Neu

msg digital mehr

Design Thinking und künstliche Intelligenz

Wie KI bei der Lösung komplexer Aufgabenstellungen unterstützen kann

von Werner Achtert

Künstliche Intelligenz (KI) durchdringt zunehmend mehr Lebensbereiche des Alltags und nimmt dem Menschen Routinetätigkeiten ab. Die rasante Entwicklung der generativen KI hat eine grundlegende Veränderung bewirkt: KI wird quasi „kreativ“ (hier bewusst in Anführungszeichen gesetzt) und erweitert damit ihren Einfluss auf Bereiche, die bisher ausschließlich der menschlichen Kreativität vorbehalten waren. Damit ergeben sich neue Anwendungsmöglichkeiten in innovativen Prozessen, bei denen Kreativität der entscheidende Erfolgsfaktor ist. Diese Möglichkeiten sollen im Folgenden am Beispiel von Design Thinking betrachtet werden, einem Vorgehen, um systematisch Lösungen für komplexe Herausforderungen zu finden.1

Design Thinking basiert auf der Idee, zunächst den Problemraum einer Aufgabenstellung möglichst umfassend zu analysieren, um mögliche Nutzer und deren Bedürfnisse zu verstehen. Im zweiten Schritt wird mit kreativen Methoden ein Lösungsraum mit zahlreichen Ideen aufgespannt, deren Nutzen durch Prototyping validiert wird.

Kreativität ist ein zentraler Erfolgsfaktor bei Design Thinking und wird durch interdisziplinäre Teams, die räumliche Umgebung und einen systematischen Prozess gefördert. Werkzeuge zur generativen KI können als virtuelle Erweiterung des Teams in den verschiedenen Phasen des Prozesses einen Beitrag zur Entwicklung der Ergebnisse liefern. Die im Folgenden dargestellten Beispiele enthalten exemplarische Prompts zur Generierung von unterstützenden Ergebnissen mittels Chatbots, beispielsweise ChatGPT.

Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Chatbots umso präzisere Antworten liefern, je mehr Kontext in den Eingaben enthalten ist und je direkter die Ansprache erfolgt. Die Beispiele sind daher bewusst so formuliert, als würde eine echte Person angesprochen werden. In einem Dialog behalten Chatbots typischerweise den Kontext bei und beziehen die gesamte Abfolge von Ein- und Ausgaben in ihre Antworten ein. Daher bauen die exemplarischen Eingaben logisch aufeinander auf.

In der Phase Verstehen entwickelt das Team ein gemeinsames, grundlegendes Verständnis der Aufgabenstellung, indem mögliche Stakeholder und deren Bedürfnisse identifiziert werden. KI kann an dieser Stelle genutzt werden, um Recherchen zur Aufgabenstellung durchzuführen und so die Informationsbasis des Teams in kurzer Zeit erheblich zu erweitern. Ein Vorteil von LLM-basierten Chatbots gegenüber herkömmlichen Suchmaschinen ist ihre Fähigkeit zur Beantwortung von frei formulierten Fragen und die strukturierte Darstellung nach Vorgaben des Nutzers.

Abbildung 1: Der Design Thinking-Prozess

Abbildung 1: Der Design Thinking-Prozess

Eingabe:

Du bist Experte in Design Thinking und Nutzerforschung. Wir arbeiten an folgender Fragestellung: „Gestalte das Interaktionserlebnis mit Handwerkern für Personen ohne Heimwerkererfahrung neu, in einer Welt, in der fachgerechte Handwerker rar sind und unklare Kommunikation zu Missverständnissen und Frustrationen führt.“

Wir möchten sicherstellen, dass unser Team über das gesamte bestehende Wissen in diesem Bereich verfügt. Bitte präsentiere die Informationen in einer übersichtlichen und leicht verständlichen Form, möglicherweise mit einer Aufschlüsselung in Schlüsselbereiche oder Themen. Bist Du bereit?

Eingabe:

Bitte suche im Internet Beiträge zu der Fragestellung und gib uns einen kompakten Überblick zu folgenden Aspekten: Welche Herausforderungen gibt es in der Interaktion zwischen Handwerkern und ihren Kunden? Bitte gib die Ergebnisse in Form einer Liste der Herausforderungen und der Betroffenen aus.

In der Phase Beobachten sammelt das Team Informationen über die Bedürfnisse der Nutzer durch Beobachtungen und Interviews. In dieser Phase entsteht meist eine Vielzahl von Notizen, zum Beispiel aus Interviews, die mithilfe von Chatbots ausgewertet werden können. In diesem Beispiel erfolgt die Eingabe der Notizen in Textform; alternativ könnte die Eingabe auch direkt über Texterkennung aus Audioaufzeichnungen von Interviews erfolgen. Die eingegebenen Informationen können durch gezielte Fragen an den Chatbot nach unterschiedlichen Kriterien ausgewertet werden.

Eingabe:

Wir haben einige Interviews mit Handwerkern und deren Kunden geführt.

Benjamin, 29 Jahre alt, Softwareentwickler, lebt alleine, hat wenig Erfahrung mit Heimwerken.
„Manchmal fühle ich mich, als ob ich eine Fremdsprache lernen muss, nur um mit Handwerkern zu sprechen.“
„Ich habe einmal versucht, ein Leck in meiner Küche selbst zu beheben. Es endete nicht gut. Ich habe dann meinen Papa angerufen und er hat es repariert.“
„Ich bin immer besorgt, ob ich das richtige Werkzeug habe oder nicht.“
„Es ist immer ein Rätsel, ob ich zu viel für einen Handwerker bezahle.“
„Ich fühle mich oft hilflos, wenn es um Heimwerkerprojekte geht. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll oder welche Werkzeuge ich brauche."

Christina, 45 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern, arbeitet Teilzeit, hat wenig Zeit für Heimwerkerprojekte.
„Es ist ein ständiger Tanz, Handwerkertermine um meinen Arbeits- und Familienplan herum zu organisieren.“
„Es ist frustrierend, wenn ich einen Handwerker brauche, aber keinen finden kann. Ich habe weder Zeit noch Lust, 50 Adressen durchzuklingeln.“
„Manchmal fühlt es sich an, als ob ich versuche, eine neue Sprache zu lernen, wenn ich mit Handwerkern spreche.“
„Handwerkertermine sollten flexibler sein.“

Tom, 25 Jahre alt, Studienabbrecher, hat vor kurzem eine Ausbildung zum Tischler begonnen.
„Es ist, als ob ich im Lotto gewonnen hätte. Das Studium war nix für mich, aber seit ich Tischler lerne, geht's mir echt gut.“
„Ich merke, dass ich in der Werkstatt einfach mehr checke als im Hörsaal. Da fühle ich mich richtig produktiv.“
„Manchmal nervt's schon, wenn die Leute komisch gucken, weil ich kein Student mehr bin. Aber das ist mir egal, ich bin stolz auf meine Ausbildung.“
„Ehrlich gesagt, der Weg bis zur Ausbildung war echt nervig. Irgendwie sollte das einfacher gehen.“
„Es stört mich voll, dass viele denken, Handwerk ist Plan B. Die haben keine Ahnung, wie krass das ist.“

Eingabe:
Bitte gib uns einen Überblick zu den Herausforderungen aus Sicht der Kunden von Handwerkern. Unterscheide dabei zwischen positiven und negativen Erfahrungen.

Ein weiterer Anwendungsfall für Chatbots in dieser Phase ist die Generierung einer künstlichen Persona als virtueller Gesprächspartner.

Eingaben:

Wir arbeiten gerade an der Verbesserung der Interaktion zwischen Handwerkern und deren Kunden ohne Heimwerkererfahrung. Im Fokus steht dabei die Kommunikation zwischen Handwerker und Kunde.

Bitte erstelle uns dazu eine Persona, mit der wir ein Interview zu den Herausforderungen führen können. Die Persona soll ein Schreinermeister mit langjähriger Berufserfahrung und dem Namen Meister Eder sein.

Meister Eder bekommt regelmäßig Anfragen von Privatkunden zum Bau von Kleinmöbeln nach individuellen Anforderungen. Er muss dabei Wünsche der Kunden in machbare technische Entwürfe umsetzen. Kannst du eine solche Persona simulieren?

Antwort:

Hier ist die simulierte Persona von Meister Eder, einem erfahrenen Schreinermeister, die speziell auf die Kommunikation mit Kunden ausgerichtet ist:
Persona: Meister Eder

  • Name: Johann „Meister Eder“ Müller
  • Alter: 56 Jahre
  • Beruf: Schreinermeister
  • Berufserfahrung: 35 Jahre im Schreinerhandwerk, davon 20 Jahre als Meister in eigener Werkstatt
  • Standort: Kleinstadt in Deutschland, mit überwiegend privaten

Kunden

  • Angebotene Dienstleistungen: Maßanfertigung von Kleinmöbeln wie Regale, Tische und Einbauschränke nach individuellen Kundenwünschen

Persönlichkeit und Arbeitsweise:

  • Charakter: Geduldig, bodenständig, detailorientiert. Meister Eder liebt es, Holz zu verarbeiten und kreative Lösungen zu finden, die sowohl ästhetisch als auch funktional sind.
  • Arbeitsphilosophie: „Es muss ordentlich und mit Liebe gemacht sein.“ Er legt großen Wert auf Handwerkskunst und Qualität.
  • Kommunikationsstil: direkte, ehrliche Kommunikation. Er erklärt gerne, was machbar ist und was nicht, und sucht nach Kompromissen, die den Kundenwunsch respektieren, aber auch die technischen Realitäten berücksichtigen.

Herausforderungen im Berufsalltag:

  1. Übersetzung von Kundenwünschen in technische Lösungen
  2. Kommunikationsbarrieren mit Kunden ohne Handwerkserfahrung
  3. Zeitmanagement und Koordination von Projekten
  4. Preisverhandlungen und Kostentransparenz

Zitate von Meister Eder:

  • „Die Leute kommen mit schönen Ideen, aber oft passt das einfach nicht zur Realität der Werkstatt.“
  • „Ich versuche immer, den Kunden zu erklären, warum etwas so gemacht werden muss und nicht anders – aber das verstehen viele erst, wenn sie das fertige Stück sehen.“
  • „Es wäre schön, wenn die Kunden ein bisschen mehr Verständnis für den Aufwand und die Zeit hätten, die in jedem Möbelstück steckt.“

Ziele und Wünsche:

  • Bessere Kommunikation mit den Kunden: Meister Eder wünscht sich Tools oder Methoden, die es ihm erleichtern, technische Konzepte verständlicher zu erklären.
  • Effizientere Terminplanung: Ein System, das die Terminabsprachen automatisiert und an Kundenbedürfnisse anpasst, würde ihm viel Zeit sparen.
  • Mehr Wertschätzung für Handwerkskunst: Er möchte, dass seine Kunden die Qualität und den Wert seiner Arbeit besser erkennen und verstehen, warum seine Leistungen ihren Preis haben.

Natürlich kann ein derartiger virtueller Dialog einen echten Gesprächspartner nicht vollständig ersetzen. Aber die Erfahrung zeigt, dass ein solcher künstlicher Interviewpartner durchaus wertvolle zusätzliche Erkenntnisse in der Beobachten-Phase einbringen kann.

In der Phase Sichtweise definieren werden die gewonnenen Erkenntnisse über die Aufgabenstellung analysiert und auf die wesentlichen Bedürfnisse der Nutzer verdichtet. Hierbei werden die Bedürfnisse der Nutzer hinterfragt, um nicht nur die offensichtlichen Aspekte der Aufgabenstellung zu betrachten, sondern auch tiefer liegende Wünsche und Erwartungen einzubeziehen.

Eine gängige Methode hierfür ist die Definition eines Standpunkts (Point of View, POV), mit dem die Aufgabenstellung so weit konkretisiert wird, dass darauf basierend Ideen für die Lösung entwickelt werden können. Eine möglicher POV im konkreten Beispiel könnte lauten: „Wie können wir die Terminabstimmung zwischen Kunde und Handwerker so gestalten, dass möglichst wenige Rückfragen nötig sind und Missverständnisse vermieden werden?“

Ein Chatbot kann in dieser Phase unterstützend eingesetzt werden, um die Relevanz verschiedener Aspekte zu bewerten.

Eingabe:

Basierend auf den gesammelten Daten und Informationen, welche Perspektive erscheint dir am relevantesten und warum?

In der Phase Ideen finden entwickelt das Team mit Hilfe von Brainstorming-Techniken Ideen zur Lösung der im POV konkretisierten Aufgabenstellung. In dieser Phase ist Kreativität besonders gefragt, um möglichst viele potenzielle Lösungen zu generieren, aus denen in der nächsten Phase ein Prototyp entwickelt werden kann. Im Vordergrund der Phase steht daher Quantität und nicht Qualität. Nur durch eine Vielzahl an Ideen können neue Lösungsansätze entstehen. In diesem Prozess kann KI weitere Ideen einbringen, um den möglichen Lösungsraum zu erweitern.

Eingabe:

Wir haben die Terminabstimmung zwischen Kunde und Handwerker als die zentrale Herausforderung identifiziert. Wir benötigen jetzt deine Hilfe bei der Generierung von Ideen zur Verbesserung der Terminabstimmung zwischen Kunde und Handwerker. Bitte mache uns drei Verbesserungsvorschläge und führe jeweils aus, welcher Aspekt der Herausforderungen damit besonders adressiert wird.

In der Prototyping-Phase baut das Team einen Prototyp, der mit möglichst geringem Aufwand eine anschauliche Lösung für die Bedürfnisse der Nutzer bietet. Dies kann durch „Denken mit den Händen“ mithilfe von Bastelmaterial erfolgen, durch Rollenspiele oder durch Mockups für digitale Anwendungen. Vor allem für Letzteres gibt es leistungsfähige KI-basierte Werkzeuge zur Generierung von Wireframes.

In der Test-Phase wird der Prototyp von ausgewählten Testern auf seinen Nutzen überprüft, um Feedback für die Weiterentwicklung zu erhalten. Generative KI kann bei der Erstellung von Testfällen wertvolle Hilfe leisten und analog zu den anderen Phasen durch Berücksichtigung möglichst vieler Aspekte die Testabdeckung verbessern.

Eingabe:

Wir haben als Prototyp eine App entwickelt, auf der Kunden einen Handwerker in ihrer Nähe auswählen können. Die Handwerker können dort Informationen über ihre Leistungen und ihre freien Termine hinterlegen. Kunden können den Handwerker kontaktieren und Termine vereinbaren. Du bist nun ein Experte für Testfallgenerierung. Bitte erstelle Testfälle nach folgendem Schema:

Rolle des Testers (Handwerker oder Kunde)
Eingabe in die App
Erwartete Ausgabe der App

Fazit

Bei der Anwendung von Design Thinking zur Lösung komplexer Herausforderungen müssen sowohl im Problemraum als auch im Lösungsraum möglichst viele Aspekte berücksichtigt werden, um die Aufgabenstellung umfassend zu verstehen und neue Ideen für Lösungen entwickeln. In realen Projektsituationen sind die verfügbaren Informationsquellen und die Kapazität des Teams meist begrenzt. Mit dem „Wissen“ von KI-Systemen können kreative Prozesse ergänzt werden und KI kann das Team als Sparringspartner für kreative Prozesse unterstützen.

Der effektive Einsatz von KI-Werkzeugen wie Chatbots erfordert ein grundlegendes Verständnis für die Funktionsweise von LLMs (Large Language Models) und deren Reaktion auf Prompts. Die Entwicklung von LLMs verläuft aktuell sehr schnell, sodass an dieser Stelle nicht auf einzelne Lösungen eingegangen werden soll. Die Fähigkeiten solcher Sprachmodelle verbessern sich stetig und vermitteln zunehmend den Eindruck einer Kommunikation mit einem
menschlichen Gesprächspartner. Bei aller Euphorie über KI ist es wichtig zu beachten, dass solche Systeme über kein echtes Wissen im menschlichen Sinne verfügen, sondern nur Texte statistisch auswerten und ihre Antworten auf Basis von Wahrscheinlichkeitsmodellen erzeugen.

KI ersetzt weder das Verständnis für die Methodik von Design Thinking noch echte menschliche Interaktion im Team. Die Antworten von Chatbots müssen kritisch hinterfragt und verifiziert werden, können jedoch wertvolle Gedankenanstöße für das Team liefern. Echte Kreativität ist und bleibt dem Menschen vorbehalten – vorerst.