Modernisierung einer Anlagen-Software

SMS group und msg modernisieren 20-jähriges Technologiesystem für Nahtlosrohrwalzanlagen.

Die SMS group plante, ihre gut 20-jährige Anlagen-Software „CARTA“ zu modernisieren. Dafür musste in einer Mammutaufgabe der organisch gewachsene Code analysiert und eine passende Lösung komplett neu aufgebaut werden. Für die technische Unterstützung setzte SMS group auf msg. Die Unternehmen entwickelten partnerschaftlich eine neue Version.

Kunde

SMS group ist ein international tätiges Unternehmen im Bereich Walzwerktechnik und Anlagenbau. Der Hauptsitz liegt in Mönchengladbach, die Unternehmensgruppe ist insgesamt in 30 Ländern mit Büros und Produktionsstätten vertreten. SMS group beschäftigt weltweit über 14.000 Mitarbeitende und erwirtschaftete 2022 einen Umsatz von 3,1 Milliarden Euro.

Ausgangslage

2016 vertrieb die SMS group schon seit mehr als 20 Jahren zu ihren Nahtlosrohrwalzanlagen das eigene CARTA-System, ein Technologiesystem für die Anlagen- und Prozessoptimierung. Durch den langen Einsatzzeitraum war die Softwarelösung

in die Jahre gekommen: So mehrten sich technische Proble-me und Einschränkungen, etwa bezüglich der aufwendigen Hardware oder der Abhängigkeit von einer 3rd-Party-Software, die nicht mehr gepflegt wurde. „Das Human Machine Interfa-ce (HMI) mit aufwendiger Client-Installation galt bereits als überholt, der Anschluss von weiteren Kommunikationspart-nern gestaltete sich sehr umständlich und die Softwarelösung unterstützte lediglich ein BUS-System. Gleichzeitig sind die Kundenansprüche, unter anderem hinsichtlich Flexibilität in der Anbindung an deren Systeme, deutlich gestiegen.“, be-richtet Alexander Gohr, Senior Technologist for Tube and Pipe rolling, SMS group. „Da mussten wir Schritt halten.“ Hinzu kam, dass sich das Unternehmen zeitgleich von seinem IT-Dienst-leister trennte, jedoch einen Großauftrag in den USA vor Augen hatte und dafür schnell Unterstützung benötigte. Aufgrund guter Vorerfahrungen bekam msg den Zuschlag.

Herausforderung

Das CARTA-System unterstützt alle verschiedenen Nahtlos-rohrwalzanlagen, die über Jahrzehnte bei den Kunden der SMS group installiert wurden. Dieses System wurde nach in-dividuellen Kundenwünschen mit weiteren unterschiedlichen Funktionen angereichert. Teilweise kamen diese Funktionen nur bei seltenen, speziellen Anlagenkonfigurationen oder sogar nur bei einzelnen Kunden zu tragen. Einige dieser Erwei-terungen waren im Kern inkompatibel und zwangen zu einer gesplitteten Weiterentwicklung, was den Aufwand und die Komplexität noch erhöhte. Die Software wuchs über die Jahre kontinuierlich weiter und ließ sich nicht mehr sinnvoll moder-nisieren. So wurde entschieden, das System unter Berücksich-tigung der gesammelten Erfahrungen neu aufzubauen. Für das gemeinsame Team aus SMS- und msg-Mitarbeitenden war die Herausforderung, einen gut 20 Jahre alten Code zu verstehen und nachzubauen.

Lösung

Das neue System, das SMS group zusammen mit msg entwi-ckeln wollte, musste in erster Linie mindestens das leisten, was das alte System konnte. Wichtige Vorgaben waren neben einer optimierten Handhabung auch eine Reduzierung von Aufwand und Komplexität im Vergleich zum langjährig ge-wachsenen System. „Wir haben gemerkt, dass es von Projekt zu Projekt schwieriger wurde, neue technische Herausforde-rungen mit einer gut 20-jährigen Architektur umzusetzen“, erklärt Herr Gohr. „Zudem hatten wir uns in eine Abhängigkeit von bestimmten Soft- und Hardwareunternehmen manövriert.“

Um dies beim zukünftigen System zu vermeiden, sollte auf Open-Source-Lösungen sowie auswechselbare Hard-ware-Komponenten gesetzt werden. Die Erfahrung hat au-ßerdem gezeigt, dass es besser ist, auf ein leicht anpassbares System zu setzen als auf eine starre All-inclusive-Lösung.

Im ersten Schritt mussten die Anforderungen aus fachlicher Sicht beschrieben werden. Darüber hinaus war aus techni-scher Sicht die Umsetzbarkeit zu analysieren. Eine große He-rausforderung war dabei, dass Anpassungen und Erneuerun-gen im alten System teilweise nicht ausreichend dokumentiert waren, da einige direkt bei der Kundschaft entwickelt worden waren. In kleinen Sprints nahm das Team deshalb iterativ die einzelnen Module unter die Lupe und versuchte, Entscheidun-gen zu verstehen und die Funktionalitäten 1:1 nachzubilden. Zunächst lag der Fokus auf dem Anlagentypen von SMS group mit der größten Marktnachfrage. Hierfür wurde Feature für Feature umgesetzt, bis ein erstes Produkt fertiggestellt war. Dabei wurden auch das Bedienkonzept überarbeitet und tech-nische Neuerungen integriert. 2019, also nach ca. eineinhalb Jahren, konnte dieses Produkt zum ersten Mal Kunden prä-sentiert werden. Das Feedback war direkt positiv: Den Kunden gefiel die neue Übersichtlichkeit und die Vereinfachung von Prozesssteuerung sowie -planung. Durch die Modernisierung der technischen Grundlage und Sondierung des Status-quo bei Softwarelösungen ließen sich zudem viele neue „Low-han-ging-Fruits“ mitnehmen. Die Nutzung moderner Datenbanken und deren Replikationsfähigkeit reduzierte etwa die Notfall- umschaltung des Produktionssystems von zehn Minuten auf wenige Sekunden. 

Nutzen

Das neue System bringt viele Vorteile für die SMS group und ihre Kunden. Der entschlackte und modernisierte Technolo-gie-Stack, von der Software bis zur Hardware, ermöglicht eine hohe Unabhängigkeit von Sublieferanten und Drittherstel-lern. Mit Fokus auf Transparenz und Sicherheit werden jetzt der Hardware-Zustand in Echtzeit überwacht und Probleme frühzeitig gemeldet. Zusätzlich ermöglichen der verbesserte Back-up-Prozess und die Hardware-Redundanz einen noch sichereren Betrieb. Das webbasierte Human Machine Interface mit anpassbarer Zugriffskontrolle ermöglicht eine schnelle und einfache Implementierung und Skalierung beim Kunden. Der überarbeitete Workflow, die detaillierteren Visualisie-rungen und die erweiterte Statistik bieten dem Kunden jetzt einen besseren Einblick und mehr Kontrolle über die Prozesse. Das alles führt zu einem günstigeren, flexibleren und stabile-ren System.

Ausblick

Zukünftig sollen die noch verbliebenen Module in das neue System „CARTAneo“ integriert sowie dieses für alle weiteren Variationen von Nahtlosrohrwalzwerken fertiggestellt werden. Ein weiteres Zukunftsprojekt ist, die Software zu einem selbst-lernenden System weiterzuentwickeln: Dieses würde dann statistische Daten zu jeder Walzung sammeln und selbststän-dig Einstellwerte so anpassen, dass die Maschinen möglichst effizient arbeiten. „Wir sehen jetzt die Chance, Verbesserungen substanzieller Art durchführen zu können“, urteilt Herr Gohr. „Das ist der Weg, den wir gehen wollen. Und das auch weiter-hin mit msg.“