Das ITZBund als IT-Dienstleister des BVA betreibt in Köln-Riehl ein Rechenzentrum mit knapp 1.000 m² Fläche, über 2.000 physischen und über 1.700 virtualisierten Servern sowie mit über 100 Fachverfahren des BVA. Im Zuge der IT-Konsolidierung soll dieses Rechenzentrum aufgelöst und die Verfahren in das Masterrechenzentrum (MRZ) des ITZBund in Bonn überführt werden. Das ITZBund setzt im neuen Rechenzentrum auf eine neue Hardwareplattform und einen höheren Virtualisierungsgrad. Die Server ziehen daher nicht physisch um, sondern die Fachverfahren werden im MRZ Bonn neu aufgebaut und nur die Daten von Köln nach Bonn migriert.
msg sprach mit dem verantwortlichen Abteilungsleiter im BVA, Stefan Salz (srs), und dem Projektleiter im BVA, Dr. Ingo Brückner (ib), über die Herausforderungen, Erfolge und Lessons Learned der Migration.
ib: Die Ausgangssituation war eine Entscheidung der Behördenleitung gemeinsam mit dem ITZBund, hauptsächlich aus der Motivation heraus, dass die Liegenschaft in Köln, in der sich das Rechenzentrum befand, aufgegeben werden sollte, da dort ein Neubau errichtet werden sollte. Das hatte dem Vorhaben vor übergehend Aufwind gegeben und das Ziel in die Welt gebracht, das gesamte Projekt bis Ende 2022 abzuschließen. Im Laufe des Projekts hat sich das dann aber deutlich anders entwickelt. Die Idee eines Neubaus wurde verworfen, dadurch hat sich die Terminlage entspannt.
Der erste Zeitplan, bis Ende 2022 alle Fachverfahren nach Bonn migriert zu haben, war schon nach kurzer Zeit als nicht realisierbar verworfen worden. Das Migrationsprojekt startete dann mit 86 zu migrierenden Fachverfahren. Mittels Top-down-Ansatz wurden diese in mehrere Migrationswellen aufgeteilt, die bis 2024 migriert werden sollten. Auf Seiten des BVA und des ITZBund wurde jeweils ein Projektteam aus internen und externen Mitarbeitenden aufgebaut, die die Planung und Steuerung der Migration übernahmen. Die Bereitstellung der Server, das Deployment der Fachverfahren sowie die Migration der Daten wurde vom Linienbetrieb des ITZBund durchgeführt.
srs: Im ersten Anlauf wurde der Umfang der anstehenden Aufgaben auf beiden Seiten unterschätzt – auch, da auf beiden Seiten keine oder nur eingeschränkte Erfahrung mit Migrationsprojekten dieser Größenordnung existierten. Das wurde auch immer offen und direkt kommuniziert: „Wir als BVA haben noch nie ein Rechenzentrum migriert. Wir haben keine Primärerfahrung damit.“ Das ITZBund hat immer geantwortet: „Ja, wir haben schon Erfahrung. Wir haben schon mal ein RZ migriert.“ Dann haben wir nachgefragt: „Wie habt ihr das denn genau gemacht? Wie war der Plan?“ So wurde klar, dass das ITZBund zwar bereits ein Migrationsprojekt mit einer anderen Behörde durchgeführt hatte, dieses aber aus unterschiedlichen Gründen nicht als Schablone für unser Vorhaben geeignet war – nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher Komplexität. Insofern glaube ich auch, ein Stück für das ITZBund sprechen zu können. Wir waren beide auf so eine komplexe Migration nicht so gut vorbereitet.
ib: In der Anfangszeit hat es durchaus auch mal geknirscht. Wir haben einige Termine mit den Leitungen beider Behörden gehabt, bis wir dann tatsächlich zu einer Aufstellung gekommen sind, die gut funktioniert hat. Ich glaube, maßgeblich war an dieser Stelle auch, dass beim ITZBund schließlich eine erfahrene interne Projektleitung eingesetzt wurde.
srs: Eine interne Projektleitung hat auch schon im Normalfall mehr Durchgriffsmöglichkeiten, kennt die Organisation besser, kennt die Abläufe besser, kennt im Idealfall auch die Historie besser. Kein Verfahren läuft auf der grünen Wiese, sondern sie haben alle eine Historie, hardware-, softwaremäßig – und auch von den Menschen her, die sie betreuen.
Mit diesem Ansatz wurden neue Rahmenbedingungen, zum Beispiel standardisierte Aufgaben für jede Migration, Verantwortung für die Planung und Steuerung bei den Tandems oder ein gemeinsames Abstimmen der Termine zwischen ITZBund und BVA geschaffen und ein Gesamtprojektplan mit Projektplänen für jedes Fachverfahren aufgesetzt. Dieses Gesamtvorgehen erforderte auch eine Vergrößerung des Projektteams auf Seiten des ITZBund und des BVA, um die RZ-Migration wie geplant Ende 2026 abschließen zu können.
ib: Im Grunde ist die gesamte IT beteiligt. Die Kolleginnen und Kollegen, die im Betrieb für das Fachverfahren zuständig sind, sind auch an der Migration beteiligt. Wir haben mindestens drei oder vier verschiedene konzentrische „Schalen“ an Beteiligten. Zunächst das Kernteam der Gesamtmigration mit den verschiedenen Verfahrensmigrationen, die gesteuert werden. Dann die IT und natürlich die Fachabteilungen. Dann gibt es, je nach Verfahren, noch unsere Kundenbehörden. Sie müssen an vielen Stellen auch mitwirken.
srs: Im Kernteam sind es mehrere Vollzeitäquivalente. Dann kommen aber natürlich die weiteren „Schalen“ dazu. Bei den Verfahrensplattformen, zum Beispiel PNR1 oder dem Registerportal, sind es teilweise eigene Projekte, die die Migration durchführen. Dort haben wir auch noch einmal eine Handvoll Personen ausschließlich für die Migration, das heißt, für nichts anderes als die Koordination, die Organisation und so weiter. In der nächsten „Schale“, in jedem Fachverfahren, gibt es auch noch einmal Ansprechpartner und Beteiligte, die gemäß der Blaupause intensive Rollen in der Vor- und Nachbereitung haben.
Diese projektsteuernden und projektorganisierenden Maßnahmen sichern die termingerechte Umsetzung der Migrationen ab. Abweichungen von der Planung und Maßnahmen zur Gegensteuerung werden der Projektleitung vorgestellt und gemeinsam durch BVA und ITZBund entschieden. Dabei sind immer wieder Risiken und Herausforderungen zu meistern.
ib: Migration steht nie an erster Stelle. Das ist, glaube ich, die Top-Herausforderung. An erster Stelle steht immer der Betrieb. Wenn irgendwo Not ist, dann werden erst einmal die Betriebsprobleme gelöst. Das führt dann sehr häufig an sehr vielen Stellen zu Verzögerungen bei der Planung, die man für die Migration aufgestellt hat. Das ist ein Risiko, das man nicht verhindern kann. Aber wir haben, glaube ich, einen großen Erfolg damit erzielt, dass im ITZBund ein „Springer-Team“, also ein dediziertes Betriebsteam, aufgestellt wurde, um unabhängiger vom laufenden Betrieb zu agieren. Es wurde dediziert für die Migrationsaufgaben aufgestellt.
srs: Wir haben auch damit begonnen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu machen und haben gesagt: „Liebe Leute, wenn ihr immer weiter die Migration verschiebt, dann habt ihr irgendwann die Server in Bonn neu gekauft, und ihr könnt sie, ohne dass sie je in Betrieb gegangen sind, gleich wieder wegwerfen oder weiterverkaufen, weil sie wieder aus dem Support gefallen sind.“ Das war schon ein gewichtiges Priorisierungsargument für die Leitungen. Es blieb und bleibt aber ein schwerer Kampf um die Ressourcen und die zeitliche Reihenfolge.
Mittlerweile werden die Fachverfahrensmigrationen entsprechend der Planung zeitlich abgeschlossen, und der Termin „Ende 2026“ ist weiterhin das belastbare und realistische Terminziel für den Abschluss RZ-Migration.
srs: Migration ist kein Paradebeispiel für agiles Vorgehen. Es ist mehr eines für einen Generalplan. Man muss ihn sicher immer wieder anpassen, Stichwort „Blaupause“. Aber man wird von Fachverfahren zu Fachverfahren auch schlauer, und wenn man einen guten Grundplan hat, stolpert man nicht einfach in die Probleme hinein. Man darf nicht bei jeder Verfahrensmigration alles neu machen oder blind hineinlaufen.
ib: Abschließend wird man den Erfolg erst beurteilen können, wenn wir dann wirklich durch sind. Wir sind auf halbem Wege. Wir haben aber im Moment, glaube ich, auf beiden Seiten das Zutrauen, dass unser Gesamtplan aufgehen wird. Insofern würde ich es im Moment als Erfolg ansehen.
srs: Wir migrieren nicht zum Spaß oder weil Bonn schöner ist als Köln, sondern weil das einen inhaltlichen Mehrwert für uns ergeben wird. Den erlebt man auch nach jedem Migrationsschritt für ein Fachverfahren. Ich glaube, das gibt uns die Motivation für die zweite Hälfte.
Quellen
1 Passenger Name Records (Fluggastdatenspeicherung)