Warum muss sich die Arbeitswelt in der Öffentlichen Verwaltung verändern?
Maria Rösch: Die Erwartungen an die Verwaltung ändern sich, und zwar die der Bürgerinnen und Bürger, die sich mehr digitale Angebote und auch mehr Flexibilität wünschen, und auch die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die anders arbeiten wollen. Gleichzeitig werden die Aufgaben, die durch die Organisation bewältigt werden müssen, komplexer. Einfache Aufgaben entfallen aufgrund der Automatisierung und Digitalisierung, und für die komplexeren Aufgaben werden „Wissensarbeiter“ gebraucht, die eine knappe Ressource sind. Auch deshalb muss die Verwaltung sich stärker auf die Ansprüche dieser Gruppe einstellen.
Bernd Gerbaulet: Und das bedeutet, dass ein Großteil der Aufgaben, die in den Behörden erledigt werden müssen, eine andere Organisation erfordern. Wissensarbeit braucht Zusammenarbeit, etwa in Projektteams, die die Aufgabe gemeinsam lösen. Das abteilungsübergreifende Arbeiten passt jedoch nicht in die bisherigen Kulturen und Aufbauorganisationen. Damit verbunden sind auch neue Anforderungen an Führungskräfte.
Was ist unter der Bezeichnung „New Work“ dann zu verstehen?
Maria Rösch: „New Work“ hat sich inzwischen zu einem Sammelbegriff (und auch ein wenig einem Modebegriff) für neue Formen der Zusammenarbeit entwickelt. Wir verstehen darunter eine neue kulturelle Entwicklungsstufe von Organisationen. Diese Entwicklungsstufe zu erreichen, ist dann angeraten, wenn sich eine Organisation und ihre Mitglieder in einem komplexen, nicht vorhersehbaren Umfeld bewegen. Die New-Work-Kultur ist geprägt vor allem von a) Selbstführung, b) der Integration neben den rationalen auch der emotionalen und körperlichen Seiten der Menschen – in der New-Work-Terminologie heißt das „Ganzheit“ – sowie c) dem Vorrang von Experimentieren gegenüber dem Planen. Verbunden mit der stetigen Orientierung am Kern-Zweck der Organisation ist dieser letzte Punkt, der „evolutionäre Sinn“, entscheidend für den Umgang mit einer sich schnell verändernden Welt. Die konsequente Ausrichtung am Zweck der Organisation ist aber tatsächlich die Basis für alle drei genannten Punkte. Alles, was man dann tut, um New Work zu etablieren, die Methoden und Vorgehensweisen, müssen daraufhin geprüft werden: Sind sie geeignet, Selbstführung, Ganzheit und evolutionären Sinn – mit Blick auf den Zweck der Organisation – zu fördern?
Welche Schritte müssen eingeleitet werden, um den Wandel zu beginnen?
Maria Rösch: Es gilt zunächst, zwei Grundvoraussetzungen zu klären: Veränderung ist eine Zumutung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Daher braucht es gute Gründe, d.h. echte Schmerzpunkte innerhalb der Organisation. Nur dann entsteht genügend Energie, um den Wandel langfristig anzugehen und zu verfolgen. Diese Schmerzpunkte zu identifizieren, ist also der erste Schritt. Und als zweites geht es darum herauszufinden, ob Vorgehensweisen und Methoden aus New Work geeignet sind, die identifizierten Probleme zu lösen oder ob vielleicht klassischere Ansätze z.B. aus dem Prozessmanagement ausreichen oder gar besser passen. Wer New Work angeht, dem muss es ernst damit sein.
Bernd Gerbaulet: Wenn nach diesen Vorüberlegungen die Entscheidung fällt, dass es einer grundsätzlichen Neuorientierung bedarf, muss die „Saat der Veränderung“ ausgebracht werden, also kleine erste Veränderungen wie beispielsweise Meeting-Strukturen oder Entscheidungsmechanismen. Dann gibt es erste Mitarbeiter*innen mit Erfahrungswissen, die diese „Saat“ weitertragen, andere inspirieren können. Ein darauf aufbauendes Multiplikatorenprogramm kann ein wichtiges Element sein zur Ausgestaltung des eigentlichen Transformationsprozesses, der den Rahmen für die Veränderung stellt.
Was ist Euer Angebot an Behörden?
Bernd Gerbaulet: Wir begleiten einen Transformationsprozess hin zu „New Work“ mit Beratung, Coaching, Training und Moderation. Beratung heißt dabei beispielsweise, die Analyse der Herausforderungen, die Konzeption und Planung des Prozesses selbst und auch die Organisation seiner Umsetzung im Sinne eines Projektmanagements. Die Moderation beinhaltet etwa das Sichtbarmachen von Gruppendynamiken und auch die Vermittlung zwischen konträren Positionen. Wichtig dabei ist, dass der Zweck der Organisation stets im Fokus steht.
Maria Rösch: Coaching und Training adressieren die Befähigung der Beteiligten zur Veränderung. Coaching ist die konstruktive Begleitung von Führungskräften und Teams. Unser Training zielt auf die Selbstorganisation und die lösungsorientierte Kommunikation – von bzw. in Teams ebenso wie von Einzelpersonen.
Was gewinnt eine Behörde, die den Wandel vollzieht?
Bernd Gerbaulet: Durch die Fokussierung des Zweckes wird die Organisation insgesamt effektiver und effizienter. Mit der Entscheidung im Team und der situativen Verteilung von Verantwortlichkeiten werden die selbstgesetzten Ziele nachhaltig erreicht. Die Organisation gewinnt an Reaktionsfähigkeit und lernt konstant dazu. Über die neuen Formate entwickeln sich auch die Fähigkeiten der Mitarbeitenden stetig weiter.
Maria Rösch: Darüber hinaus werden die Stärken und Potenziale der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser genutzt, sie sind zufriedener – nicht zuletzt, weil der Zweck dessen, was sie tun, stets klar ist. Davon profitieren auch die „Kunden“ der Behörde. Und last but not least gewinnt die Behörde als attraktiver Arbeitgeber, die Mitarbeiterbindung wird erhöht und die Personalgewinnung erleichtert.
Maria Rösch ist Lead Business Consultant im Public Sector. Sie begleitet als systemischer und agiler Coach Organisationen auf dem Weg zu neuen Formen der Zusammenarbeit.
Bernd Gerbaulet ist Bereichsleiter im Public Sector. Er berät die öffentliche Verwaltung dabei, die Digitalisierung als Chance zur Verbesserung von Organisation und Prozessen zu nutzen.