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Gamification in der Verwaltung

Bloße Spielerei oder ein Ansatz mit Zukunft?

von Philip Kosse

Wir alle kennen ihn, den Gang zur Behörde – ob nun neue Dokumente beantragt, Unterlagen abgegeben werden müssen oder für eine nur persönlich zu klärende Frage oder einen sonstigen Besprechungstermin. Häufig rechnet man mit längeren Wartezeiten, einem Berg von Formularen und zähen Diskussionen.

Ähnliches lässt sich auch in Bereichen der Bürgerbeteiligung beobachten. Flyer für Online-Umfragen trudeln in den Briefkasten, Einladungen zu Beteiligungsworkshops, donnerstags um 18 Uhr, oder die elektronische Bitte um Feedback für diverse Verfahren.

Auch das kennen wir alle und oft fragt man sich, warum Veranstaltungen und Workshops so trocken gestaltet sind. Mit den Auflagen des OZG sind die Kommunen dazu verpflichtet, ihre Dienstleistungen zu digitalisieren, und müssen Verfahren auch online abwickeln können. Zum Beispiel im BauGB §31 werden die Beteiligungsminima dargestellt, die es einzuhalten gilt. Aber geht das nicht irgendwie … kurzweiliger und spannender? Natürlich geht es bei diesen Vorgaben und Maßnahmen nicht darum, Bürgerinnen und Bürger zu unterhalten. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, sie anders und innovativ einzubinden sowie auch Behördengänge spielerisch zu gestalten. Die Rede ist von Gamification.

Gamification in der öffentlichen Verwaltung

Das Konzept Gamification bezeichnet den Gebrauch von Gamedesign- Elementen im nicht spielerischen Kontext.2 Mit der Gamification soll das Mikroengagement gefördert und eine Verhaltensänderung bewirkt werden. Dabei werden zunächst motivierende Faktoren geschaffen wie ein Punktesystem, verschiedene Levels oder zu absolvierende Missionen. Daraus resultierende psychologische Effekte sind beispielsweise Freude, aber auch positive Bestätigung durch Bestehen der Level oder ein immersiver Zustand, das heißt, ein Eintauchen in die Aufgabenwelt. Im letzten Schritt ist das Ziel, ein bestimmtes Verhalten zu erzeugen oder zu fördern. Die App wird häufiger genutzt, die Aufgaben häufiger bearbeitet, die Qualität der Nutzung steigt, ebenso die Geschwindigkeit, mit der die Aufgaben erledigt werden oder die Anzahl der erledigten Aufgaben selbst.3

Gamification fungiert dabei idealerweise als Dreh- und Angelpunkt zwischen den eigenen Fähigkeiten, Eigenschaften und den Voraussetzungen, um den sogenannten Flow-Zustand zu erreichen (siehe Abbildung 1). Im Flow werden auch schwierige Aufgaben spielerisch zugänglich gemacht und leichter gemeistert. Beim Spielen fällt es uns leichter, ein Scheitern zu akzeptieren, da wir ohne Konsequenzen in der Wirklichkeit Fehler begehen, sie analysieren und neue Lösungsmöglichkeiten ausprobieren können. Die Speicherfunktion erlaubt uns jederzeit, innezuhalten und einen Lösungsversuch in der Vergangenheit wieder aufzusetzen – ein Vorteil, den es in der realen Welt nicht gibt.

Das spielerische Herantasten an Aufgaben und das Lernen aus Fehlern sind wichtige Aspekte von Gamification. Ein beliebtes Beispiel für gamifizierte Weiterbildung sind auch die sogenannten Fuckup-Nights, in denen auf humorvolle und sehr persönliche Weise über Fehler berichtet wird, um andere spielerisch am Lernprozess teilhaben zu lassen.

Abbildung 1: Der Flow-Zustand beim Gamen (Basten 2022)

Abbildung 1: Der Flow-Zustand (Basten 2022)

Gamification in der Verwaltung bezieht sich auf die Anwendung spielerischer Elemente und Prinzipien aus Spielen in nicht spielerischen Verwaltungsprozessen, um Engagement, Motivation und Effizienz zu steigern. Dieses Konzept wird zunehmend in verschiedenen Bereichen der öffentlichen Verwaltung genutzt, um Bürgerbeteiligung zu fördern, die Effizienz von Verwaltungsprozessen zu verbessern und die Qualität öffentlicher Dienstleistungen zu erhöhen. Durch Gamification werden nicht in erster Linie die Prozesse selbst optimiert, auch wenn dies ein Nebeneffekt sein kann (beispielsweise durch die Erstellung einer Mängelmelder-App mit Belohnungssystem, die zur Optimierung der betroffenen Prozesse führen kann). Vielmehr geht es um die Qualität der Aufgabenerledigung selbst.

Das Erhalten von sogenannten Errungenschaften (ideellen Belohnungen), Bewertungen oder generell positivem Feedback motiviert dazu, nicht nur die Aufgabe überhaupt abzuschließen, um das Resultat und eine Belohnung zu erhalten, sondern auch, diese in bestimmter Güte zu absolvieren. Gleichzeitig werden Prozesse attraktiver und damit häufiger genutzt. Etwas überspitzt gesagt, könnte durch Gamification ein alltäglicher Behördengang trotz aller Formalitäten zu einem Erlebnis gestaltet werden, auch wenn weiterhin alle formalen und fachlichen Kriterien erfüllt werden müssen.

Das Gamification-Modell

Wichtige Elemente von Gamification

Nach dem Gamification-Modell von Teh5 sind die vier wichtigsten Elemente von Gamification Mechaniken, Messbarkeit, Belohnung und Verhalten. Im Bezug zur öffentlichen Verwaltung bedeutet dies:

  • Mechaniken: Sie sollen zum Beispiel dazu beitragen, den Behördengang erlebbarer zu machen (Storytelling) oder interaktiver (interaktive Objekte) zu gestalten.
  • Messbarkeit: Durch Feedbackoptionen kann eine konkrete Bewertung von Behördendienstleistungen vorgenommen oder gemessen werden, wie zeitintensiv ein bestimmtes Verfahren ist.
  • Belohnung: Beispielsweise kann der jeweilige Nutzer durch häufige Beiträge in einem Bürgerforum, die sich als korrekt und/oder hilfreich herausstellen, „Auszeichnungen“ (Badges) sammeln, die anderen Nutzern signalisieren, dass seine Antworten wertvoll sind. Hat jemand eine solche Auszeichnung erhalten, wäre es denkbar, ihm Vergünstigungen für kommunale Einrichtungen anzubieten, zum Beispiel zehn Prozent Ermäßigung auf eine Jahreskarte im Schwimmbad.
  • Verhalten: Solche Vergünstigungen motivieren, sich zu engagieren, und stoßen eine Art Wettbewerb an, wer sich in der Kommune, Stadt etc. am meisten einsetzt.

Nicht nur die Bedeutung von Gamification-Ansätzen nimmt maßgeblich zu, sondern auch die gesellschaftliche Relevanz für selbstgesteuerte Lernprozesse. Ob dies nun Lern-Apps für Sprachen sind, Plattformen wie Udemy für das Selbststudium oder ganze Videotutorials auf Youtube zum autodidaktischen Lernen –es lässt sich ein Trend erkennen.6

Abbildung 2: Das Gamification-Modell nach Teh

Abbildung 2: Das Gamification-Modell nach Teh

Umsetzungsbeispiele für Gamification in der Verwaltung

Gamification findet auch zunehmend in der deutschen öffentlichen Verwaltung statt. Beispielsweise wurde in der Stadt Köln die „Mängelmelder App“7 eingeführt, bei der Bürgerinnen und Bürger Probleme wie Schlaglöcher oder defekte Straßenlaternen melden können. Durch Gamification-Elemente wie Belohnungen und Punkte für gemeldete und gelöste Probleme wird die Nutzung der App gefördert.

Ein anderes Beispiel ist die App „Earth is Sexy“8 der Stadt München, die 2020 einen Innovationspreis gewann. Städtische Mitarbeitende werden durch ein Punktesystem und kleine Wettbewerbe motiviert, Energie zu sparen. Die Erfolge werden regelmäßig veröffentlicht und ausgezeichnet.9

Spielerisch die Stadt gestalten, darum geht es im fortlaufenden Projekt „Let’s Build Pforzheim – virtual!“ Dabei handelt es sich um ein zeitlich unbegrenztes Projekt der Abteilung „Kulturelle Bildung“ des Kulturamts Pforzheim, das es Kindern und Jugendlichen ermöglicht, mithilfe des Spiels Minecraft an Stadtentwicklungsprozessen teilzuhaben.10

Aber nicht nur im Sinne des hier beschriebenen klassischen Gamification- Ansatzes werden spielerische Beteiligung und Gaming für Verwaltungen und Stadtplanung bedeutender. Auch E-Sports, also professionell getriebenes Online-Gaming, wird kulturell immer präsenter und damit auch zum gesellschaftlich relevanten Faktor des Zusammenlebens. Gerade die Coronapandemie zeigte, wie wichtig soziale Kontakte und das gemeinsame Miteinander sind und wie diese auch virtuell möglich sind.

In Paderborn setzte man sich mit dieser Thematik vergangenes Jahr auseinander und zog das Fazit, dass E-Sport weit mehr als nur Gaming beinhaltet. Vielmehr geht es um Austausch, Teambildung, Wettbewerbsorientierung und Kreativität. E-Sport ermöglicht eine neue Form der gesellschaftlichen Teilhabe im virtuellen Raum.11

Ein letztes Beispiel sind die sogenannten Hackathons, die auch in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt werden, um spielerisch neue Ideen für digitalisierte Verwaltungsprozesse zu finden und auszuprobieren. Die Stadt Münster veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Stabsstelle Smart City jedes Jahr Hackathons für junge Erwachsene („MÜNSTERHACK“)12 sowie einen Jugend- und Kinder-Hackathon.13

Chancen und Herausforderungen

Chancen und Vorteile von Gamification in der Verwaltung

  • Erhöhte Motivation und Engagement: Spielerische Elemente können das Interesse und die Teilnahme von Bürgern und Mitarbeitenden an Verwaltungsprozessen erhöhen.
  • Verbesserte Effizienz und Produktivität: Durch die Einführung von Wettbewerb und Belohnungssystemen können Verwaltungsprozesse effizienter gestaltet werden.
  • Transparenz: Gamification kann helfen, Verwaltungsprozesse transparenter zu gestalten. Durch die eingesetzten Mechanismen wird der Prozess erkennbarer und einzelne Aufgaben werden spezifiziert.
  • Feedback: Es wird die Möglichkeit geschaffen, Feedback in Echtzeit zu geben, was die Anpassung und Verbesserung von Prozessen erleichtert und eine Form der Teilhabe schafft.
  • Innovative Problemlösungen: Durch kreative Ansätze und spielerische Herausforderungen können innovative Lösungen für administrative Probleme gefunden werden.

Herausforderungen

  • Kosten und Ressourcen: Die Implementierung von Gamification erfordert Investitionen in Technologie und in Personal mit entsprechenden Fachkenntnissen.
  • Nachhaltigkeit der Motivation: Es besteht die Gefahr, dass die Motivation nachlässt, wenn die spielerischen Elemente ihren Neuigkeitswert verlieren.
  • Ungleichheit: Nicht alle Bürger oder Mitarbeiter können möglicherweise gleichermaßen von Gamification profitieren oder daran teilnehmen wollen, was zu Ungleichheiten führen könnte.
  • Datenschutz: Die Sammlung und Verarbeitung von Daten für Gamification-Zwecke muss sorgfältig verwaltet werden, um den Datenschutz zu gewährleisten. Angelegte Nutzerprofile können sensible Daten enthalten, die beispielsweise auch Rückschlüsse auf Spielverhalten und persönliche Interessen ermöglichen.

Fazit

Gamification in der Verwaltung bietet vielfältige Möglichkeiten, die Effizienz und Qualität von Verwaltungsprozessen zu verbessern. Durch die geschickte Integration spielerischer Elemente können Bürger und Mitarbeitende motiviert und engagiert werden, was zu einer Erleichterung der zu erledigenden Aufgaben und erhöhter Zufriedenheit führen kann.

Allerdings müssen die Implementierung sorgfältig geplant und die möglichen Herausforderungen berücksichtigt werden, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Je nach Komplexität der zu erledigenden Aufgaben und zu gamifizierenden Dienstleistungen gilt es, das richtige Maß zwischen intrinsischer und externer Motivation zu finden. Sollen Verwaltungsprozesse an sich mehr Spaß machen, sodass sie gerne erledigt werden, oder möchte man durch Belohnungen dazu motivieren, diese abzuschließen? Gamification kann nur funktionieren, wenn die gewünschten Ziele vorher definiert werden und man sich im Klaren darüber ist, was und wer mit Gamification erreicht werden soll.  

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