Warum sollten Städte oder Regionen jetzt in die Entwicklung hin zu einer „Smart City“ investieren?
Joachim Schonowski: Die Luftqualität zu verbessern, die Attraktivität der Region zu erhöhen oder regenerative Energien zu stärken: Das sind nur einige Anliegen vieler Kommunen, zu denen eine „Smart City“ beitragen kann. Die aktuelle nationale Initiative des BMI, „Smart Cities made in Germany“, unterstützt Kommunen dabei – mit finanzieller Förderung und im Austausch untereinander. Viele Kommunen haben bereits erste Erfahrungen mit Pilotprojekten gesammelt. Außerdem haben sich Technologien, auf denen die sogenannte Smart City aufbaut, weiterentwickelt und inzwischen den nötigen Reifegrad erreicht. Stabilität, Sicherheit und v.a. die Möglichkeit, sukzessive jegliche Anwendung zu integrieren, diese Punkte sind gegeben und können Mut machen, die digitale Zukunft anzupacken und zu gestalten. Keine Stadt, keine Region wird sämtliche Aspekte der Vernetzung sofort umsetzen wollen, sondern mit den Anwendungen beginnen, von denen sie sich jetzt am meisten Nutzen verspricht, später kommen Lösungen für weitere, neue Bedarfe hinzu. Durch eine gemeinsame Entwicklung mit den kommunalen Akteuren vor Ort ist dies nachhaltig möglich.
Welche Voraussetzungen müssen Kommunen schaffen und worauf sollten sie achten?
Joachim Schonowski: Vor einer solchen Investition sollte sich die Kommune nicht nur über ihr Budget klar sein, sondern v.a. über die Ziele, die sie mit der Digitalisierung verfolgt. Die Digitalisierung des „Ökosystems Kommune“ ist am Ende keine rein technologische Frage, sondern muss sich an den Menschen ausrichten und die Balance schaffen zwischen der Technologie auf der einen Seite, aber eben auch ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten, also solchen Themen wie Datenschutz oder auch Bürgerbeteiligung. Am Ende geht es um ein Mehr an Lebensqualität für Bürgerinnen und Bürger. Aber es müssen Prioritäten festgelegt, Schritte definiert und vielleicht Kooperationen eingegangen werden.
Florian Wüchner: Ganz wichtig ist aus unserer Sicht auch, dass Entscheidungen am Anfang die Perspektive in die Zukunft haben. Aktuell will die Kommune vielleicht ihren Nahverkehr verbessern, nächstes Jahr geht es aber vielleicht um Zugänge zu städtischen Services, und übernächstes steht eine wiederum andere Lösung an. Damit am Ende nicht diverse Einzelsysteme nebeneinanderstehen, die sich nicht verknüpfen lassen und dem Gemeinwesen keinen Zugriff auf die jeweiligen Daten und Informationen erlauben, muss am Anfang eine Datenplattform stehen, an die potenziell jegliche Anwendung angeschlossen werden kann. Denn wo und wann beispielsweise Bürgerinnen und Bürger eine Mobilitätslösung nutzen, ist auch von Belang für die Stadtplanung, und die Informationen sollten auch all denjenigen zugänglich sein, die sich an diesem Planungsprozess beteiligen. Welche Möglichkeiten sich aus Daten ergeben, ob beispielsweise für eine Optimierung des städtischen Lebens in ökologischer Hinsicht oder für neue Ideen und Geschäftsmodelle, weiß im Moment niemand – morgen aber vielleicht schon!
Welche Rolle spielt das msg-Produkt koda.city bei einer solchen Smart City-Entwicklung?
Joachim Schonowski: Dies waren die leitenden Ideen bei der Entwicklung der kommunalen Datenplattform koda.city: Zum einen der Mensch-zentrierte Ansatz, die Digitalisierung als Beitrag zu einer ausbalancierten Weiterentwicklung der Kommune für mehr Lebensqualität auch in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht. Und zum anderen die technologische Offenheit, die Anschlussmöglichkeit. koda.city kann man sich vorstellen wie eine Steckerleiste, an die sich zumindest in Mitteleuropa, der Normung sei Dank, jedes elektrische Gerät anschließen lässt. Vielleicht braucht man noch einen Adapter, der wiederum Normen entspricht. Deshalb haben wir uns bei der Entwicklung von koda.city konsequent an den EU EIP SCC und DIN-Smart-City-Normen orientiert und setzen diese mit Hilfe globaler Standards um.
Florian Wüchner: Genau. koda.city macht die Kommunen herstellerunabhängig. Auch das ist ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. Und die Daten fließen auf der kommunalen Datenplattform zusammen und liegen in den Händen der Kommune.
Was ist das Besondere an dem msg-Angebot? (Datensouveränität, Interoperabilität, Know-how in allen Anwendungsgebieten)
Florian Wüchner: Auf den Punkt gebracht vereint koda.city Datensouveränität und Interoperabilität. Und wenn es dann um die konkrete Anwendung geht, profitieren unsere Kunden von dem vielfältigen Branchen-Know-how bei msg, etwa in den Bereichen Mobilität, Energie oder öffentliche Verwaltung, sowie bei Bedarf auch von Einzellösungen in unserem Portfolio wie z.B. einem Bezahlsystem.
Welches Potenzial ziehen die Kommunen aus einer offenen kommunalen Daten-Plattform? (Vision, Anwendungen)
Joachim Schonowski: Eine offene kommunale Datenplattform ermöglicht der Kommune, ihre Leistungen effizienter bereitzustellen, Ressourcen zu schonen, Umweltbelastungen zu reduzieren und die Gesundheit der Menschen, die hier leben, zu fördern, aber auch Bürgerinnen und Bürger besser an Entscheidungen durch und für das Gemeinwesen zu beteiligen oder das soziale und kulturelle Leben besser zu organisieren. Auf Basis der vielen Daten, die in einer intelligenten Kommune über Sensoren etc. gesammelt werden, kann ein wesentlich genaueres Bild von ihrem Zustand generiert werden, als das heute möglich ist – und folglich können auch passgenauere Lösungen entstehen. Damit sind auch neue Geschäftsmodelle denkbar – für die Kommune selbst, aber für Unternehmensgründungen oder bestehende Unternehmen im Ort.
Joachim Schonowski ist Principal Business Consultant Smart Sustainable Cities bei der msg systems ag, Vorsitzender DIN Smart City Standards Forum und Vorsitzender EG Smart Cities und Regions beim Digital Gipfel.
Florian Wüchner ist als Bereichsleiter für das Thema Smart City bei der msg systems ag verantwortlich.
Weitere Informationen unter msg.group/smart-city