinheitlichte Architektur: Entscheidungen, inwieweit die Fahrzeug- und Backendarchitekturen in Bezug auf die unterschiedlichen Anforderungen der Regionen vereinheitlicht werden sollen, sind unausweichlich.
- Beobachten des Standardisierungsgeschehens: Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung ist das frühzeitige Erkennen der Trends zur Standardisierung in den einzelnen Regionen. So bleiben unerwünschte Überraschungen aus.
Die IT-Security-, Automotive- und V2X-Expertinnen und Experten von msg
Die msg-Gruppe verfügt über ein tiefgreifendes IT- und Branchen Know-how. Expertinnen und Experten in den Bereichen Elektrik/Elektronik, Cybersecurity und Homologation unterstützen unsere Kunden bei der Identifikation relevanter Regelungen im Bereich V2X und C-ITS sowie bei der Evaluation der Architektur – bis zum Erhalt der Typzulassung. Unsere Leistungen umfassen dabei Beratung, Konzeption, fachliche Spezifikation bis hin zur Umsetzung von IT-Systemen.